Kunst und Insekt

Hört auf, Bienen mit Menschenkram vollzudeuten!

Strikte Hierarchien und unermüdlich am Arbeiten: Kein Wunder, dass Bienen bei Königen und Kapitalisten so beliebt waren. In Frankfurt nähern sich Künstler den Insekten aber von einem ganz anderen Blickpunkt

Wann hat man das letzte Mal einer Biene zugesehen, ohne an das Wort "Bienensterben" zu denken? Oder an die daran anschließende Frage, wer dann die ganzen Blüten bestäuben soll? Oder an die Szene aus dem Film "Bee Story", die brechtsches Ausmaß erreicht, als die Bienen im Supermarkt bestürzt das Honigregal entdecken?

Das Bewusstsein für den Schutz der Bienen ist erst seit wenigen Jahren breit vorhanden. Im Jahr 2000 konnte geklärt werden, wie die Varroamilbe von Asien nach Europa kommen konnte, die sich vom Bienenblut ernährt und europäische Bienenvölker innerhalb von ein bis zwei Jahren nach einem ersten Befall auslöscht. Die Milbe kam mit der Transsibirischen Eisenbahn, an deren Stationen mit Bienenvölkern gehandelt wurde, nach Osteuropa. Und anders als in Asien sind die Bienen Europas dem Varroaparasiten schutzlos ausgeliefert.

So schreibt es die Künstlergruppe Finger auf die Infotafeln ihres Bienen-Museums, das derzeit im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt angesiedelt ist. Tiefes Bienenwissen, veranschaulicht durch kleine Plexiglas-Kuben, die sich auf vielen Ebenen dem heroischen bedrohten Tier widmen.

Zur Ausbeutung ihrer Rohstoffe und zur ständigen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen kommt die Ausbeutung der Biene durch ihre Eignung für Allegorien und Vergleiche aller Art. Mit ihrem aus Menschensicht emsigen Gebaren und dem Prosperitätsversprechen ist sie als Wappentier nicht erst bei den Barberini in Rom in Stein gemeißelt, auch schon im Alten Ägypten war sie Wappentier des Königshauses. Auch Napoleon Bonaparte wählte die Biene zu seinem persönlichen Emblem.

Faszination Biene

Bienen sind voll anschlussfähig an royalistische oder feudale Ideen, aber sie wurden auch Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verbreitung völkischer Umtriebe herangezogen, inklusive Legitimation des Angriffs auf Eindringlinge. Besonders gut eigneten sich die Biene und ihre Organisationsformen zu allen Zeiten als Blaupause für sämtliche Facetten des Kapitalismus: Sei es, um Reichtum durch Arbeit zu propagieren (wie es der britische Nationalökonom Adam Smith 1776 als Erster definierte), oder um die Arbeitsteilung in der Produktion zu illustrieren wie im Taylorismus und bei Henry Ford am Fließband. Aber auch für das höchst gegenwärtige Ideal der Schwarmintelligenz in den Sozialen Medien ist das kommunikative Insekt brauchbar, das den anderen durch Codes in seiner Flugbahn mitteilt, in welche Richtung man sich orientieren soll.

Man sollte einfach aufhören, die Bienen weiter mit Menschenkram vollzudeuten. Und sich lieber fragen, was die Biene für Künstler so interessant macht. Terence Koh, der sich vor einigen Jahren abrupt vom überdrehten New Yorker Kunst-Jetset absetzte und in die Berge zog, um sich wieder auf sich selbst zu besinnen, arbeitet seither mit Bienen. Sie zeigen ihm, wie es geht, im Einklang mit allem zu sein.

Oder Pierre Huyghe, der auf der Documenta 13 den Kopf einer liegenden Frauenskulptur in einen Bienenstock verwandelte und den Blick auf dieses unwahrscheinliche Schauspiel eines Bienenstaates komischerweise durch den Umweg über die Kunst wieder neu öffnete, und zwar ohne etwas anderes zu meinen als Bienen. Höchstens vielleicht ein bisschen zu Joseph Beuys herüberzuzwinkern, der viele Jahre zuvor auf der Documenta eine Honigpumpe zeigte.

Klaus Weber ließ in Kooperation mit Bienen Leinwände betupfen. Keiner weiß warum, aber wenn Bienen aus dem Winterschlaf erwachen, fliegen sie sehr gern auf weiße Oberflächen zu und sondern angestaute Sekrete ab. Bienenkot-Punkte in warmem Gelb. Keinen dieser Künstler interessiert ihre Nützlichkeit, ihr Fleiß oder ihre Effizienz. Vielleicht sind Künstlerinnen und Künstler von der Biene so angezogen, weil sie etwas kann, das jeder von ihnen können muss: aus fast nichts etwas ganz Hervorragendes machen.