Als Yoko Ono auf dem Londoner Meltdown-Festival eine Inszenierung ihres "Cut Piece" zeigte, bat die Konzeptkünstlerin die Musikerin Peaches, ihren Part zu übernehmen: sich auf einer Bühne vom Publikum Schicht für Schicht die Kleider vom Leib schneiden zu lassen, bis sie nackt war. Die Festivalbesucher zweifelten noch bis kurz vor dem Auftritt daran, dass sich der kanadische Popstar wirklich der gleichen Prozedur aussetzen würde.
Hinterher war Yoko Ono sehr beeindruckt. "Sie saß ganz still, aber ihr Körper drückte ein ganzes Universum aus. Empfindsamkeit, Verwundbarkeit, Stärke ohne Anstrengung." Peaches habe ihr gezeigt, wie die Performancekünstlerin der Gegenwart sein müsse: ohne Angst, sogar der Schönheit gegenüber, "während wir, die Feministinnen von früher, dachten, wir müssten aussehen wie Soldaten, um ernst genommen zu werden".
Diese physische Präsenz, die man wahrscheinlich nicht erlernen kann, ist vielleicht Peaches’ wichtigstes Instrument. Seit sie im Jahr 2000 ihr Debüt "The Teaches of Peaches" veröffentlichte, experimentiert sie offensiv mit Geschlechterrollen im Showbusiness ("Fatherfucker", "Impeach My Bush"). Ihre Auftritte sind auf eine Art tumultartig sexy, die für den ganz breiten Mainstream immer ein bisschen zu schwer zu verarbeiten ist.
Was ist das Geheimnis dieser Peaches-Präsenz? Es gehört jedenfalls mehr dazu, als sich öffentlich auszuziehen. Das Krasse, Unmittelbare, Fordernde daran ist nicht einfach in Bildern festzuhalten. Dem Berliner Fotografen Holger Talinski ist es trotzdem gelungen. Ohne vorher mit ihr bekannt zu sein, bat er Peaches 2008, ihre Arbeit dokumentieren zu dürfen. Es wurden sechs Jahre daraus, Talinski kam mit auf ihre bislang ambitionierteste US-Tour, "I Feel Cream", begleitete sie zu privaten und öffentlichen Gelegenheiten, auch bis auf die Toilette.
Seine Aufnahmen sind gerade deshalb so gut, weil der Fotograf nicht versucht, sich ästhetisch mit dem Heftigen und Grellen von Peaches zu messen. Die Bilder, die wenig bis gar nicht inszeniert wirken, zeigen keine vordergründige Gier nach den Sensationen des Showlebens. Peaches ihrerseits lässt viel Nähe zu, was auf angenehme Weise kaum kalkuliert erscheint. Es hat eher mit dieser angstlosen Verletzlichkeit zu tun, die Yoko Ono so beeindruckte – und auch einen von Peaches’ größten Verehrern, Michael Stipe. Der Sänger schreibt in einem Beitrag zu Talinskis Buch: "Sie hat Arsch in der Hose, wie wir es seit Patti Smith nicht mehr gesehen haben."