"Ich liebe Pharrell, aber nein!", hieß es in einem der unzähligen Tweets, die auf die aktuell meistdiskutierte Ankündigung der Modewelt folgten: Pharrell Williams wurde als neuer Creative Director der Herrenmode-Linie von Louis Vuitton ernannt. "Pharrells Louis-Vuitton-Nachrichten haben soeben den Valentinstag gecancelt", postete "Style Not Com".
Der US-amerikanische Produzent, Sänger, Songwriter und Entertainer ist damit der lang erwartete Nachfolger des Überdesigners Virgil Abloh, der ab März 2018 als Artistic Director für die Männerabteilung des französischen Luxushauses gearbeitet hatte und am November 2021 an einer Krebserkrankung starb. Über ein Jahr lang hatte es keine direkte Ablöse gegeben, vermutlich brauchte es diese Pause auch, um der neuen Besetzung einen Abstand zu Ablohs Oeuvre zu gewähren: einen Puffer zur verehrten Ikone, die Geschichte geschrieben hatte.
Die Entscheidung, Pharrell Williams als Thronfolger zu bestimmen, folgt keinem Trend, kommt jedoch auch nicht sonderlich überraschend. In den letzten Jahren waren vor allem junge, talentierte Designer, die sich in weniger renommierten Positionen hochgearbeitet hatten, von großen Modehäusern als kreative Leitung rekrutiert worden. Wie etwa kürzlich Sabato de Sarno für Gucci oder Maximilian Davis für Salvatore Ferragamo.
Pharrell, der Virgil-ähnlichste Fang
Dass LVMH für Louis Vuitton einen anderen Weg gewählt hat, passt jedoch zu dem Ziel, mit einem weiteren Kult-Designer, multidisziplinären Hype-Künstler und Branchen-Schwergewicht in die direkten Fußstapfen Ablohs zu treten. "Ich habe mich hingesetzt und nachgedacht und habe realisiert, dass Louis Vuitton nach einem Virgil sucht, buchstäblich nach jemandem, der so ähnlich wie nur möglich zu Virgil ist, denn wenn du beide Lebensläufe vergleichst, sind sie extrem gleich." Ja, vermutlich ist von außen betrachtet, Pharrell der Virgil-ähnlichste Fang. Doch bringt er auch die gleichen Visionen mit?
Das Internet streitet. "All diese jungen, talentierten Designer, die ihrer großen Chance entgegenfiebern, und ihr stellt einen Multimillionär ein?" wetterte ein Twitterer, "auch müssen wir aufhören, Männer für diese Jobs auszusuchen. Martine Rose, Bianca Saunders etc. sind genau hier!". Eine weitere Userin schrieb: "Mode ist jetzt eine Plattform und Louis Vuitton wird ein großes Massenmedienunternehmen." Einer brachte es vielleicht auf den Punkt: "Pharrell ist ein extremes Talent, in der Musik. Pharrell als Zuständiger für Louis Vuitton wird meiner Meinung nach eine Rotation von Kollaboration, à la Dior Men. Es ist nicht aufregend, es ist nicht interessant, es ist Marketing, es macht Lärm, es bringt uns zum Reden. Und das ist der Sinn von Louis Vuitton -Kollektionen, ich denke also, es funktioniert."
Es ist nicht das erste Mal, dass der 49-Jährige und das Luxushaus zusammenkommen. Schon 2004 und 2008 hatten beide zusammen Accessoire-Linien herausgebracht. Und es ist auch nicht neu, dass Pharrell in die Welt der Mode eintaucht. In Kollaborationen mit Adidas über Chanel bis zu Tiffany & Co. hat der für seine extravagant-lässigen Streetstyles bekannte Musiker sein Design-Talent unter Beweis stellen können. Seine eigene Marke Billionaire Boys Club mit der Sub-Linie Ice Cream Apparel, in der er Streetwear und Luxus miteinander verbindet, gibt es seit 2003. Vermutlich sind es gerade diese Synergien von Hipness und High Fashion, Erbe und Hype, die Louis Vuitton weiter ausbauen will.
"Er kam mit einem neuen Sound"
Pietro Beccari, Präsident und CEO der Marke, scheint zuversichtlich, dass die erneute Fusion Früchte tragen wird. "Ich freue mich, Pharrell nach unserer Zusammenarbeit in den Jahren 2004 und 2008 als neuen Creative Director für Männermode wieder bei uns begrüßen zu dürfen. Seine kreative Vision, die über die Mode hinausgeht, wird Louis Vuitton zweifelsohne in ein neues und sehr spannendes Kapitel führen", erklärte er in einem Statement des LVMH-Konzerns.
In der Pressemitteilung heißt es weiterhin: "die Art und Weise, wie er die Grenzen zwischen den verschiedenen Welten, die er erkundet, überschreitet, entspricht dem Status von Louis Vuitton als Kulturhaus und unterstreicht die Werte von Innovation, Pioniergeist und Unternehmertum." Auch der neu ernannte Direktor selbst verbreitete die gute Nachricht, löschte all seine Instagram-Posts, sodass auf seinem Profil bloß ein schwarz-weißes Bild von ihm zu sehen ist, auf dem er in eine Louis-Vuitton-Wolldecke gehüllt ist.
Im Juni dieses Jahres wird Pharrells erste Kollektion während der Männer-Modewoche in Paris gezeigt werden. Er wird der zweite Schwarze US-Amerikaner sein, der für Louis Vuitton als kreative Leitung arbeitet und vermutlich versuchen, das Vermächtnis Virgil Ablohs weiterleben zu lassen - auch, weil dieser ein guter Freund für ihn war. Abloh selbst hatte in einem Interview mit der "New York Times" 2020 erklärt, dass er in den frühen 2000er-Jahren sehr von dem Musiker beeinflusst worden war: "Der Prototyp zu dieser Zeit war, dass man ein thug oder ein Sportler oder ein Rapper sein musste. Und dann kam er mit einem anderen Elan daher als Produzent, als Künstler, als Geschmacksmacher, als Individuum. Das hat mir einen Spiegel vorgehalten - es war ein neuer Prototyp, und er kam mit einem neuen Sound. Ein großer Teil der Freiheit, die sich in meiner Arbeit zeigt, hat mit dieser Art von Risikobereitschaft zu tun." Vielleicht schließt sich ein Kreis, vielleicht geht es um grandioses Marketing, vielleicht auch beides. Bühne frei für Pharrell Williams, möge er Vigil Ablohs Mission, die Türen zur Modewelt für alle zu öffnen, weiterführen!