Various Others in München

Das andere Oktoberfest

Wer nicht im Wiesn-Zelt versackt, kann in München gerade viel gute Kunst entdecken. Die Projekte des Festivals Various Others sind mindestens noch bis Sonntag zu sehen. Hier sind unsere Highlights

Zwischen all den Saisonstarts der Galerien in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin und Wien, die im September das Ende der Sommerferienzeit einläuten, hat sich Various Others in München als fester Termin etabliert. Seit seiner Gründung vor sechs Jahren steht hier der Gedanke des Austauschs und Gastgebens im Fokus: Die teilnehmenden Galerien und Ausstellungsräume laden andere internationale Positionen ein, die die Münchner Szene bereichern sollen.

Privatsammlungen öffnen ihre gut versteckten Türen, dazu gibt es drei Wochen lang Veranstaltungen wie Ateliergespräche, Führungen und Performances. Und auch die Institutionen haben sich angeschlossen und eröffnen ihre neuen Ausstellungen anlässlich des Festivals.

Weil all das unmöglich an einem Wochenende zu bewältigen ist, zieht sich das Programm der 27 Teilnehmenden über 17 Tage. Zum Abschluss von Various Others an diesem Wochenende kommen hier unsere Empfehlungen:

 

Galeriespaziergang: Jahn und Jahn, Britta Rettberg, Jo van de Loo & Drei

Bei Jahn und Jahn lohnt sich ein Blick hinter die verführerisch spielerischen Oberflächen der Arbeiten von Holly Hendry, Anne Neukamp und Andreas Schmitten in der Ausstellung "Flip", kuratiert von Polina Stroganova aus Mexico City. Hendrys seltsam dekonstruierte Skulpturen vereinen comicartige Elemente mit fast schon mordbiden Körperteilen, während Schmittens Architekturmodelle Größenverhältnisse ins Wanken bringen und eine beklemmende Leere hinter den scheinbar perfekten Oberflächen entwickeln. Dazu kommen die Malereien von Anne Neukamp, in denen vertraute Dinge ein Eigenleben entwickeln, in einem Schwebezustand zwischen Fläche und Raum.

Bei Britta Rettberg bringt die südafrikanische Künstlerin Lerato Shadi, vertreten von der Gastgalerie Blank Projects aus Kapstadt, unser Verständnis von Zeit und ihrer Lesbarkeit durcheinander. Auf braunen und weißen Papier- und Stoffbahnen mäandern rote Buchstabenschlangen, doch sie zu entziffern und einzelne Worte herauszulesen ist unmöglich – für uns. Lerato Shadi hat jede Schriftlinie, die sie aufgebracht hat, erneut rückwärts über die erste Linie geschrieben und verwehrt uns so den Zugang zu ihren Gedanken. Einen Anfang oder eine Ende gibt es nicht, stattdessen schlägt sie eine sich überlagernde, konzentrische Erzählweise vor und stellt damit auch unsere westliche Strategie der Wissensvermittlung und Geschichtsschreibung mithilfe von Texten infrage.

Auch bei Jo van de Loo geht es tiefgründig zu: Auf den ersten Blick ist die gemeinsame Schau mit Drei aus Köln eine humorvolle und geradezu niedliche Huldigung des Hundes. Auf den kleinformatigen Malereien von Sandra Slim tummeln sich struppige Vierbeiner neben futuristischen Architekturen oder düsen auf dem Motorrad durch die Wüste. Doch in der Gegenüberstellung mit den marmornen Hundeskulpturen von Julia Scher, die auf auf einen Infoscreen starren, auf dem sich Artgenossen durch einen intergalaktischen Transitbereich bewegen. Wer schaut hier wem zu, wer überwacht wen, und was sagt unser Wunsch, andere Lebewesen zu domestizieren, über uns als Gesellschaft aus?


Haus der Kunst

Zugegeben, der Begriff "Environment" hat ein wenig Staub gefangen und klingt nach 70er-Jahre-Katalog.  Heute wird schließlich alles, was im Museum nicht an der Wand hängt oder auf einem Sockel steht als immersiv, ortsspezifisch oder partizipativ gelabelt. Mit der Ausstellung "In anderen Räumen. Environments von Künstlerinnen  1956 – 1976" holt das Haus der Kunst das Genre aus der weiß-männlichen-Geschichtsecke und bittet zum Betreten und Anfassen. Und so schlängelt man sich durch bunte leuchtende Stofftunnel von Aleksandra Kasuba, kriecht durch Lea Lublins aufgeblasene Gummiröhren oder lässt sich in Judy Chicagos "Feather Room" in die Daunen fallen, die sich überall im Museum wie kleine Souvenirs verteilt haben. Das Haus der Kunst leistet hier substantielle Arbeit am Kunstkanon, indem es die teils wenig bekannten Frauen aus der Geschichte der begehbaren, oft ephemeren Kunst hervorhebt. Am besten gleich um 10 Uhr morgens kommen, wenn die Schau aufmacht. Denn alleine, ohne Schlange stehen, macht es noch mehr Spaß.


Espace Louis Vuitton

Sarah Morris hat sich im gediegenen Espace Louis Vuitton nicht nur mit ihren markanten geometrischen Rasterbildern ausgetobt – am Treppenhaus zwischen der unteren und oberen Etage des Ausstellungsraums hat das Team mehrere Wochen auf 13 Metern Länge unzählige Farbschichten aufgetragen – sondern zeigt auch gleich drei Filme aus der Sammlung des Modehauses. In "Strange Magic" (2014) untersucht sie den Gehry-Bau der Fondation Louis Vuitton in Paris und schafft eine visuelle Verbindung von der französischen Hauptstadt zu Gehrys Arbeitsumfeld in Los Angeles und der Produktion der Luxuskonsumartikeln, aus denen das Kapital für die Kunstsammlung stammt. Die Musik, die in jedem der drei Filmprojektionen ihren Sog entfaltet, stammt wie immer vom Künstler Liam Gillick.


Kunstraum München

Im Kunstraum München nimmt man den Gedanken des Gastspiels besonders ernst: Im 50. Jubiläumsjahr des Kunstvereins wurden mehrere Künstlerinnen und Künstler, die seit der Gründung in den 70er-Jahren ausgestellt waren, dazu eingeladen, mit einer jüngeren Position in Kontakt zu treten und gemeinsam oder in Bezug aufeinander ein Ausstellungsprojekt zu realisieren. Den ambitionierten Auftakt machen zeitgleich zu Various Others keine Geringeren als Franz Erhard Walther und Santiago Sierra. In mehreren Aktionen im öffentlichen Raum lässt Sierra Geflüchtete fotografieren, die sich derzeit in München aufhalten, im Wechsel dazu finden Aktivierungen ausgewählter Objekte von Walther statt. Am Sonntag, 24. September, findet Serras Aktion gleichzeitig am Kunstraum München und am Olympiapark statt. Die nächsten Termine sind hier zu finden. 


Lothringer 13 Halle

Im städtische Kunstraum geht es in der Ausstellung "On Listening" eher ums Hören als ums Sehen. Genauer: Ums Zuhören und die Macht, die in dieser aktiven Form körperlicher Zuwendung steckt. Wem hören wir zu, was erzählen wir weiter, was sagt das Erzählte über seine Zeit? Die Ausstellung bringt Theoretikerinnen, Aktivisten, Archive sowie Community-Radiosender zusammen und sorgt für ein intensives Hörerlebnis.


Termine zum Abschlusswochenende

Zum letzten Mal gibt es die Gelegenheit, die Ausstellung "Es ist Herbst, wir fallen" zu sehen, die der Künstler Gregor Hildebrandt mit Werken aus Münchner Privatsammlungen in einer leerstehenden Villa unweit des Lenbachhauses kuratiert hat. Werke von Martin Boyce, Monica Bonvicini, Michael E. Smith, Diamond Stingily und vielen anderen, die sich meist im privaten Raum hinter verschlossener Tür befinden, sind hier noch dieses Wochenende zu sehen. Einlass nur nach vorheriger Anmeldung und mit Führung.

Am Sonntag, 24. September, gibt Kuratorin Anne Pfautsch eine Führung durch die Ausstellung "Inside Other Spaces" im Haus der Kunst (15 Uhr) und im Lenbachhaus steht der "Art Chat" zu Natascha Sadr Haghighians Ausstellung "Now that I can hear you my eyes hurt (Tumult)”" auf dem Programm.