KI-Models in der Werbung

Zu schön, um wahr zu sein

Mango-Kampagne "Sunset Dream" mit KI-generiertem Model
Foto: Courtesy Mango

Mango-Kampagne "Sunset Dream" mit KI-generiertem Model

Der Moderiese Mango hat gerade eine Kampagne mit einem KI-generierten Model veröffentlicht. Wie verändert sich die Branche, wenn Schönheit programmierbar ist und Kleider keine Körper mehr brauchen?

Vor etwa anderthalb Jahren geisterte plötzlich ein Foto von Papst Franziskus in einem exorbitanten weißen Daunenmantel durch die sozialen Medien. Ungewöhnlich bauschig und auffällig für das sonst stilistisch zurückhaltende Kirchenoberhaupt. Und tatsächlich ein Fake, wie sich bald herausstellte. Kreiert durch das Programm Midjourney, das generative künstliche Intelligenz nutzt, um fotorealistische Bilder zu erstellen. Das bis auf kleine Details ziemlich überzeugende Motiv machte sehr deutlich, wie beeindruckend und gleichzeitig gefährlich eine solche "fremde Macht" dem menschlichen Geist werden kann. 

Seitdem wurden KI-Programme wie Chat GPT gleichzeitig zum besten Freund und ärgsten Feind von Menschen in der Kreativbranche. Deren Job wird erleichtert, kann aber gleichzeitig in Gefahr geraten. Und auch immer mehr Bilder und sogar ganze Kampagnen werden durch generative künstliche Intelligenz erstellt. Zuletzt machte sich der Mode-Riese Mango das Roboterhirn zueigen.

Um ihre "Sunset Dream"-Kollektion zu präsentieren, engagierte die Marke keine Models, die in den Kleidern posieren, sondern zog die Entwürfe virtuellen Frauen an, die als Körper gar nicht existieren. Die Mode habe man vorab fotografiert, um ein KI-Modell damit zu trainieren. Und diese KI hat dann die Kampagnen-"Fotos" mit den Kleidern und  digital generierten "Models" erzeugt, heißt es in der Pressemitteilung. "Künstliche Intelligenz ist eine technologische Revolution, die großartige Möglichkeiten bietet und als Co-Pilot fungieren sollte, um die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter zu erweitern und unsere Kreativität weiter zu steigern. Denn entweder macht uns die Technologie menschlicher, oder sie macht es nicht", erklärte es Jordi Alex, Chief Information Technology Officer bei Mango. 

Ohne Bedürfnisse und finanzielle Ansprüche

Die Kampagne ist für die Kundinnen und Kunden von herkömmlichen Modeshootings mit lebendigen Mannequins kaum zu unterscheiden. Da stellt sich die Frage: Was machen denn nun die Models aus der realen Welt, die für ihren Look, den gekonnten und trainierten Einsatz ihrer Körper und Gesichter bezahlt werden? Model werden, das wissen wir alle dank einer gewissen Fernsehshow, war schon vorher nicht einfach, und die Konkurrenz ist enorm. Nur eine kann Germany's Next Topmodel werden. Aber nun, wo Firmen sich ihre Kampagnen-Gesichter ohne Bedürfnisse und finanzielle Ansprüche selbst erschaffen können, müssen sich die "Mädchen" aus Fleisch und Blut und mit Formschwankungen und Emotionen Sorgen machen? Menschen durch Maschinen zu ersetzen: Das ist die Angst vieler vor der künstlichen Intelligenz, und nun scheint es, als sei genau das eingetroffen.

Sucht man im Internet nach "AI-generated fashion models", gibt es schon unzählige Plattformen, die sich genau dem Thema widmen und spezifische Wunschvorstellungen ihrer Kunden in virtuelle Körper übersetzen. Der Einsatz von KI-Modellen, so sagen die KI-Befürworter, könnte die Diversität fördern. Andere sind davon überzeugt, dass die menschlichen Schönen ihre Jobs verlieren und ganze Berufszweige hinfällig werden. 

Michael Musandu, der Erfinder und CEO von Lalaland, einer der KI-Model-Anbieter, gehört natürlich zu den ersteren. "Ich habe immer online eingekauft, wie du es vielleicht auch tust, und du siehst nie Models, die dir ähnlich sehen. Die meisten Modemarken, mit denen wir arbeiten, haben nicht vor, ihre traditionellen Fotoshootings weniger einzusetzen. Sie würden mit uns also eine Lücke mit KI-Modellen füllen, um eine inklusivere und repräsentativere Shopping-Umgebung zu schaffen.“ Die Frage ist jedoch: Gäbe es nicht unendlich viele Menschen, die nicht der weißen, dünnen, jungen und perfekten Fashion-Norm entsprechen und sich als Models anbieten würden? Muss diese sogenannte Diversität, oder einfach die Variation aus dem normalen Leben, virtuell hergestellt werden? 

Nie einen Pickel oder einen schlechten Tag

Shawn Grain Carter, Professorin am Fashion Institute of Technology in New York, stellt in Frage, ob am Computer hergestellte Modelle die gleiche Attitüde, den Ausdruck und das Charisma verkörpern können wie die uns bekannten Menschen. Sie sieht es außerdem als unbedingt notwendig an, dass der Konsument darüber unterrichtet wird, dass er einem Avatar in die Augen blickt und nicht seinesgleichen. 

Denn Online-Mode-Riesen arbeiteten schon länger mit künstlich erstellten Models, was niemandem auffällt. Große Namen, wie die immer noch angesagten Supermodels der 1980er-Jahre oder heutzutage die Hadid-Schwestern, werden von der Übernahme der KI vermutlich keinen Schaden tragen. Sie selbst sind eine Marke, deren Reichweite nicht so leicht ersetzbar ist. Doch der Hauptjob der meisten Models, die nicht für ihre Persönlichkeit oder ein besonderes Merkmal bekannt sind, ist es, austauschbar zu sein. Es geht nicht um sie, sondern um die Brand, der sie ihr Gesicht und ihren Körper leihen. Sie dürfen nicht zu sehr herausstechen und ihr die Show stehlen, sie sollen brutal gesagt Kleiderständer sein. 

Im Umkehrschluss können sie durch Models ausgetauscht werden, die ihnen ähnlich sehen, aber die nicht bezahlt werden müssen, die nicht krank werden, nie einen Pickel haben oder einen schlechten Tag. Schnell können KI-Plattformen Knochenstruktur, Haaransatz, Posen und Mimik nachstellen, ohne dass Fotografen, Make-Up Artist und Modelagenturen ihre Finger im Spiel hätten. Eine Replika, so gezähmt, wie es der Kunde sich wünscht. 

 Ein Bild, das keine reale Person ist

Aitana, ein KI-erstelltes Model aus Barcelona, wurde etwa erschaffen, um ihren Erfindern ein Einkommen zu garantieren. "Wir haben es getan, um besser leben zu können und nicht von anderen Leuten abhängig zu sein, die Egos haben, die Manien haben oder die einfach nur viel Geld mit Posen verdienen wollen", sagt Rubén Cruz, Designer und Gründer der Agentur The Clueless. Aitanas Leben wird von der Agentur bestimmt, die ihre Fotos künstlich erstellt und das Model so verreisen und auftreten lässt, wie es ihr gefällt. 

Ein eigentlich zweidimensionaler Roboter, der 324.000 Follower auf Instagram hat und monatlich mehrere Tausend Euro mit Modeljobs verdient. Sie ist eines der KI-Models, denen eine Persönlichkeit verpasst wurde und ein herausstechendes Aussehen, etwa ihre pinken Haare. The Clueless wird mit Anfragen von Marken überschwemmt, die ihr eigenes personalisiertes Modell haben wollen. "Sie wollen ein Bild haben, das keine reale Person ist und das ihre Markenwerte repräsentiert, damit es keine Kontinuitätsprobleme gibt, wenn sie jemanden entlassen müssen oder nicht mehr auf ihn zählen können", so Cruz. Und damit ist wenigstens ein neuer Job in Sicht, den dieses Phänomen mit sich bringen kann: Avatar-Manager. 

Kleineren Marken, die sich die großen, Aufmerksamkeit garantierenden Models nicht leisten können, könnte der Wechsel zu KI-Kreaturen helfen. Auch mit geringem Budget könnten sie Kampagnen kreieren und ihre Kleider präsentieren. Doch letztlich wird das neue Werkzeug dazu genutzt, alles noch schneller und günstiger zu produzieren, gerade von großen Marken. Fotostrecken müssen am Fließband hergestellt werden, um die stetig anstehenden Kollektionen online zu zeigen und verkaufen zu können. Praktisch, wenn hier Zeit und Geld eingespart werden kann. Einige Models verkaufen ihren Avatar, der kann so von Firmen als KI-Grundlage genutzt werden, und die virtuelle Model-Version immer wieder eingesetzt werden. Damit verdienen sie wenigstens noch ein wenig an ihrem eigenen Bild, und auch digitale Modelagenturen gibt es schon. 

Seelenlos und unberührbar

In der Mode wird künstliche Intelligenz schon seit Jahren immer mehr integriert. Sei es, um Kunden beim Einkaufen zu helfen oder Lieferketten zu unterstützen, das alles ist kein Neuland. Auch eine AI-Fashion-Week wurde schon veranstaltet. Was nicht vergessen werden darf: Die künstliche Intelligenz bedient sich aus schon bestehenden Ressourcen aus dem Internet. Irgendwo also gibt es sehr ähnliche Designs, sei es ein Model oder ein Kleidungsstück, das von der KI ausgespäht und anhand von Wahrscheinlichkeiten modifiziert wird. Ähnlich dem menschlichen Gehirn, das sich an wahrgenommene Kleider erinnert und eine eigene Version daraus kreiert. 

Letztlich sind die erfolgreichsten Ergebnisse der künstlichen Intelligenz die, die besonders gut und spezifisch von einem Menschen trainiert und beauftragt wurden, der künstlerische Touch und die Kreativität dürfen hier nicht fehlen. Doch auch bei Modedesignern ist die Angst da, dass sie nicht nur unterstützt, sondern eines Tages ersetzt werden könnten. 

Überlegt man, wie viel des traditionellen Mode-Alltags, vom Muster herstellen über Modenschauen und Trendprognose, bereits digitalisiert und an Algorithmen angepasst wurde, scheint das Ausradieren der menschlichen Modelle das ganze Spektakel zu etwas Seelenlosem und Unberührbaren zu machen. Was ist noch echt, was aus der Feder der artifiziellen Intelligenz? Models können vor der Kamera ikonische Momente erzeugen, die Emotionen hervorrufen und als Kunst gelten. Wenn selbst die Menschen, die die Kleider tragen, nicht wirklich existieren, dann können wir vielleicht auch gleich das ganze Mode-Geschehen von unserem Zuhause aus auf einem kleinen Bildschirm mitverfolgen, anstatt daran teilzunehmen. Die KI berichtet dann danach darüber, wie sie die Kleider, die sie selbst entworfen hat, denn so findet.