Stefanie Heinze in Turin

Was mit und nach der Sprache kommt

Die Malerin Stefanie Heinze liebt man für ihre knallbunten, mehrdeutigen Formen und Motive, zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die Fondazione Sandretto Re Rebaudengo in Turin zeigt jetzt ihre erste institutionelle Schau

Das knallt: Überbunte, mehrdeutige Formen mit scharfen Kanten verschmelzen mit flabberigen, fantasievollen Wucherungen, weich wie Sofakissen; schachteln sich in- und übereinander; bilden fantastische Hintergründe für körperlose Körperteile und tierähnliche Kreaturen, für Alltagsgegenstände und Krimskrams, fliederfarbene Ohren und verrenkte Beine (die sich nur als solche identifizieren lassen, weil sie in dem wohl kontroversesten Trend-Schuh dieses Sommers stecken: einem hellgrauen Croc).

Stefanie Heinze, geboren 1987 in Berlin und wohnhaft in New York, ist bekannt für ihre knallbunten, mehrdeutigen Formen und Motive, die sie von kleinformatigen Vor-Zeichnungen in ausladende Tableaus übersetzt. Viele der Zeichnung entstehen in einem Prozess, der an das Anfertigen von Collagen erinnert: Da wird geschnitten, entfernt und abgetrennt, umgeordnet, ergänzt oder neu komponiert. Dass bei dem Übersetzungsvorgang auf Leinwand auch mal Fehler passieren, ist durchaus gewollt – nur so können neue Bedeutungsinhalte entstehen.

In Berlin kennt man Heinzes überbunte, fantastische Formensprache spätestens seit ihrer Soloschau bei der Galerie Captain Petzel ("Dimensions of the Fool", 2022); jetzt zeigt die Fondazione Sandretto Re Rebaudengo in Turin ihre erste institutionelle Einzelausstellung mit acht großformatigen Leinwänden. Es ist eine minimalistische Präsentation: ein weiß gestrichener Raum, grauer Boden, keinerlei Zwischenwände. Eine gewisse Spannung gibt es trotzdem; sie wird erzeugt durch zwei diagonal gegenüber platzierte Werke, die an Seilen von der Decke hängen und frei im Raum zu schweben scheinen.

Die Arbeiten entstanden zwischen 2020 und 2024. Frühere Leinwände wie "As You Treat Me (Specious Prosperities)", 2020, die eine gewisse Prinzessinnen-Symbolik aufweisen, mit ausladendem Rauschekleid und Fleisch- bis rosafarbigen Hintergründen, treffen auf düstere Leinwände aus diesem Jahr, in denen gerne auch mal einiges an schwarzer Farbe zum Einsatz kommt. Werke wie "Parts of Privacy (Urban Submissive)", "Larva Stage (Exposed to Linger)" und "Usuper (Romantic Drip)" wirken düsterer als noch vier Jahren. Und auch die greifbaren Motive, die einem in Heinzes Bildwelt immer wieder Halt geben (wie die Banane in "As You Treat Me"), weil sie vertraut erscheinen, werden seltener.

"Catch me if you can"

Was mit und nach der Sprache kommt, will die Schau mit dem Titel "Your Mouth Comes Second" erforschen. Symbolisch sieht man hier, wie der erhobene Zeigefinger zum Mund geführt und ein leises "Psssst ..." geraunt wird, ganz im Sinne von: "Jetzt schau dir das doch erstmal an, bevor du hier mit dem verquasteten Kunstjargon um die Ecke kommst". Heinzes Werke entziehen sich den gängigen Klassifizierungen, beim Betrachten gibt es kein Richtig oder Falsch. Sie lassen sich weder der Abstraktion zuweisen, noch sind sie eindeutig der Figuration zuzuordnen. Vielmehr feiern sie das Ungewisse, das Nicht-Wissen.

Und das ist das Schöne dabei: Während andere Künstlerinnen und Künstler ihrer Generation peinlichst darauf bedacht sind, möglichst unmissverständlich die Message zu transportieren, die gerade hip und woke ist, lässt Heinze offen, was gemeint ist. Und wenn man ihre Malerei nun doch unbedingt eine Begrifflichkeit zuweisen möchte, dann sollte man sich wahrscheinlich am besten an eine Bezeichnung halten, die die Künstlerin selbst lieferte – und das auch schon vor zwei Jahren, auch wenn sich der Begriff leider bislang noch nicht durchgesetzt hat. Damals sagte sie, ihre Malerei sei erstmal so eine Art "Catch me if you can".