Sparpläne in der Berliner Kultur

Die halbierten Kunsthäuser

Der Berliner Senat will 11,6 Prozent seines Kulturhaushalts einsparen, die Kürzungen sind aber keineswegs gleich verteilt. Einige kleinere Kunsthäuser müssen mit 50 Prozent weniger Mitteln rechnen. Eine beispielhafte Nachfrage beim ZK/U

Noch sind die Kürzungen im Berliner Landeshaushalt des kommenden Jahres nicht definitiv; das werden sie erst am morgigen Dienstag mit einem entsprechenden Beschluss des Senats. Um so heftiger sind die Proteste, die nach dem Bekanntwerden der im Geheimen von einer ausgewählten Runde von Haushältern aus den Koalitionsparteien CDU und SPD getroffenen Kürzungen losgebrochen sind. Und die an Schärfe weiter zunehmen. Große Institutionen wie die Komische Oper und die Schaubühne bieten prominente Unterstützer auf. Wie aber sehen die Folgen des Rotstifts für kleinere Einrichtungen aus?

Die drei Kunst-Institutionen Silent Green, Savvy Contemporary und Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U) sind in verschiedenen Ortsteilen des Bezirks Mitte beheimatet. Zusammen mit dem Schinkel-Pavillon, der in der "klassischen" Mitte zu Hause ist, sind sie die Empfänger der im Kulturhaushalt für "Präsentations- und Produktionsorte" ausgewiesenen Mittel. Von ursprünglich für 2025 vorgesehenen 1,24 Millionen Euro, die sich zu annähernd gleichen Teilen auf die vier Empfänger verteilen, sollen künftig 560.000 Euro eingespart werden – eine beinahe glatte Halbierung des Ansatzes und damit ein Vielfaches der über den Kulturhaushalt pauschal verfügten 11,6 Prozent Kürzung. Für die Betroffenen offenbar ein Schock: ZK/U, Savvy und Silent Green haben einen gemeinsamen Appell veröffentlicht, in dem sie auch um die Grundlage ihrer Arbeit und damit um ihr Bestehen bangen.

Der übergreifende Haushaltstitel "Sonstige Zuschüsse an Einrichtungen der bildenden Kunst", in dem die "Förderung von Präsentations- und Produktionsorten" enthalten ist, in der aber auch Einrichtungen wie das Künstlerhaus Bethanien oder die Kunst Werke (KW) geführt werden, schrumpft von 15,3 Millionen auf 13,9 Millionen Euro. Ein Drittel dieses gesamten Kürzungsbetrages von 1,48 Millionen Euro sollen also allein die vier oben genannten Häuser erbringen.

"Es zermürbt extrem"

Den Haushaltsposten "Präsentations- und Produktionsorte" gebe es noch nicht lange, daher womöglich sei die Kürzung so hoch ausgefallen, mutmaßt Elisa Georgi als Sprecherin des ZK/U. Bis zu dieser institutionellen Förderung hätten die Einrichtungen sehr stark auf die – weiterhin wichtige – Projektförderung bauen müssen. Das sind Mittel, die für ein einzelnes, zeitlich befristetes Projekt bewilligt werden und die Beschäftigten in der steten Unsicherheit belassen, in der Zeit nach Projektende nicht länger bezahlt zu werden. Beim ZK/U setzen sich die Finanzen zu je einem Drittel aus Eigenwirtschaftlichkeit, Projektmitteln und der Förderung aus dem Titel "Produktions- und Präsentationsorte" zusammen.

"Es zermürbt extrem, keine festen Arbeitsverhältnisse zu haben", wie Georgi sagt. Insgesamt sind im ZK/U um die 15 Mitarbeitende beschäftigt, Projektmitarbeiterinnen und Praktikanten eingeschlossen. Projektmittel werden für ein bis zwei Jahre, teils auch für einen deutlich geringeren Zeitraum beantragt und bewilligt; im ZK/U laufen jeweils um die fünf bis sieben Projekte gleichzeitig. 

Innerhalb des Artist-in-Residency-Programms mit zwölf Künstlerateliers werden beispielsweise drei Residencies für ein sechsmonatiges Projekt unter dem Thema "Take Care" vereint. Dabei geht es um die Zusammenarbeit mit "Moabiter Communitys". Das Geld kommt von der Stiftung Kunstfonds im Rahmen des Programms "Neustart Kultur", aufgelegt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).

Erste Einschnitte bei den Nachbarschaften

"Wir sind sehr gut geworden darin, Projektanträge zu schreiben", bemerkt Georgi und betont, dass die Arbeit der drei gemeinsam auftretenden Institutionen "über den reinen Kunstauftrag hinausgeht". Es gehe um die Förderung der Nachbarschaften, insbesondere würden Räume für verschiedenartige Anlässe zur Verfügung gestellt. Mit der Kürzung der Senatsgelder würden zuallererst Angebote unmöglich gemacht, die sich an die Moabiter Bürgerinnen und Bürger richten und für die Nutzer unentgeltlich sind - und das auch ausdrücklich sein sollen.

Auch dafür sind die Räumlichkeiten des ZK/U im Laufe der vergangenen vier Jahre erweitert worden, mit Geldern des Bezirks, des Bausenators und nicht zuletzt aus EFRE-Mitteln, dem von der EU bereitgestellten Fonds für regionale Entwicklung. Entsprechend europäisch vernetzt sind Projekte wie "Active CITY(zens)", eine Partnerschaft des ZK/U mit der Prager Quadriennale, die "Association for Art and Science Faculty of Things That Can't Be Learned" in Nordmazedonien und die Plattform "Izolyatsia" in der Ukraine. Ziel des auf zwei Jahre vom Programm "Creative Europe" geförderten Projekts sind "innovative Bühnenaufführungen und Publikumsinteraktionen, die Kunst im öffentlichen Raum stärken und neue Formen der Publikumsentwicklung fördern" sollen.

"Wir haben gemerkt, dass wir aus der Kunst- und Kulturförderung rausmüssen", erklärt Georgi und verweist auf den hohen Anteil an selbst erwirtschafteten Mitteln, mit denen die Einrichtung trotz der anstehenden Kürzungen überleben könnte. Das stellt sich naturgemäß für die vier im Haushalt zusammengefassten Häuser verschieden dar. Für alle gilt aber, dass die unter dem früheren Kultursenator Klaus Lederer (damals Die Linke) erstmals erwirkte und erst in diesem Jahr von 800.000 auf 1,23 Millionen Euro angehobene institutionelle Förderung den Eckpfeiler einer kontinuierlichen Arbeit darstellt – und diese nun am heftigsten ins Wanken gebracht wird.

"Wer hat's am Ende verdient, weniger gekürzt zu werden?"

Die allgemeine Kürzung des Kulturhaushalts um 11,6 Prozent wurde politisch damit begründet, dass jede Senatsverwaltung einen möglichst gleich hohen Betrag zur Gesamteinsparung leisten müsse. Nur so zögen alle am gleichen Strang. Dass innerhalb des Kulturhaushalts die Prozentzahlen aber derart stark variieren, tatsächlich von fast null bis zu vollen 100 Prozent, wird noch zu heftigen Auseinandersetzungen um eine mögliche nachträgliche Korrektur der einzelnen Ansätze führen. 

Elisa Georgi vermutet, dass das Konkurrenzverhalten politisch gewollt sei. Es liefe auf die Frage hinaus: "Wer hat's am Ende verdient, weniger gekürzt zu werden?" Ja, wer? Auf diese Frage wird der bislang so schweigsame Kultursenator Joe Chialo (CDU) Antwort geben müssen.