Eine Frau liegt auf einer roten Couch und schaut nachdenklich, den Kopf leicht schräg gelegt, eine riesige Schnecke auf ihrer Hand an. Ein kleines Mädchen blickt in die Ferne aus dem Bildausschnitt heraus, ihr Meerschweinchen unter den Arm geklemmt. Die Fotografin Patricia Haas zeigt in ihrer seit Januar 2021 entstandenen Fotoserie "Gefährtin" Frauen mit ihren Hunden, Katzen, Vögeln und anderen Haustieren.
In ihrer Darstellungsform orientiert sie sich dabei an der europäischen Malerei: "Ich habe mich klassischen Bildmotiven angenähert, aber ich wollte nicht, dass das Tier Symbol wird, sondern ein Gegenspieler." Damit ist sie in der Kunstwelt nicht allein, denn Tiere werden in zeitgenössischen Werken immer öfter zu Akteuren. Bei der Documenta 2012 war der Windhund "Human" mit seinem rosa eingefärbten Bein selbst ein beliebtes Kunstwerk. Auch in der Perfomancekunst treten Tiere als Darsteller auf.
Nicht-menschliche Wesen in der Kunst sind also en vogue, und es drängt sich die Frage auf, inwiefern das Rückschlüsse auf unseren alltäglichen Umgang mit ihnen erlaubt. In Deutschland leben rund 34,7 Millionen Haustiere, verteilt auf 83,2 Millionen Menschen. Vor Allem der Hund – der "beste Freund des Menschen" – ist heute selbstverständlicher Teil unseres gesellschaftlichen Raums geworden.
Eine Ethik und Politik, die Andersartigkeit gedeihen lassen
Was macht es mit uns, wenn wir Tieren einen Platz als Begleiterinnen an unserer Seite einräumen? Donna Haraway beschreibt in ihrem "Manifest für Gefährten" unseren Umgang mit Tieren als politisch. Sie fragt, wie wir "durch das Ernstnehmen von Hund-Mensch-Beziehungen eine Ethik und Politik erlernen, die signifikante Andersartigkeit gedeihen lässt?" Haraway erdenkt einen veränderten Umgang mit Tieren, der die Dichotomie menschlich und nicht-menschlich, Natur und Kultur dekonstruiert und eine "Spezies der Gefährt:innen" erschafft.
Diese von Haraway beschriebene Gefährtinnenschaft spiegelt sich auch in Patricia Haas' Arbeit. Tier und Mensch interagieren nicht mit der betrachtenden Person und sind ganz der Szene hingegeben. "Da entsteht diese Innigkeit", sagt die Fotografin. Beide treten im Bild als gleichberechtigt auf, in ihrer Beziehung zueinander verbunden. Auch soll das Tier keine Aussage über die Frau treffen: "Es gibt oft den Wunsch, das Tier im Menschen zu sehen. Das wollte ich überhaupt nicht."
Denn ein zentraler Aspekt der Serie ist es, mit klassischen Frauen-Tier-Darstellungen zu brechen. "Frauen wurden oft mit Tieren dargestellt, die durch ihre Symbolik etwas Negatives, Verruchtes angedeutet haben. Wie eine Katze oder ein Vogel, der aus dem Käfig fliegt – ein Symbol für Flatterhaftigkeit. Das wollte ich nicht heraufbeschwören", so die Künstlerin.
"Dieses Thema geht einfach nicht raus"
Besonders aufgeladen ist ihr Bild "Nayen". Wir sehen ein junges Mädchen, das auf ihrem Bett steht und eine Schlange in den Armen hält, die sich zu ihr hochreckt. Tier und Mädchen blicken sich nachdenklich an. Die kindliche Unschuld steht im Kontrast zu gewohnten Darstellungen von Frauen mit Schlangen, die die Vertreibung aus dem Paradies, Erbsünde und erotisierende Motive umfassen.
Dass Schlangenmotive auch anders funktionieren, zeigen Arbeiten wie Marina Abramovics Performance mit einer 20 Meter langen Python, Medusa-Darstellungen im Rap bis hin zu einem Kunstwerk von Cara Delevingne als Mythengestalt mit Schlangenhaar.
Auch Patricia Haas wollte einen Bruch herbeiführen: "Dass Eva von einer Schlange verführt wird, dieses Thema geht einfach nicht raus. Ich wollte unbedingt die Schlange dabei haben, eben weil sie so symbolbehaftet ist. Und gerade deswegen habe ich die Darstellung nicht mit einer Frau sondern mit einem Kind gewählt."
Wer begleitet wen?
Eine Frage bleibt offen: Kann eine ebenbürtige Mensch-Tier-Darstellung in der Kunst einen Wandel in der alltäglichen Mensch-Tier-Beziehung herbeiführen? Denn was bei diesen Kunstwerken oft nicht transportiert werden kann, ist die Tatsache, dass Tiere Arbeit sind.
Das zeigt auch der Umgang mit Haustieren in der Corona-Pandemie: "Die menschlichen Beziehungen wurden auf ein Minimum reduziert, und gleichzeitig stieg das Bedürfnis nach Nähe", so Patricia Haas. Viele Menschen hätten Tiere gekauft und im Nachhinein bemerkt, dass das nicht mit ihrem Alltag vereinbar ist. Denn: "Wie sich der Mensch dem Tier und seinem Rhythmus unterordnen muss, ist beeindruckend.", stellt Patricia Haas fest.
Da ergibt sich die Frage wer hier eigentlich wen begleitet und ob nicht manchmal eher die Menschen die Gefährtinnen oder Gefährten der Tiere sind, die sie umsorgen. Die Fotografin zitiert hierzu das Lexikon. Eine Gefährtin sei eine "mir durch Schicksal oder Zuneigung verbundene Person" und meint mit damit die dargestellten Frauen: "Ich habe die Sicht des Tieres gewählt, weil es die in der Malerei nicht gibt."