Michael Riedel, Sie haben aus dem Mailverkehr mit Ihrer damaligen Galerie ein Buch gemacht. Wurde für "Abstract" die komplette Korrespondenz mit Ihrer damaligen Galerie verwendet?
"Abstract" ist die Zusammenfassung und Erzählung des langjährigen E-Mail-Verkehrs mit der New Yorker Galerie. Vollständig abgedruckt ist die Korrespondenz, die sich als emlx-Dateien auf unterschiedlichen Rechnern erhalten hat, auf den Geldscheinen, den Riedels selbst.
Wie lange kursiert der Riedel schon?
Der Riedel ist seit 2017 im Umlauf, entstanden anlässlich meiner Ausstellung im Geldmuseum der Bundesbank. Ich hatte die Möglichkeit, auf originalem Euroschein-Papier zu drucken. Zeitgleich kam die Trennung von meiner Galerie, was mir so gesehen sehr gelegen kam, da ich noch nicht genau wusste, mit was für einer Textur ich das Geldscheinpapier eigentlich bedrucken sollte. So kam es, dass ich aus dem 13-jährigen Schriftwechsel, dessen Motivation letztlich der Verkauf von Kunstwerken war, 45 Millionen Riedel machen konnte.
Wo sollte der Riedel idealerweise aufbewahrt werden?
Im Portemonnaie als nicht funktionierender Geldschein, zweckfrei. Die mehrfarbigen Lederetuis der Edition stammen übrigens von Leonard Kahlcke, mit einem schönen Loch, durch das man die Riedels sehen kann.
Wissen Sie grob, wo sich Ihre Scheine befinden?
Sie kursieren frei. Dass nicht jeder Schein eigenhändig verkauft werden kann, ist klar, deshalb auch der Griff zum automatisierten Handel. Riedels können seit einiger Zeit an Geldscheinautomaten mit EC-Karte und PIN gezogen werden, wie zuletzt bei meiner Ausstellung "Erfolg" in der Galerie Nagel Draxler in Köln und der Galerie von Gabriele Senn in Wien. Wobei die Galerie dabei keinen Gewinn macht, da der Automat die Buchungen direkt auf mein Konto transferiert. Was der Galerie bleibt, ist den ganzen Automaten zu verkaufen, der dann woanders ausgestellt weiter wirtschaftet. Ein wichtiger Aspekt bei der Trennung von der New Yorker Galerie war für mich schließlich der Autonomieerhalt.
Wie ist eigentlich der Kurs?
Eins zu eins. Das heißt die Edition mit den 43 Grafiken kostet 4.490 Euro. Plus tax.
Sie haben das Modell, das Sie auch am Expansionszwang Ihres Großgaleristen gestört hat, unterlaufen. Trotzdem scheint es mir bei Ihrem Parallel-Kapitalismus um etwas anderes zu gehen.
Ich war gespannt, wie sich eine komplexe Situation wie die 13-jährige Zusammenarbeit zwischen Künstler und Galerie verbildlicht. Grundlage dafür waren die emlx-Dateien aus dem E-Mail-Programm und die darin erhaltene Kommunikation. Ähnlich wie bei meinen Museumusausstellungen "Kunste zur Text", "CV" oder " 'zɛlpstbə' ʃʁaɪ̯bʊŋ [Selbstbeschreibung]" interessieren mich die Sprechblasen, die der Kunstbetrieb hervorbringt und die Verbildlichung des Systems. Dass die entstandenen Muster jetzt die Gestalt von Geldscheinen haben, sorgt für eine gewisse Aufregung. Geld steht nicht still, und die Frage, was man damit machen kann, würde ich beantworten mit: Noch mehr Geld. Also Rubbellose.
Rubellose?
Ich interessiere mich ja nicht für Geld, sondern mich interessiert das System, die Handlung, die Kunsthandlung. Mit der Produktion der Publikation "Abstract" ist die nächste Schein-Edition entstanden, der Inflations-Riedel, der Name ist noch Arbeitstitel, und anlässlich der Buchpräsentation in der Freitagsküche in Frankfurt wird es eine Lotterie mit Riedel-Scratch-Cards geben, also Rubbellosen, die man jedoch nur mit Riedel zahlen kann. Es bleibt dabei jedem selbst überlassen, überhaupt einen Riedel am Automaten zu kaufen, den Riedel dann zu behalten oder einzutauschen gegen einen anderen Riedel, den dann unverrubbelt zu sammeln oder einfach aufzurubbeln und gegebenenfalls den Gewinn einzulösen gegen weitere Riedel.
Immer interessant, Finanzen und Spieltrieb zusammen zu denken. Das Rationale und das Irrationale sind viel enger verknüpft als es den Anschein hat, bei Ihrer Arbeit auch?
Weiß ich nicht.
Ihre Ästhetik und auch Ihr Ansatz des Transkribierens und Wiedergebens haben einen sehr nüchternen Anschein, aber darunter vermute ich Kritik, Subversion und auch Humor. Diese immer sehr ernsthaften, immer sehr dringenden E-Mails in Ihrem Buch bekommen etwas ungeheuer Komisches, wie bei Jacques Tati.
Es gibt in meinem Buch die Stelle, wo ich davon berichte, dass die Fotos von meinen Werken auf der Kunstmesse in Turin, die ich der Galerie geschickt habe, unterschiedliche Farbstiche haben. Ähnlich wie in Tatis Film "Playtime", wo ein Paar unter dem grünen Leuchtzeichen einer französischen Pharmacie sitzt, kommen die Farbstiche auf meinen Werken von dem gegenüberliegenden VIP-Bereich, der abwechselnd gelb, blau, rot und grün aufleuchtet.
Man wird nicht Künstler, um in einem Betrieb zu arbeiten? Ist das Ihr Ansatz?
Woran ich gerade denke, ist an die Nachbearbeitung dieses Interviews. Schwer zu sagen, wo der Betrieb anfängt oder aufhört. Der Betrieb stresst, ist aber auch nicht unattraktiv. Also wenn ich ehrlich bin, lautet mein Ansatz: Nicht mitmachen, aber dazugehören wollen.
Es ist ja auch fast schon die Pflicht, als Künstler bestimmte Dinge zu verweigern und seinen Standpunkt so klarzumachen. Ich bin sicher, dass auch die Großgalerien genau wissen, dass sie ohne diese Unabhängigkeit ihrer Künstlerinnen und Künstler überhaupt keinen Erfolg hätten.
Nicht mitmachen verstehe ich nicht unbedingt als Verweigerung, sondern als mitlaufende Leerstelle, die das System überhaupt erst sichtbar macht. Ich finde leere Seiten in Katalogen, auf denen die Ausstellungsansichten fehlen, weil die Kataloge zur Eröffnung unbedingt fertig sein musste, genauso angemessen wie leere Bilder in der Ausstellung, die zeigen, dass es auch Bilder gibt, die nicht gemacht wurden.
Indem Sie den Prozess zu Ihrem künstlerischen Material machen, erlangen Sie Souveränität zurück.
Überspitzt gesagt kam ich gar nicht mehr dazu, Kunst zu machen, weil mich der Betrieb so gestresst hat. Das war Problem und Lösung zugleich. Von dieser Durchlässigkeit erzähle ich in "Abstract".
Dass Sie die Geldgetriebenheit des Betriebs zum Anlass gemacht haben, eine eigene Währung zu entwickeln, also das Geld und die Kunst deckungsgleich zu machen, ist schon smart. Dass Sie den EC-Automaten mit den Riedels jetzt im Palais Populaire aufstellen, dreht die Pointe noch weiter: Es ist die Kunsthalle der Deutschen Bank.
Genau genommen hat er es ja nicht in die Kunsthalle der Deutschen Bank geschafft. Der Automat steht jetzt im Foyer beziehungsweise im Shop der Kunsthalle und nicht in den Ausstellungsräumen, was meiner Vorliebe für Randbereiche entgegenkommt. Was jedoch nicht heißt, dass ich für einen Bauzaun einer Museumsbaustelle in Berlin zu haben bin. Aber ich habe auch schon in namhaften Institutionen auf dem Damenklo ausgestellt.