In einem gefühlten Land vor unserer Zeit, aber eigentlich erst vor wenigen Saisons, hieß es, dass Mode inklusiver werde. Die neuesten Entwürfe sollten von Menschen jeder Größe getragen werden. Kim Kardashians Sanduhr-Silhouette wurde zum neuen Schönheits-Standard, Plus-Size-Models wie Ashley Graham wurden prominent und viel gebucht. Körperfreundlichkeit ("Body Positivity") wurde das Phänomen genannt. Es versprach, eine Industrie zu revolutionieren, in der Magersein als Eintrittskarte galt, Untergewicht eine Voraussetzung für Models war und Schlankheit mit Eleganz gleichgesetzt wurde. Doch dann kam Ozempic, und die kurze Demokratie der Körper war Geschichte.
Das den Appetit zügelnde Diabetes-Medikament wird als das aktuell größte offene Geheimnis Hollywoods gehandelt. Jeder nimmt es, jeder ist in Bestform – denn es gibt keinen Grund mehr, es nicht zu sein. Innerhalb weniger Wochen hat beispielsweise Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez einen neuen Körper präsentiert, der von allen Seiten gelobt wird. Dass der unmöglich nur durch Sport und eine Ernährungsumstellung erreicht werden konnte? Geschenkt. Nebenwirkungen und der Fakt, sich eine medizinische Injektion in den völlig gesunden Körper zu spritzen? Auch.
Die Begeisterung für "echte" Körper und natürliche Kurven ist verflogen, die Welt scheint sich daran zu erinnern, was wirklich zählt: reich sein, jung sein (durch Botox), dünn sein (dank Ozempic). In der Mode ist das keine Überraschung. Hier ist man es gewohnt, dass politisch und gesellschaftlich relevante Themen – Feminismus, Klimawandel, Inklusion – nur so lange behandelt werden wie jede andere Trendwelle auch.
Politik färbt auf die Mode ab
Während der Winter-Modenschauen 2024 entsprachen nur noch 0,8 Prozent der Modelle einer Plusgröße. Gerade in Paris waren Körper außerhalb der XXS-Norm kaum noch auf den Laufstegen zu finden. Die Attribute "weiß" und "dünn" waren nie aus der Mode, aber jetzt beherrschen sie den Markt wieder fast ausschließlich. Und das passt zu weiteren Entwicklungen, die aus der Politik direkt auf die Mode abfärben.
Alles, was in langer, anstrengender Arbeit erreicht wurde, von Nachhaltigkeit bis Diversität, wird langsam, aber sicher wieder eingestampft. Das Echtpelz-Comeback ist nur ein Zeichen dafür, dass konservative Ideale und Symbole erneut die Ästhetik bestimmen. Es ist kein Platz mehr fürs "aus der Reihe tanzen". Wie bei der Einreise in die Vereinigten Staaten unter Trump heißt es nun: bloß nicht auffallen, bloß ins Raster passen. Ein markanter Rückschritt, der die Modewelt wieder zu einem elitären, exklusiven Kreis schrumpfen lassen könnte, in dem nur wenige willkommen sind.
Doch es gibt einen Trend, der sich gegen den Strom stellt. Gegen die Dominanz des männlichen Blicks, den gewünschten sterilen und kindlichen Körper. Die Ära der blonden, maskenhaft geschminkten Trump-Wählerin setzt für viele auch eine Barbie-ähnliche, glatte Intimzone voraus. In der Mode ist jedoch das Gegenteil der Fall: denn der volle Busch ist zurück.
Die Maison Margiela Haute Couture-Show im Januar 2024 gab vielleicht den offiziellen Startschuss. Durch die stark taillierten, dramatischen und transparenten Roben schimmerte bei einigen Models ein Dreieck mit vollem Schamhaar. Es handelte sich hierbei nicht um eigene Körperbehaarung der Models, sondern um sogenannte merkins: Intimfrisur-Perücken. Für die Modenschau war echtes Haar auf Seidentüll gestickt worden, um einen natürlichen Effekt zu erzielen. Und während Fell generell, sei es vom Menschen oder vom Tier, in der Mode gerade sprießt wie wild, ist das Comeback des Schamhaars doch eine Bewegung für sich.
Die Gestaltung der Körperbehaarung ging vor allem bei weiblich gelesenen Personen immer auch mit dem Aufkommen neuer Modetrends einher. Ärmellose Kleider führten zu rasierten Achseln. Extrem tief sitzende Jeans motivierten omnipräsente Rasierer-Werbung und eine glatte Bikinizone in den frühen 2000er-Jahren.
Dann waren auf einmal Achselhaare und Beinbehaarung wieder erlaubt; es hatte einen edgy touch, wenn perfekte, elegant gekleidete Körper kleine Inseln von "Natürlichkeit" aufwiesen. Wenn über Körperhaar an berühmten Personen gesprochen wird, dann geht es offensichtlich nur um Frauen. Klatschmagazine gestalten seitenweise Übersichten, in denen akribisch festgehalten wird, wer wann mit Stoppeln oder getrimmter Frisur an welcher Stelle gesichtet wurde.
Sichtbares Schamhaar als Protest
Warum gilt es als berichtenswert, oder gar als Skandal, wenn Frauen ihre Haare wachsen lassen - während sich bei Männern noch nicht einmal die Frage stellt? Wie so oft lohnt es sich, die gesellschaftlichen Regeln zu hinterfragen, die Frauen beigebracht wurden. Laut Rebecca M. Herzig und ihrem Buch "Plucked: A History of Hair Removal", gab es "Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen beispiellosen Versuch, die Haarentfernung für Frauen in den USA obligatorisch zu machen. Während weiße Männer zunehmend darauf fixiert waren, die Schönheitsrituale weißer Frauen zu kontrollieren, wurde Haarlosigkeit neu als Symbol für racial Fortschritt und Überlegenheit interpretiert." Das heutige "normal", wie es uns verkauft wird, basiert also auf einer rassistischen und patriarchalen Vorstellung weißer Männer.
Und genau hier müsste man wohl ansetzen, um den aktuellen Aufstieg des sprießenden Schamhaars zu erklären. Wenn "Your Body, My Choice" zu einem gängigen Slogan der "Mannosphäre" wird und Körpern, die nicht dem vorgegebenen Ideal entsprechen, der Kampf angesagt wird, gleicht sichtbares Schamhaar einem Protest. Dass es diese Wirkung hat, ist nur möglich, weil es so strikt tabuisiert wurde.
Was auch immer für Regeln und Ansprüche geltend gemacht werden: Unter ihren Kleidern setzen sich Frauen so zur Gegenwehr. Schon ein Schamhaar-Toupet, also ein merkin, kann die gewünschte Wirkung erzielen. Trendforscherin Mandy Lee erklärte dem Magazin "Dazed": "Ein merkin bedeutet, einen Zeh in die 'Perversion' zu tauchen, ohne sich vollständig darauf einzulassen." So kann man auch mit einer kleinen Perücke seine Meinung kundtun.
Der Schamhaar-Trend geht Hand in Hand mit einer Art sich zu kleiden, die als "Man Repeller"-Mode bezeichnet wird. Der Begriff kommt von einem großen Modeblog gleichen Namens, der vor allem in den frühen 2010er-Jahren beliebt war. Die Gründerin Leandra Medine prägte den Wunsch, sich unter einem weiblichen Blick anzuziehen, bei dem Latzhosen und Wollwesten, Lagen, Muster, Material-Mix, bizarre Accessoires und gestapelter Schmuck eine große Rolle spielten. Es ging nicht darum, Männer anzulocken, im Gegenteil. Ihre Anhängerinnen kleideten sich für sich selbst und andere Frauen, die die Codes verstanden. Gerade die Generation Z hat diese Art der Mode für sich entdeckt. Und fügt sich dazu kaum den bisherigen Rasier-Regeln.
Vermutlich wird das volle Schamhaar, so wie es der Körper-Inklusion erging, in der Mode bald wieder in Vergessenheit geraten. Leider werden nicht immer mehr leibliche Normalitäten akzeptiert; sie öffnen sich nicht gegenseitig die Tür. Die vermeintlichen Makel sind immer nur einzeln "erlaubt" und wechseln sich ab, genau wie Hüftjeans, Skinny Jeans, Boyfriend Jeans und Mom Jeans es tun. Bis dahin aber sollte man unbedingt die Schamhaarperücke ausprobiert haben.