Pantone-Farbe des Jahres 2025

Seidiger Luxus oder erdiger Brei?

Die Pantone-Farbe des Jahres 2025 ist ein cremiges Braun mit dem klingenden Namen "Mocha Mousse". Viele entwickeln starke Assoziationen zu dieser Wahl und sehen darin auch ein passendes Symbol der Gegenwart

Grün ist die Hoffnung, Rot die Wut, und Blau steht für Ruhe? Das ist Farbpsychologie für Anfänger. Was jedoch sonst noch alles in einer einzigen Nuance verborgen liegt, lernen wir jeden Dezember aufs Neue, wenn das Pantone Color Institute seine Farbe des kommenden Jahres kürt. Die Schattierung beschreibt ganze Lifestyle-Konzepte, verkörpert den Zeitgeist, verspricht Trendprognosen für die nächsten 365 Tage. Veilchen-Flieder, Telekom-Fuchsia und zuletzt Pfirsichflaum waren die Sieger der vergangenen Saisons, für 2025 wurde nun ein Gewinner gekürt, der schon kurz nach der Bekanntgabe eine ganze Menge Assoziationen hervorrief

"Pantone 17-1230 Mocha Mousse, ein wärmender, brauner Farbton, der von Reichtum durchdrungen ist. Er nährt uns mit seiner Anspielung auf die köstlichen Qualitäten von Schokolade und Kaffee und entspricht unserem Wunsch nach Behaglichkeit", erklärt Pantone auf seiner Website den ausgewählten Ton. In einem kurzen Video-Clip fließen wie in einer Baileys-Werbung verschiedene braune, samtige Flüssigkeiten in einem Strudel zusammen, verwandeln sich in eine weiche Schokocreme, die das Wort "ahh" ausschreibt. Sie wird zu fließenden, soften Textilien, die sich zu den Buchstaben "MMM" zusammensetzen, nur um wieder zu etwas Schokoladenem zu werden, das sich selbst als "yum" beschreibt. 

Das Finale bildet das Mocha Mousse, eine braune, pudrige Textur, über die sich das Pantone-Logo legt. Doch was genau können wir nun daraus lesen? "Bei der Pantone-Farbe des Jahres 2025 handelt es sich um einen sanften Braunton, dessen inhärenter Reichtum und sensorische und beruhigende Wärme unser Verlangen nach Komfort und dem Genuss einfacher Freuden, die wir verschenken und mit anderen teilen können, noch weiter steigert", erklärt Laurie Pressman, Vizepräsidentin des Pantone Color Institutes, einem Unternehmen, dass Farben lizenziert, und dafür auch immer wieder in der Kritik steht.


Wie jedes Jahr macht das Institut gleich auch mehrere Vorschläge, die frisch geadelte Farbe in den Alltag zu integrieren. Sie soll dazu anregen, luxuriöse Momente zu schaffen, zu verwöhnen. Pantone stellt eine ganze Farbpalette um "Mocha Mousse" zusammen, die an Kim Kardashians Inneneinrichtung erinnert, oder auch ihre Shapewear-Linie. Außerdem verschiedene Nuancen von nude mit den Namen "Baltic Amber" oder "Cannoli Cream", die jedes Schlafzimmer in eine elegante Oase verwandeln sollen. Auch Kollaborationen, mit einem braunen Motorola-Handy, einem runden Sofa, mit Kosmetikmarken, Post-it-Herstellern, Tee-Firmen, einem Webdesign- oder Kopfhörer-Anbieter ist die neue Farbnuance schon eingegangen. Alles "Peach Fuzz"-farbene aus dem abgelaufenen Jahr 2024 bitte raus, jetzt wird alles braun! 

Doch vieles ist es ja schon. Braun ist nicht neu auf dem Trendradar, Pantone suchte keine Farbe aus, die Stilrichtungen ändert, sondern sich aus dem Vorhandenen ergibt. Der Ton würde sich nahtlos in eine Chloé-Schau von Chemena Kameli einreihen. Die Debüt-Kollektion der neuen Kreativdirektorin des französischen Modehauses war eine der meistgefeierten des Jahres. Ihre luxuriösen Maxi-Kleider in milden Brauntönen sollen das Bohémian-Chic-Revival ausgelöst haben. Schluppenblusen, Volants überall, seidige Lagen aus allen erdenklichen Erdtönen. 

Die Obsession für braune Accessoires begann schon im Januar 2024. Die "The Row Margaux 15"-Tasche in "Mocha-Velours" wurde damals auf den Markt gebracht. Heute sind geräumige Miu Miu-Taschen aus ähnlichem Material wohl das begehrteste Accessoire des Winters, generell alles aus braunem Wildleder. Karis Munday, Analystin bei der Einzelhandelsplattform Edited, hebt Miu Miu, Gucci und Saint Laurent als die drei wichtigsten Schauen hervor, die auf den Laufstegen der Herbst/Wintersaison 2024 auf Braun setzen, so "Vogue Runway". 


Braun gilt schon länger als das mildere Schwarz, das Understatement vermittelt und zu Miuccia Pradas liebster Farbkombination gehört. Gerade bei Prada und Miu Miu kommt Braun immer wieder vor, galt erst als etwas schräg und altbacken, nerdy. Wie jedoch alles, was von Miuccia Prada kommt, wurde es bald geliebt und massentauglich. Italienische Marken im Allgemeinen scheinen großen Gefallen am samtigen Farbton zu finden. Bei Loro Piana oder Max Mara hat es einen festen Platz in den luxuriösen, eleganten Kollektionen, brauner Kaschmir oder Leder wirken besonders natürlich und wertig. Ein bisschen quiet-luxury bleibt immer, auch wenn der Peak des Trends vorüber ist. 

Dem Pantone-Institut ist wichtig, die Leichtigkeit zu betonen, die der Mousse-Faktor des Farbtons transportiert. Das Kampagnenbild der Pantone-Farbe beinhaltet ein kleines Dessert-Gläschen voller fluffiger Kaffeecreme. Und während einige direkt an Nachtisch und genüssliches Trostessen denken, kommt bei anderen die Assoziation an die letzte Station dieser feinen Happen auf - eine gewisse Ähnlichkeit zu Verdauungsprodukten ist nicht zu leugnen. 

Die Grenzen sind subtil bei Pantone 17-1230. Doch gerade der Bezug zu Essen ist momentan in der Mode- und Kosmetikbranche wieder groß. Marken kommunizieren mit Beschreibungen und Titeln wie "Schokolade" oder "Espresso", verkaufen saftige braune Mäntel und Stiefel zum Anbeißen. Braun ist eine geschlechtslose Farbe, auch eine praktische. Eine Abendrobe kann braun sein, aber auch eine Arbeitsjacke, Flecken gehen unter. "Dies ist eine ehrliche Farbe. Sie ist authentisch. Wir glauben an sie. Es ist eine Farbe, die wir in der Natur sehen. Wir wissen, dass sie echt ist", erklärt Laure Pressman. So viel Zuspruch bekommt die Auserwählte aber nicht von überall.

Eine "weiße Basic-Bitch Wintermantel-Farbe"

Der Meme-Account @galerie.arschgeweih spricht die Gedanken vieler weiblicher Millennials aus, wenn er "Mocha Mousse" mit Maybellines "Matte Dream Mousse"-Make up vergleicht: einer vor etwa 15 Jahren gerade bei Teenagern beliebten Foundation, die die Haut in eine sandig-mattierte, fast zweidimensionale Oberfläche verwandelte. Der Account @ideservecouture postete eine Pantone-Farbkachel mit dem Kommentar "Maria Grazia muss sehr glücklich darüber sein". Diors Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri wird von Mode-Insidern immer wieder vorgeworfen, einfallslose Kollektionen in trostlosen Farben zu entwerfen. 

Der Modenachrichten- und Meme-Account @diet_prada veröffentlichte eine Sammlung von Reaktionen aus dem Internet. Als eine "weiße-Basic-Bitch-Wintermantel-Farbe" wird der Ton beschrieben, als das Schmutzwasser, in dem man seine Pinsel nach dem Wasserfarbenmalen in der Schule ausgewaschen hat, als die Farbe einer Maus. "Dass Pantone die Farbe des Jahres wortwörtlich zu Scheiße macht, ist für mich ein bisschen zu viel des Guten", trifft wohl auch die Gedanken einiger. 

Andere überlegen, inwiefern die Prognose Politisches voraussagen könnte. Laurie Pressman beschreibt den Prozess der Farbauswahl als eine Momentaufnahme: "Was passiert in der Welt um uns herum, und wie könnte man dies transportieren?" Laut ihrer Recherche suchen die Menschen nach Harmonie und danach, sich geerdet zu fühlen. Der Global Peace Index 2024 hat ergeben, dass es derzeit weltweit 56 bewaffnete Konflikte gibt - die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. In 97 Ländern hat der Frieden abgenommen, wobei Nordamerika dem Index zufolge die größte regionale Verschlechterung zu verzeichnen hat. Da ist Harmonie ein verständlicher Wunsch. Auch eine Erdung durch den Erdton Braun würde man sich für viele wortwörtlich abgehobene, da ins All fliegende Milliardäre wünschen. Braun ist immer noch ein Mischmasch, eine Einheit aller Farben zusammen, auch das lernt man beim Wasserfarbenmalen in der Schule. Und vielleicht reicht das ja schon als Deutung.