Lyrik ist schwierig: Rebecca Horn und Werner Büttner liefern sich einen ganz und gar unfreiwilligen Sängerwettstreit
Künstler dichten aus guten Gründen und mit besten Absichten. Dem Kupferstecher William Blake etwa reichten Drucke und Malerei nicht aus, um seine Visionen darzustellen – ein Glücksfall für die Literaturgeschichte. Bei den Dadaisten hingegen ergab sich der Doppelberuf aus der Nähe von Bild- und Textcollage. Eines rutschte ins andere, und plötzlich war man also Dichter. Auch dass Rebecca Horn und Werner Büttner nun Lyrikbände veröffentlichen, überrascht nicht großartig. Aber man darf sich schon fragen: Muss das sein?
Seit zwei Jahrzehnten begleitet Rebecca Horn ihre Skulpturen und Installationen mit Texten. „In einer Perle gespiegelt“ versammelt einige dieser Beipackpoesien und ergänzt sie durch Reiselyrik. Der Titel bereitet den Leser auf den anstehenden Hochdruck vor: Es geht um Fein- und Tiefsinn, um Melancholie und gespreizte Erotik, in einem Wort: um High-End-Kitsch. In den Versen wimmelt es nur so von Sternen, Monden und von Himmelblau. Am besten sind diese lyrischen „Perlen“ noch, wenn sie sich tatsächlich wie Gedankenskizzen für kommende Ausstellungen lesen („35 Schreibmaschinen hängen von der Decke des Raums, / tippen in versetzten Rhythmen. / Ein Blindenstock dirigiert den Chor“). Rebecca Horn aber will mehr als bloße Inventarlisten zu ihren Arbeiten abliefern. Ihre Gedichte sollen ernsthaft Kunst sein.
Werner Büttner dichtet, weil er seit jeher viel Wert auf Sprachwitz legt, auf Werk- und Ausstellungstitel, Verweise, Anekdoten, Sprüche, Zoten. Büttner dichtet, so die Vermutung, weil er sich beleidigt fühlt von der Welt und nicht allein bildnerisch zurückschlagen will. Witz und schlechter Geschmack, das geht eben auch in der Sprache: „Lohn des Schweigens“ heißt sein Buch, doch wird eher der Lohn des Dichtens vorgeführt – Wörter wie „nimmer“ und „hienieden“ darf man hier ganz unbestraft benutzen.
Der Leser packt sich am besten beide Neuerscheinungen gemeinsam auf den Tisch. Eine Lösung, die man aus dem Büttner-Gedicht „Im Boot namens ‚Unterschied‘“ ziehen kann: „Dass Mann und Frau voll Differenzen, / weiß jeder, den ein Weib gebar, / sich drüsenfiebrig zu ergänzen / stellt unsre Lebensleistung dar.“ Die Gedichte von Horn und Büttner wirken – liest man sie kreuzweise – aufeinander wie Gegenmittel: Büttners derber Zynismus gegen Horns Prätention, Büttners Witzischkeit gegen Horns Ehrgeiz, hier Bierdeckel, dort Büttenpapier. Manche Verse könnte man gar als Kommentare auf den Herausforderer verstehen, etwa wenn Horn schreibt: „There is too much jungle between his brain and penis.“
Technisch ist Horn mit ihren assoziationsreichen Sätzen Büttners Vier- oder Achtzeilern mit der ewig gleichen Versstruktur (AABB oder ABAB) überlegen. Dafür überrascht der Maler mit Worten wie „Ahnungskult“ und benutzt Klischees nur ironisch, während man bei Horn ernsthaft wie „Jonas im Bauch des Wals“ im Flugzeug sitzt.
Am Ende muss also doch wieder die Kunst entscheiden, und da gibt es einen klaren Gewinner: Während man bei Horn nur schlechte Reproduktionen schlechter Kunst findet, sind in „Lob des Schweigens“ Bild-Text-Collagen abgedruckt. Und die sind wirklich lustig.