Film über Kasper König

Der Kurator im Schuhkarton

Die Künstlerin Sunah Choi hat historisches Videomaterial von Helke Bayrle zu einem filmischen Andenken an den Ausstellungsmacher Kasper König zusammengefügt. Ohne Pathos, aber mit viel Gespür für das, was der Portikus in Frankfurt am Main bedeutete, als der Kurator die Kunsthalle prägte. Hier zeigen wir das Werk

"Schuhkarton" hat Kasper König den Portikus manchmal genannt. Zwar hatte die von ihm 1987 gegründete Ausstellungshalle in Frankfurt am Main hochtrabende korinthische Säulen von 1825, dahinter aber war temporär ein Container angeflanscht. Die Genehmigung der von Marie-Theres Deutsch entwickelten "fliegenden Architektur" war immer wieder verlängert worden. Aber schon nach kurzer Zeit war es ohnehin in Stein gemeißelt, dass es sich um einen bedeutenden Inkubator der Kunst handelt, angedockt an die Städelschule, deren Direktor Kasper König von 1989 bis 2000 war. 

Für den im August letzten Jahres in Berlin verstorbenen Kurator fand dort zum Ende des Semesters eine Gedenkveranstaltung statt, auf der die Künstlerin und Städel-Absolventin Sunah Choi einen Film zu Kasper Königs Wirken am Portikus präsentierte. Zugrunde lag das Video-Archiv von Helke Bayrle, die seit 1992 bis zu ihrem Tod 2022 nahezu jeden Ausstellungsaufbau im Portikus mit ihrer Videokamera begleitet hatte.

Das Besondere an Bayrles Langzeit-Dokumentation ist einerseits die hellsichtige Gewissenhaftigkeit, mit der sie die Aufgabe als Kunstprojekt eigenen Ranges auffasste, und andererseits ihr Verzicht auf Priorisierung. Alles ist in ihren ruhigen Beobachtungen gleich wichtig, gleich interessant. Ob Besprechungsszenen oder das Aufbauteam in Aktion, ob ruhige Momente des Schauens oder wimmelige Eröffnungsabende. Erst in der Gesamtheit ergibt sich das große Bild. Diesen Ansatz teilte die Künstlerin mit ihrem Mann, dem Städelschul-Professor Thomas Bayrle: Es gelang ihr, eine zutreffende Beschreibung zu finden, die nicht von den Pointen oder den Extremen herrührt, sondern aus der Mitte.

Kunsthistorisch ungeheuer wertvolles Projekt

Sunah Choi, die in das aus heutiger Sicht kunsthistorisch ungeheuer wertvolle Projekt unter anderem als Cutterin involviert war, hat nun einen neuen, auf Kasper König fokussierten Zusammenschnitt der Videos von Helke Bayrle vorgestellt. Wie beim Ausgangsmaterial wird nur gezeigt. In aller Ruhe, ohne auf eine vorgefertigte Erkenntnis hinzulenken, sehen wir Kasper König bei der Arbeit als Chef der Kunsthalle Portikus zu. Beim Besteigen der wackelnden Leiter, um ein mannshohes Ei von Sarah Lucas in den Oberlichtern zu befestigen. Beim Begutachten der unterschiedlich geprinteten Foto-Abzüge zusammen mit Wolfgang Tillmans. Beim Schnapseingießen für Bazon Brock, um ihn kurz mal zu unterbrechen. Bei der Eröffnung der Foto-Ausstellung eines jungen Andreas Gursky. Bei der Weltpremiere von "Cremaster 5" von Matthew Barney, in Anwesenheit des Künstlers und seiner Galeristin Barbara Gladstone, die unaufhörlich lächelt in diesem seltsamen Kunstcontainer.

Der Ton zu diesen Aufnahmen ist nur in Fragmenten zu verstehen, aber man begreift auf anderer Ebene. Wie König sich mit den Künstlerinnen und Künstlern auseinandersetzte, war beispielsweise grundverschieden dazu, wie er mit der Presse sprach. Oft schien es, je wichtiger und renommierter jemand war, desto salopper war sein Umgang, und umgekehrt begegnete er den oft jungen Künstlerinnen und Künstlern mit aufmerksamer Ernsthaftigkeit, wenn auch nie mit zu viel Ernst. Als der Maler Franz Ackermann von Pressevertretern angesprochen wird, seine Farben erinnerten an mexikanische Wandmalereien, springt König ein: "Er kommt aus Altötting, das ist ja die mexikanische Abteilung der Katholischen Kirche."

Wie vorausschauend die Künstlerauswahl war

Und man versteht auch, wie vorausschauend die Künstlerauswahl war, deren Karrieren oft erst später abhoben. Gregor Schneiders "Totes Haus UR" war 1997 zuerst im Portikus aufgebaut, bevor es auf der Biennale von Venedig 2001 den Goldenen Löwen bekam. Wolfgang Tillmans war 1995, als er in Frankfurt ausstellte, noch hauptsächlich Magazinfotograf. Und Hans Haackes Schriftzug "Der Bevölkerung" prangte, bevor er ins Reichstagsgebäude einzog, unter dem Giebel und über den Säulen des Portikus.

"Ich habe ihn geliebt", sagte Thomas Hirschhorn, der aktuell Professor an der Städelschule ist, zur Gedenkveranstaltung für Kasper König. Er hatte 1998 im Portikus ausgestellt und in der Entstehung seiner Großinstallation einige Diskussionen mit König gehabt. "Ich habe ihn geliebt. Denn befreundet waren wir nicht."

Hier sehen Sie den Film in voller Länge: