"Den Alltag aufmerksam wahrnehmen", so beschreibt Stephen Shore seine Arbeitsweise. Der US-amerikanische Fotograf, geboren 1947, gilt als einer der Pioniere der Farbfotografie. In der erweiterten Neuauflage von "Modern Instances: The Craft of Photography. A Memoir" stellt der Leiter für Fotografie am Bard College sein Material aus mehr als 40 Jahren Lehrtätigkeit zusammen. In dem für Fotokunst sehr unprätentiös wirkenden Taschenbuch erzählt Shore anhand von Bildern und Essays, was ihn ihn in seiner Laufbahn beeinflusst hat.
Neben Größen der Fotogeschichte wie Lee Friedlander, Henri Cartier-Bresson und William Eggleston zitiert er Shakespeare, Henry James, Kopernikus und Hermann Melville. Gedanken über Künstler von Michelangelo bis Ed Ruscha komplettieren einen Exkurs durch die Literatur-, Kunst- und Kulturgeschichte. Das Feld der Inspiration ist für ihn grenzenlos, Erleuchtung ist überall zu finden, nicht ausschließlich in der visuellen Ästhetik.
Die Fotografien, Gemälde und Zeichnungen sind auf mattem Papier gedruckt, neben Klassikern des kunsthistorischen Kanons sind auch unbekanntere und anonyme Künstler vertreten. Shore setzt sie in direkten Zusammenhang mit seinen Fotografien. Bei seinen eigenen Aufnahmen wählte er die für seine Arbeit typischen Landschaften oder Straßenzüge der ländlichen und urbanen USA aus, die in farbigem Analog-Stil gehalten sind. Sie stellen die visuelle Zusammenfassung dessen dar, was er in seinen Essays vermittelt.
Stephen Shore verschiebt den Fokus von "Fotografie sehen" zu "Fotografie denken", und eröffnet damit einen neuen Blickwinkel auf die Fähigkeiten des Mediums. "Modern Instances" ist weder Bildband noch Lehrbuch, sondern vielmehr eine Hommage an die Fotografie. Aber auch für alle Nicht-Fotografen und Fotografinnen ist es eine Anregung, gerade in Zeiten der Bilder-Flut die Welt wieder aufmerksamer zu betrachten.