Wenn jemand etwas so Gigantisches erschafft, dass man es nur noch aus der Luft gut erkennen kann, dann scheint er sich als den angemessenen Betrachter seiner Kunst keinen Geringeren als Gott vorzustellen. Der französisch-schweizerische Künstler Saype jedenfalls hat offenbar jegliches menschliche Maß verloren: Aus Pigmenten von Holzkohle, Kreide, Wasser und Milcheiweiß malt er Bilder in Landschaften, die selbst die erhabenen Alpen zu bloßen Bildträgern degradieren und den Eiffelturm wie Spielzeug aussehen lassen.
Aus solchen künstlerischen Selbstermächtigungen kann auch Gutes entstehen, wie die Geschichte sowohl der Land Art als auch von Graffiti zeigt. Wenn man aber riesige Dimensionen mit riesigen Botschaften verknüpft, erzeugt das einfach einen riesigen visuellen Lärm. Saype hat jetzt in zwei Genfer Parks jeweils 160 mal 30 Meter große Darstellungen von Handgelenkgriffen gesprüht und versteht seine Kunstwerke als Symbol der gegenseitigen Hilfe und der Vereinigung. "Genf ist ein starker Ort für die Verteidigung der Menschenrechte und vermittelt ein Bild von Frieden, Dialog und Solidarität für den Rest der Welt. Die Wahl dieser Stadt liegt auf der Hand", schreibt Saype auf seiner Website.
Genf ist Sitz des UN-Menschenrechtsrats, das stimmt. Aber hat nicht gerade die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie dargelegt, dass die Schweiz wie kein anderes Land der Erde auf Kosten anderer Länder lebt? Das Schweizer Konsumverhalten, die Handelsbeziehungen, das Steuersystem, die dominierende Waffen-, Rohstoff- und Finanzindustrie bringen leider wenig "Frieden, Dialog und Solidarität für den Rest der Welt", sondern schaden ihm immens.
Saype will im Oktober seine Reihe "Beyond Walls" fortführen mit ähnlichen Bildern in Berlin. Hier liegt die Wahl der Stadt schon eher auf der Hand: Die Osthälfte Berlins litt 40 Jahre unter einer totalitären Partei, die einen Händedruck in ihrem allgegenwärtigen Emblem trug.