Neubau und Abriss von Häusern sind für 40 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich, die Zementindustrie erzeugt acht Prozent der Treibhausgase. Sieht man sich aktuell in Großstädten um, gibt es wenige überzeugende Antworten auf die Fragen, wie ökologisch und ökonomisch sinnvoll gebaut werden kann.
"The Frankfurt Prototype" ist eine sehr überzeugende Antwort. Die Wohnanlage steht jetzt für drei Monate im Hof des altehrwürdigen Senckenberg Museums. Genau neben dem Grundstück wurde vor zehn Jahren der sogenannte Uniturm gesprengt, heute steht auf dem ehemals städtischen Grund ein belangloses, verspiegeltes Hochhaus mit Hotel und Luxuswohnungen.
Die Wohnraum-Probleme sind in Frankfurt am Main greifbar. Es sei nicht nur für Menschen mit wenig Geld, sondern auch für Menschen mit viel Geld immer schwieriger, hier zu leben, sagt Niklas Maak. Der Autor und Professor beschäftigt sich in seinen Büchern, Feuilletonartikeln und Vorträgen seit langem produktiv mit der Frage, wie ein gutes Leben für alle aussehen könnte.
Alle gravierenden Probleme des Bauens ernst nehmen
Er hat gemeinsam mit Studierenden aus der ehemaligen Architekturklasse der Städelschule und der Frankfurt University of Applied Science ein modulares Gebäude entwickelt, das alle gravierenden Probleme des Bauens einzeln ernst nimmt: die Umwelt, den Preis und den sozialen Aspekt.
Für den "Frankfurt Prototype" werden nur Recycling-Materialien verwendet. Die Kuben bestehen aus Schalungsholz, wie es im Brückenbau zum Einsatz kommt. Normalerweise werden die hellen Holzplatten nach dem Ausgießen mit Beton weggeworfen oder verbrannt, dabei ist das Material nicht nur weiterhin absolut funktional, sondern auch ästhetisch interessant. Genau wie die gebrauchten Stahlträger mit leichter Patina und Markierungen: Unter anderen Umständen würden sie mit großem Energieaufwand eingeschmolzen, hier tragen sie jetzt das aufgeständerte Gebäude in vier Metern Höhe, darunter bildet sich ein hoher offener Raum.
Er kann eine kleine Markthalle sein, Veranstaltungsort, Kino, Café. Mit festen Vorhängen lässt sich die Halle öffnen oder von der Außenwelt abschirmen. Damit antwortet "The Frankfurt Prototype" auch auf eine weitere aktuelle Misere des Lebens in der Stadt: Den sozialen Aspekt des öffentlichen Raums, der seit der grassierenden Schließung von Geschäften steuerungslos wirkt.
Was will eine Stadt in Zukunft überhaupt noch sein?
Niklas Maak, der seine architektonischen Überlegungen stets an für alle nachvollziehbaren Gedanken ausrichtet, hält den Markt für einen idealen Ort, wenn es um die Begegnung und Austausch geht. Denn es frage sich schon, was eine Stadt in Zukunft überhaupt noch sein will, wenn man nur noch von zu Hause aus arbeitet und alles online bestellt. Er wünsche sich, dass diese kleine Markthalle ein Ort werde, den die ganze Stadt annimmt. Von dem die Frankfurterinnen und Frankfurter sagen: Sie gehen noch mal kurz beim "Prototype" vorbei, um zu schauen, was da gerade angeboten werde – ein Film, eine Lesung, ein Kaffee.
Die Wohnkuben wirken trotz ihrer platzsparenden Dimensionen großzügig, was an den großen Fenstern und dem klugen Umgang mit dem Außenraum liegt: Eine kleine Schlafkammer kann eine große eigene Terrasse haben, eine Fensterlade kann ausgeklappt zum Tisch für eine größere Runde im äußeren Gemeinschaftsbereich werden. Ein bepflanztes Regal schirmt auf ganzer Höhe den Wohnraum zur Straße hin ab und hat nicht nur ästhetische, sondern auch klimatische Funktionen.
Die Wohnkuben des "Frankfurt Prototype" sind skalierbar und nach Baukastenprinzip erweiterbar, je nach Bedarf und Fläche. Hier im Hof des Senckenbergmuseums misst der Grundriss nur fünf mal 15 Meter, auf den 75 Quadratmetern könnten bis zu acht Personen leben.
Ein Prototyp als Sensation
Der Gebäudetypus ist für jene vielen Menschen gedacht, die schnell und preiswert eine Unterkunft benötigen. Das können Studierende sein oder Geflüchtete, oder einfach die vielen Familien, Wahlfamilien, WGs oder ältere Menschen, die sich nach anderen Wohnräumen sehnen als jene, die vorhanden sind, weil die sich immer nur an der Kernfamilie Vater-Mutter-Kinder orientieren. So will diese urbane Bautypologie nicht nur bezahlbar und nachhaltig sein, sondern auch den sozialen Zusammenhalt fördern. Nach Flohmarktprinzip könnte die unter den Wohnräumen liegende Markthalle sogar jenen ermöglichen, etwas zu tun, denen es gesetzlich nicht gestattet ist.
Dem beispielhaften Gebäude sind viele Besuchende aus Stadtplanung, Politik und Architektur zu wünschen. Aber auch ohne die ganzen nachhaltigen und sozialen Aspekte muss "The Frankfurt Prototype" einfach als Sensation anerkannt werden: Man kann für weniger als 200.000 Euro in Frankfurt ein Haus bekommen, das sich in drei Wochen aufbauen lässt. Nach der bisherigen Immobilienlage ist dafür ein sehr kleines Gebäude in der äußeren Peripherie erhältlich. Ohne Fenster, wie Niklas Maak noch ergänzt.