Friedrich Haufe, Gregor Schliep,
ie haben Sie zueinander gefunden und einen Verlag gegründet?GS: Wir haben uns an der Universität kennen gelernt. Ich habe Philosophie studiert und Friedrich Kunstgeschichte - und in zwei sehr intensiven Adorno- und Derrida-Seminaren haben wir uns angefreundet und uns in unserer gemeinsamen Leidenschaft für die Kunst getroffen.
FH: Und da im deutschsprachigen Raum die Kunst des Essays immer noch sehr unterrepräsentiert ist, dachten wir, dass wir diese Nische gerne mit unserem Programm besetzen möchten. Der fragende, nicht-didaktische und nicht-wissende Umgang mit Bildern hat uns gefehlt.
Auf der Liste Ihrer Autorinnen und Autoren finden sich mit Werner Busch, Frank Witzel oder Ann Cotten beeindruckende Namen. Wie haben Sie die für Ihre Sache gewinnen können?
GS: Darüber sind wir selbst immer noch ziemlich baff, vor allem weil wir beide keinen professionellen Hintergrund im Verlagswesen hatten. Aber es ist sehr schön, dass sie uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Und es zeigt vielleicht auch, dass das Spielfeld, das wir anbieten wollen, bisher gefehlt hat.
Die einzige Spielregel dabei sieht vor, jeweils von einem Bild auszugehen und einen "Bildfaden" zu spannen: Was bedeutet das konkret?
GS: In unserem ersten Band beispielsweise geht der Autor Frank Witzel von einem Bild im Bild - nämlich einem Filmstill aus der populären Fernsehserie Derrick - aus. In der sechsten Folge der bekannten TV -Serie aus dem Jahr 1975 hängt in dem Zimmer des Studenten Rohn das Gemälde Forum der einwärtsgewendeten Optik von Rudolf Hausner. Von diesem Bild ausgehend legt Witzel dann zum einen die Themen dieser Folge frei, aber auch den NS Hintergrund des Schauspielers Horst Tappert, das Umfeld der Serie im Nachkriegsdeutschland und fragt nach der Rolle des Surrealismus in diesem Kontext. Er wird hier also selbst zu einem Detektiv in einer Detektivgeschichte.
Welchen Bildfaden spannt Ihr Autor Wolfgang Kemp?
GS: Kemp geht von Rembrandts "Mädchen im Bilderrahmen" aus und spannt den Bogen zu dem zeitgleich in Amsterdam lebenden Philosophen Descartes. 1641 wurde dieses Bild in Amsterdam ausgestellt und im gleichen Jahr veröffentlichte Descartes seine Meditationen. In diesem Buch geht es um die Frage von Täuschung und Maskerade und ihre gesellschaftliche Funktion im 17. Jahrhundert.
FH: Aber auch wenn Kemp sehr dicht an Descartes und Rembrandt bleibt, stecken in dem Text - vielleicht auch unter einer Maskerade - Bezüge auf heutige Techniken der Täuschung, beispielsweise in den sozialen Medien.
Unsere Gegenwart produziert und verbreitet so viele Bilder wie keine andere Zeit zuvor. Ist auch das Teil Ihrer Motivation?
GS: Einer meiner Favoriten auf den sozialen Medien war das Bild vom Papst in weißer Daunenjacke. Wie soll man mit so einem Bild umgehen? Ich glaube schon, dass die textliche Auseinandersetzung mit Bildern uns helfen kann, Bilder besser zu verstehen.
FH: Wir Menschen haben ja ein sehr differenziertes Verhältnis zur Sprache entwickelt, aber wir gehen merkwürdigerweise bei Bildern immer von einer unmittelbaren Verständlichkeit aus. Das Sprichwort "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" kann man auch umdrehen und sagen: Es braucht mindestens tausend Worte, um über ein Bild nachzudenken. Genau darum geht es uns: Wir wollen Fragen an die Bilder stellen!