Für Städel-Direktor Philipp Demandt ist es ein "Sinnbild, ja das Auftaktbild der Weimarer Republik": Das "Selbstbildnis mit Sektglas" von Max Beckmann, 1919 gemalt. Nun hat das Museum das Selbstporträt, das bereits seit 2011 als Leihgabe zu sehen war, erwerben können. Demandt ging damit ein «Herzenswunsch» in Erfüllung, wie er am Mittwoch bei der Bekanntgabe des Erwerbs zu einem nicht genannten Preis sagte. Das Bild sei "nicht nur eines der bedeutendsten Gemälde unseres Hauskünstlers Max Beckmann, sondern auch eine Ikone des 20. Jahrhunderts". Für ihn sei nicht auszudenken gewesen, "dass das Gemälde uns vielleicht einmal verlässt".
Max Beckmann (1884 bis 1950) und das Städel sind eng verbunden: Unweit des Museums befand sich sein Atelier, in dem er auch das "Selbstbildnis mit Sektglas" malte, in Frankfurt schuf er einen Großteil seiner zentralen Werke. Es sei das dritte Selbstporträt Beckmanns nach dem Ersten Weltkrieg überhaupt gewesen - und das erste, auf dem er sich "als eleganter Lebemann in einem Nachtlokal" präsentierte, so Demandt. Nach Angaben von Zeitzeugen war Champagner das bevorzugte Getränk Beckmanns, mit dem er sich von der Arbeit im Atelier zu entspannen versuchte.
Dennoch, von Champagnerlaune kann keine Rede sein, auch wenn in dem Bild die Sterne auf der Tapete des Lokals golden funkeln: Die Augenbrauen sind ironisch hochgezogen, das Lächeln eher kalt, das Gesicht des Malers erinnert durch Schattierungen und Hervorhebungen an einen Totenschädel. "Max Beckmann nimmt hier eine Rolle ein, in der er in den kommenden Jahren immer wieder in Erscheinung treten wird: die des distanzierten Beobachters im nächtlichen Amüsierbetrieb", sagte Demandt. In seinen Bildern demaskiere er die bürgerliche Vergnügungssucht der Nachkriegszeit, ihre Oberflächlichkeit und extravaganten Inszenierungsformen.
Angesichts des Wertes des weltweit begehrten Gemäldes sei der Gedanke an einen Kauf zunächst unerreichbar erschienen, so Demandt. "Noch nie zuvor hat das Museum eine einzelne Erwerbung in dieser Dimension gestemmt." Möglich sei das nur durch private sowie staatliche Förderer gewesen und durch das "großzügige Entgegenkommen der Eigentümer", betonte Demandt.
Das Selbstporträt stammt aus der Privatsammlung von Hermann Lange in Krefeld, der es bereits in den 1920er-Jahren erworben hatte. Seit dieser Zeit war das Gemälde ununterbrochen im Besitz seiner Nachkommen, von denen es nun für das Städel Museum erworben wurde. Die lange Verweildauer habe auch zu einem "nahezu unberührten" Zustand geführt, schwärmte Demandt. Vom 9. Dezember bis zum 5. April 2021 soll das Bild im Mittelpunkt der Sonderpräsentation "Städels Beckmann/Beckmanns Städel" stehen.
Das Frankfurter Städel hat heute - wieder - eine der größten Beckmann-Sammlungen. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut. Denn die während der Weimarer Republik angekaufte Sammlung wurde 1937 ein Opfer der nationalsozialistischen Beschlagnahmungsaktion. Beckmann lebte damals schon im Exil.
Der Erwerb des "Selbstbildnis mit Sektglas" sei "ein echter Glücksfall" auch für das nationale Erbe, betonte Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien. Das Bild sei ein Schlüsselwerk, vermittele die Aufbruchsstimmung nach den traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs als "Kunst gewordene Geschichtsschreibung".