Was wissen wir über die Werke Alter Meister? Nicht immer genug. Ausstellungen bieten die Möglichkeit zu Forschungsarbeit, ja fordern sie geradezu. Selbst bei einem so bekannten Künstler we Caspar David Friedrich gibt es Neues zu entdecken. Etwa, dass nicht jedes angeblich von ihm gemalte Bild von ihm stammt. So geht es jetzt den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die ein vermeintliches Frühwerk aus dem Œuvre aussondern mussten. Ein Friedrich weniger im eigenen Bestand.
Die Dresdner werden es es verschmerzen, auch so zählt ihre Friedrich-Sammlung neben denen in Berlin und Hamburg zu den drei größten überhaupt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Kupferstichkabinett gut 60 Zeichnungen von Friedrich bewahrt, der zuerst als Zeichner brillierte und erst nach seiner Übersiedlung nach Dresden 1798 und dann auch erst im Laufe der Jahre die Malerei zu seiner Haupttätigkeit machte.
Eine gute Portion Lokalstolz ist also dabei, wenn die Dresdner Staatsmuseen – das Albertinum als Hort der Malerei ab 1800 sowie das erwähnte Kupferstichkabinett – die Doppel-Ausstellung unter dem Titel "Wo alles begann" veranstalten. Diese dritte der großen Friedrich-Ausstellungen im Jubiläumsjahr seines 250. Geburtstags kann auf ein entsprechend lokalpatriotisches Publikum zählen, egal was die beiden Vorgängerveranstaltungen in Hamburg und Berlin bereits gezeigt haben. Bereits 55.000 Eintrittskarten wurden übers Internet abgesetzt, ehe der Vorhang am Freitag überhaupt hochgegangen war.
CDF zieht immer
CDF, wie der Kunstbetrieb ihn gerne kürzelt, zieht immer. Doch darauf hat sich das Dresdner Team um Holger Birkholz vom Albertinum und Petra Kuhlmann-Hodick vom Kupferstichkabinett nicht ausgeruht. Ihr aller Ehrgeiz war es, Neues zu entdecken, einen neuen Zugang zu Friedrich zu finden, dessen Werke wie die kaum eines zweiten ausgedeutet worden sind. Immerhin währt der gegenwärtige Friedrich-Hype nun schon ein halbes Jahrhundert, seit die Hamburger Kunsthalle 1974 einen sensationellen Erfolg mit ihrer Ausstellung zum 200. Geburtstag verbuchen konnte.
In Dresden geht es nun nicht mehr um die Feier des vermeintlich einsamen Genies mit seinen melancholischen Bildern. Es geht vielmehr um das Wie, um den künstlerischen Schaffensprozess. Zwar lassen sich Zeichnungen und Gemälde aus konservatorischen Gründen nicht im selben Raum zeigen, aber hier ist es ein Gewinn, zunächst im Kupferstichkabinett die unendlich feinen Bleistiftzeichnungen zu sehen, die Friedrich auf seinen Wanderungen in undramatischen Landschaften wie der Insel Rügen oder dem Riesengebirge anfertigte. Genaueste Naturbeobachtung, in wenigen Strichen festgehalten, genügten ihm, um daraus, bisweilen Jahrzehnte später erst, seine Landschaftsgemälde zu komponieren. Ja, komponieren ist das Wort – denn es sind Zusammensetzungen, oft mit unterliegenden mathematischen Schemata wie dem Goldenen Schnitt, die dann doch alles andere als rational kühl wirken, sondern den Betrachter zur Emotion, zum Mitempfinden herausfordern.
Zudem kam Friedrich als Maler nicht aus dem Nichts. Er ging auch deshalb nach Dresden, weil er hier die damals anerkannten Vorbilder studieren konnte, die Gemälde von Salvator Rosa, Lorrain oder Jacob van Ruisdael. Die hingen schon damals in der Gemäldegalerie und waren öffentlich zugänglich, und jetzt haben die Kuratoren sie mitten in die Ausstellung gehängt, um Friedrichs Weg zur eigenen Meisterschaft zu belegen.
Wenn die Landschaft "auf die Altäre kriecht"
Um so einzigartiger wirken seine Werke – hier sind es 47 Gemälde – auf tiefdunkel gestrichenen Wänden. Besonders ausgeleuchtet ist das in Friedrichs selbstentworfenem Prunkrahmen gezeigte Programmbild "Kreuz im Gebirge", mit dem der Maler 1808 Aufsehen erregte. Ein konservativer Kritiker warf ihm vor, die Landschaft "auf die Altäre kriechen" zu lassen. Und hatte durchaus Recht: Denn Friedrichs Landschaften sind immer auch Andachtsbilder einer von göttlichem Geist belebten Natur.
Vor allem aber sind sie künstlerische Meisterwerke: meisterlich in der Naturerfassung, meisterlich in der Komposition, ungemein ökonomisch in der Wahl der Mittel bis hin zur nahezu vollständigen Monochromie und der Ereignislosigkeit des Bildgeschehens. Zum Kontrast hat das Dresdner Team eine schier endlose Längswand im einzigen, geschossgroßen Ausstellungssaal im Albertinum mit zahllosen Bildern aus dem Bestand vollgehängt wie weiland in den Dresdner Akademieausstellungen, um zu zeigen, gegen welche optische Übermacht sich Friedrichs stille Landschaften behaupten mussten. Sie aber sind es, die heute noch und heute wieder das Publikum begeistern