Von Mai bis September diesen Jahres zeigte der Galeriegigant Gagosian an seinem Standort in Rom die Ausstellung "Fins" des US-amerikanischen Künstlers Alex Israel. Die Soloschau umfasste, so die Pressemitteilung, die noch immer auf der Webseite der Galerie zu finden ist, "riesige, farbige Surfbrett-'Fin'-Skulpturen aus Kunststoff", alle "einzigartig" in ihrer Form, Größe und Farbgebung.
Ergänzt wurden die skulpturalen Arbeiten durch weitere Werke, darunter ausgeschnittene Formen auf Papier und "Selbstporträts in Studiengröße", die allesamt "in thematischem Zusammenhang mit Alex Israels Skulpturen stehen". Die Schau setze seine Erforschung der visuellen Kultur von Los Angeles fort, verbinde sie "mit einem aufregenden neuen Ansatz", so der Ausstellungstext weiter.
Auf den ersten Blick ist es eine PR-Meldung wie jede andere auch. Informationen zum Künstler, zu den Daten, zum Ausstellungsort, kunsthistorische Bezüge. Standardisierte Sätze, die sich nicht sonderlich abheben von jenen, die man sonst in Ausstellungsankündigungen oder Pressetexten zu lesen bekommt. Doch manche sorgen dann trotzdem für leichtes Stirnrunzeln – irgendwie wollen sie nicht so recht zu Gagosian passen.
"Sowohl verspielt als auch auffallend schön"
Etwa der Satz: "Die farbenfrohen Skulpturen wurden mit viel Liebe zum Detail gefertigt, was zu einer Sammlung von Werken führt, die sowohl verspielt als auch auffallend schön sind." So viel blumige Nichtssagerei seitens des renommierten Galerieimperiums? Und dann gibt es da die euphorische Feststellung: "Diese Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen."
Dass weder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gagosian noch Alex Israel selbst den entzückt vor sich hin schwadronierenden Text verfasst haben konnten, wird wahrscheinlich schon nach einer zweiten Lektüre klar. Oder eben spätestens bei dem Hinweis: "Pressemitteilung von ChatGPT". "The Art Newspaper" hakte damals nach, was es mit diesem KI-generierten Dokument auf sich habe. Und der 1982 in Los Angeles geborene Multimedia-Künstler lieferte für seine Entscheidung zwar eine Erklärung – ließ diese jedoch ebenfalls von dem Chatbot erstellen.
"In vielerlei Hinsicht ist KI zu einem eigenständigen Medium geworden", heißt es hier. "Indem ich KI zur Erstellung der Pressemitteilung verwende, kommentiere ich die Überschneidung von Technologie, Kunst und Medien."
"Mein eigentliches Studio ist mein Auto"
Für seine Videoinstallation "Remembr", die gerade in der BMW-Lounge auf der Art Basel in Miami Beach zu sehen war, ging Alex Israel noch einen Schritt weiter – und ließ die KI gewissermaßen vom Autor zum Kurator mutieren. In Kooperation mit dem Autohersteller entwickelte er eine KI-Technologie, die Fotos und Videos einer Handykamera sammelt, filtert, komponiert – und diese dann in einer immersiven Präsentation zu einem Musikstück choreografiert.
Neben den sieben Screens, die an der Wand installiert waren, füllte ein elektrischer, von Alex Israel gestalteter BMW i5 die Räumlichkeiten der halbkreisförmigen Arena. Er habe eine wichtige Rolle bei der Konzeption des Projekts gespielt, so Israel.
"Ich sage immer, dass mein eigentliches Studio mein Auto ist. Die meisten meiner Ideen entstehen, während ich durch L.A. fahre. Meine Erinnerungen fließen und verschmelzen mit meiner Vorstellungskraft zu neuen Ideen, während das Radio läuft und die Stadt an mir vorbeizieht", erklärt er. "'Remembr' stellt die Frage: Was wäre, wenn wir all diese Erinnerungen auf eine ansprechende Weise wieder aufleben lassen und teilen könnten?"
Sonnenuntergänge, Geburtstagskuchen, Erleichterung
Die Installation lud demnach auch die Messebesucherinnen und -besucher der Art Basel ein, die Inhalte ihrer Handykamera mit der partizipativen "Memory Machine" zu teilen. Durch das Einscannen eines QR-Codes und dem Download einer eigens für die Installation entwickelten App gewährten sie der KI Zugriff auf ihre Kamerainhalte, die innerhalb von wenigen Augenblicken zu einer etwa zweiminütigen, auf die Musik abgestimmten Foto- und Videoschau choreografiert wurden.
Man sah: Skiurlaube, lachende Gesichter. Rosa verfärbte Sonnenuntergänge am Strand, Partys, Familienfeiern, üppige Geburtstagskuchen. Durchaus sich ähnelnde Kategorien, so unterschiedlich die persönlichen Erinnerungen auch sein mochten. Aber vor allem sah man: Erleichterung auf den Gesichtern, dass die KI großzügig die privaten Spiegel-Selfies ignoriert hatte.