Es gibt zweifellos ruhigere Posten im deutschen Kulturbetrieb als den eines Präsidenten oder einer Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Hermann Parzinger kann davon mehr als nur ein Lied singen. Seit 2008 ist er im Amt, und wenn er im kommenden Frühjahr altersgemäß mit dann 66 Jahren ausscheidet, wird er 17 Jahre lang an Bord des "Tankers" gewesen sein, als der die Stiftung oft bezeichnet oder eher geschmäht wird. Aber ob er den Tanker auch immer hat steuern können, darüber gehen die Meinungen auseinander. Denn wie keine zweite Kulturinstitution hierzulande ist die Preußen-Stiftung ein Spielball der Politik, und zwar von Bund und Ländern gleichermaßen, denn sie sind es, die im allmächtigen Stiftungsrat die grundsätzlichen Entscheidungen treffen.
Darunter auch die über die Besetzung des Präsidenten-Amtes. Am kommenden Montag (8. Juli) wird der Stiftungsrat turnusmäßig zusammenkommen, nicht zuletzt, um sich die Fortschritte beim Reformprozess anzuhören, der Mitte 2020 mit dem harschen Urteil des Wissenschaftsrates über Defizite der Stiftung seinen Anfang nahm. Unter anderem ist darin eine deutliche Kompetenzminderung des Präsidenten vorgesehen; etwas, das sich der machtbewusste Parzinger nun nicht mehr antun muss.
Denn es wird am Montag ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin bestimmt. Kurz vor der Sitzung sprießen die Gerüchte. Immer wieder als Kandidatin genannt wird Marion Ackermann. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wirkt geradezu wie eine Idealbesetzung. Mit 59 ist sie jung genug, um in einer dann wohl siebenjährigen Amtszeit sichtbare Spuren zu hinterlassen; und alt genug, um nicht gar so lange amtieren zu können wie Parzinger. Was dem neuen Modell der kollektiven Führung durch einen derzeit sechsköpfigen Vorstand sehr entgegenkäme.
Die Karriereleiter mit strategischem Bedacht bestiegen
Marion Ackermann ist bestens vernetzt, auch in der Stiftung ist sie durch Mitgliedschaft in deren Wissenschaftlichem Beirat präsent. Hinter ihrer freundlich-fröhlichen Miene verbirgt sich ausgeprägte Zielstrebigkeit; und sicher kein geringeres Machtbewusstsein als beim gleichfalls stets verbindlichen Parzinger.
In Dresden hat sie, bei aller Wertschätzung seitens der sächsischen Landesregierung, die sie gern bis zur Pensionierung im Amt halten würde, nicht immer einen leichten Stand. Personell gut aufgestellt sind allerdings die 15 Museen ihres Verbundes. Als herber Verlust gilt allein der Weggang des brillanten Stephan Koja von der Gemäldegalerie Alte Meister Richtung Wien. Das allerdings kann man ihr nicht anlasten, umso weniger, als sie selbst die Karriereleiter mit strategischem Bedacht bestiegen hat, als sie von der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen an die Elbe wechselte.
Eine andere Kandidatin – und eine, die noch keine entsprechenden Signale über wohlmeinende Medien abgesetzt hat – ist Ulrike Lorenz. Sie präsidiert der Klassik Stiftung Weimar, nächst Berlin, Dresden und München das vierte Schwergewicht unter den deutschen Kultur-Großverbänden. Das allerdings erst seit 2019, sodass sie im Falle eines Wechsels liegen lassen müsste, was sie in Weimar gerade erst angepackt hat, wo ein Komplettumbau der Stiftung mit ihren so unterschiedlichen Handlungsfeldern im Gange ist.
Der künftige Präsident dürfte eine Präsidentin sein
Aber Lorenz ist von einer kaum zu bremsenden Energie. Sie hat an ihrer vorangehenden Station in Mannheim einen kompletten Museumsneubau gestemmt, und zwar innerhalb des Budgets. Und auch in Weimar wird gebaut und gebaut – keine schlechten Voraussetzungen für das Berliner Amt, das nicht zuletzt durch eine schier unübersehbare Bautätigkeit und ausufernde Kosten in Milliardenhöhe belastet ist. Und: kleines, aber nicht unwesentliches Plus: Ulrike Lorenz stammt aus dem Osten. Aus Gera. Dort begann sie ihre Laufbahn mit der Reorganisation des Museums Dix-Haus.
Es gilt als ausgemacht, dass der künftige Präsident eine Präsidentin sein wird. Wenn sich von männlicher Seite ein Kandidat anbieten würde, dann allenfalls einer, der es weder wird noch will: Max Hollein. Der 55-jährige Superstar am Museumshimmel hat als CEO des Metropolitan Museum New York ein Haus zu leiten, das an Personal, Budget und nicht zuletzt an Sammlungsschätzen genau so groß ist wie der Berliner Verbund. Aber das Gehalt, das in New York gezahlt wird, ist dermaßen außerhalb jeder bundesdeutschen Reichweite, dass man Hollein gar nicht erst mit einer Anfrage kommen dürfte. So viel zur internationalen Konkurrenzfähigkeit, die nicht zuletzt der Wissenschaftsrat in seiner Evaluation angemahnt hatte. Wenn auch eher nicht mit Blick auf die Gehälter.