Mit "Molto sexy, molto animal print and molto, molto italiano" fasste die Zeitung "The Independent" einst den Stil des italienischen Designers Roberto Cavalli zusammen. Als "King of Bling" wurde er bekannt. Sein Ethos "Mode, die nicht verrückt ist, ist keine Mode" spiegelte sich bis zuletzt in den Kreationen seines Hauses, auch wenn er die kreative Leitung schon seit längerer Zeit abgegeben hatte. Nun ist Roberto Cavalli mit 83 Jahren in seiner Heimat Florenz gestorben, einer Stadt, die ihn schon immer inspirierte.
"In Florenz zu leben, bedeutet, Kunst zu atmen", sagte er einst dem US-Sender CNN. "Florenz half mir, zu bestimmen, was schön ist". Und: "Meine Kreationen sind inspiriert von dieser Art der Architektur". Umgeben von einem Überfluss an Schönheit und Eleganz musste auch seine Mode eine gewisse Opulenz innehaben. Mit Balance, Minimalismus und zurückhaltendem Understatement konnte Signor Cavalli noch nie etwas anfangen.
"Er war ein natürlicher Künstler und glaubte daran, dass jeder den Künstler in sich selbst entdecken kann. Das Vermächtnis von Roberto wird durch seine Kunst, seine Kreativität, seine Liebe zur Natur und zu Tieren und durch seine Familie, die er sehr schätzte, weiterleben", ließ das Unternehmen Cavalli zu seinem Tod verlauten. Natur und Tiere sind tatsächlich Schlüsselworte in der Erfolgsgeschichte des italienischen Designers, der vor allem durch seine Entwürfe aus Leder, maximalistische Drucke, clevere Materialien, bühnenreife Glitzer-Kleider und eine ganz eigene Definition von sexy bekannt wurde.
"Gott ist der fantastischste Designer"
"Ich kopiere das Kleid eines Tieres, weil ich es liebe, Gott zu kopieren. Ich denke, Gott ist der fantastischste Designer", sagte er einst. "Molto animal print", wie es leibt und lebt. Und die Worte eines Mannes, der durch feine Techniken, selbstbewusste Mode und einen exklusiven Lebensstil Berühmtheit erlangte.
Cavalli wurde 1940 in eine Künstler-Familie hineingeboren. Sein Großvater, Giuseppe Rossi, war eine führende Figur in der Macchiaioli-Bewegung, die damals als Avantgarde betrachtet wurde. Ihre Anhänger verlegten das Malen nach draußen und erarbeiteten mit Schatten und Licht und einer Punkte-Technik eine äußerst natürliche Ästhetik in ihren Werken. Diese Arbeitsweise inspirierte Cavalli später in seiner Mode. Er studierte Kunst und nutzte bald Textilien als seine Leinwand, was großen Anklang fand. Später entwickelte er eine Technik, Leder zu bedrucken und Patchwork-Muster aus unterschiedlichen Materialen anzufertigen, die an die Malweise seines Großvaters erinnerte.
1970 dann gründete Roberto Cavalli seine gleichnamige Marke und präsentierte seine erste Show in Paris, die vor allem Lederprints zeigte. Das Publikum und auch weitere Modehäuser liebten die laute Extravaganz, und so eröffnete der Designer seine erste Boutique "Limbo" in Saint Tropez, in der Stars wie Brigitte Bardot ein und aus gingen. Im Jahr darauf wurde Cavalli eingeladen, seine Entwürfe in der Sala Bianca des Palazzo Pitti in Florenz zu zeigen, in dem die ersten öffentlichen Modenschauen stattfanden.
Glauben an den Maximalismus
Zusammen mit seiner zweiten Frau, Eva Düringer, etablierte Roberto Cavalli seine Marke international, lancierte eine Herrenlinie, erlangte Berühmtheit und Fans in ganz Europa. Als in den 1980er-Jahren die japanischen Designer ihre abstrahierte, architektonische Mode auf die europäischen Laufstege brachten, die das Gegenteil von Cavallis glamouröser Dekadenz versprachen und die Mode des Jahrzehnts bestimmen sollten, orientierte sich der Florentiner neu.
Ende der 1980er-Jahre widmete sich Cavalli dem Denim-Stoff. Einst ein Material, das von Arbeitern getragen wurde, entwarf Cavalli schillernde, bestickte und bedruckte Jeans-Hosen und erfand zusammen mit Lycra die erste Stretch-Jeans. Auch die erste Bleichjeans, man erinnere sich an die frühen 2000er, stammte aus Cavallis Feder. Selbst das gröbste, praktischste Material wurde so zu einem sexy Stöffchen, das die Silhouette betonte, an jeden Körper und zu jedem Anlass passte.
Modekritikerin Nina Garcia sagte über ihn: "Selbst als der Minimalismus die Norm war, glaubte er an den Maximalismus. Er kleidete uns in dem Glauben, dass das Leben - und die Mode - mit voller Geschwindigkeit gelebt werden sollten." Von dieser Revolution an war Cavalli nicht mehr aufzuhalten. Anfang des neuen Jahrtausends wendete er sich mit der Sub-Linie "Just Cavalli‘ an die jüngere Generation, nahm alles von Uhren, Kinderkleidung, Bademode, Wodka und sogar Event-Locations in sein Universum auf.
"Ich liebe mich nicht, aber ich bewundere mich!"
Mit seinem Erfolg und den regelmäßigen Schauen in Mailand erlangte auch Cavalli als Person weitere Aufmerksamkeit. Auftritte in Fernsehshows, eine Kollaboration mit der Fast-Fashion-Kette H&M und vor allem seine von Beginn an gut gepflegten Freundschaften zu Prominenten machten ihn zu einer öffentlichen Figur, die sich nicht davor scheute, ihren Erfolg zu feiern. Als unzähmbar wurde er beschrieben, wie die exotischen Tiere, deren Häute er für seine Kollektionen verwendete. Er galt als "König des Exzesses", der seinen neureichen Lebensstil zu seinem Markenzeichen machte.
"Ich liebe mich nicht, aber ich bewundere mich!", sagte er einst in einem Interview. Cavalli pendelte zwischen Florenz, New York und Mailand, zählte sich selbst jedoch nicht zum Jet Set, der einen großen Teil seiner treuen Kundschaft ausmachte. Es gehöre eben zum Leben eines Modedesigners, viel zu reisen. 2006 hielt er seine legendäre Modenschau auf der florentinischen Ponte Vecchio ab. Er eröffnete Clubs und Cafés unter seinem Namen, und oft sah man ihn auf seiner Yacht "Freedom", in seinem Helikopter oder an der Seite von Superstars.
Jennifer Lopez, die Beckhams, Madonna, Gwyneth Paltrow, Britney Spears oder auch Mariah Carey ließen sich von ihm einladen und einkleiden. Die Spice Girls pflegten eine enge Bindung zu dem Designer, ließen sich von ihm ihre Bühnenoutfits entwerfen und auch heute noch tragen gefeierte Superstars wie Taylor Swift Cavalli bei ihren Auftritten.
Privatzoo in der Toskana
Doch nicht nur Celebrities fühlten sich in den Kleidern des Designers wohl, jeder sollte sich in seiner Mode wie der Star seines eigenen Lebens vorkommen, selbstbewusst und unübersehbar. In Cavalli war die Aufmerksamkeit garantiert. Er selbst, vielfach verheiratet und selbsternannter Feminist, sah Frauen als die Hauptinspiration für seine Kleidung. "Die Frau ist meine Muse", ließ er verlauten. "Meine Muse war schon immer die sexy, glamouröse, kultivierte Frau, die Selbstbewusstsein ausstrahlt. Wenn überhaupt, wurde die Cavalli-Frau nur freigeistiger. Sie ist noch immer sexy, aber hat auch ein Bohemian-Element inne", beschrieb es Cavalli in einem Interview mit Fashion TV im Jahr 2012. Zwei jahre vorher war sein Label vom Luxury Brand Status Index auf den ersten Platz der Modemarken für Frauen gewählt worden.
Trotz seiner Beliebtheit begann das Unternehmen ab dem Jahr 2014 Verluste zu verzeichnen. Ein Jahr später verkaufte die Familie einen Anteil von 90 Prozent an die italienische Private-Equity-Gesellschaft Clessidra, die das Unternehmen mit 390 Millionen Euro bewertet haben soll. Im März 2019 beantragte das Unternehmen Insolvenzschutz und wurde später von der in Dubai ansässigen Vision Investment Company aufgekauft. Seit 2020 ist der sizilianische Designer Fausto Puglisi Kreativdirektor bei Cavalli. Indem er die alten Codes und Hypes wiederaufleben ließ, verzeichnete er finanziell große Erfolge.
Roberto Cavalli hinterlässt neben sechs Kindern ein 13 Hektar großes Anwesen in der toskanischen Landschaft, inklusive Weinbergen und mehreren Ferraris. Auch enthalten ist ein kleiner Privat-Zoo aus Papageien, einem Tiger, Leguanen, Affen und einer Perserkatze. Die Natur und die Tiere umgaben Roberto Cavalli bis zuletzt. Das Erbe, das er der Modewelt hinterlässt, ist ein noch größeres. Mit seinem oft verbreiteten Leitspruch "Übermaß ist Erfolg" feierte er ein hedonistisch grandioses Modeleben, ein im Leoprint getupftes Dolce Vita, das seinesgleichen sucht. Und gerade jetzt, wo der Boho-Stil sich mit dem 2000er-Kitsch vermischt, Fransen und Flatterkleider ins Vokabular zurückkehren und Bleichjeans nicht mehr undenkbar sind, erlebt Cavalli vielleicht sogar posthum noch mal seine ganz eigene Renaissance.