Medienschau

"Bekenntnisse zur historischen Verantwortung haben wir lange genug gehört"

Monopol Medienschau

Die turbulente "Artnet"-Hauptversammlung, Käthe Kruse in Berlin, und Charlotte Knobloch findet klare Worte zur bayerischen NS-Raubkunst-Debatte: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Performance

"New York Times"-Kritiker Jason Farago ist unentschlossen, wie er Anne Imhofs New Yorker Monumental-Performance nun finden soll. Eher ungut – und deshalb gut? "In der Tat steckt eine zynische Intelligenz in der Varieté-Struktur von 'Doom'", schreibt er. "Wenn nichts zusammenpasst, wenn sich alles wie eine Pose anfühlt, wenn man sich sexy Zehn-Sekunden-Videoclips einer lockeren dreistündigen Performance ansieht ... nun, dann ist das Kultur in 2025 für Sie! Ein ambientes Bad. Ein immerwährender Schlamm. Diese glatte, strömende, unstrukturierte Herangehensweise - ein Zustand, den die Literaturwissenschaftlerin Anna Kornbluh als 'Unmittelbarkeit' bezeichnet hat und der von der No-Style-Autofiktion bis hin zu POV-TikToks überall zu beobachten ist - ist das kulturelle Spiegelbild unserer technologischen und wirtschaftlichen Unordnung, und wenn man sein Handy zückt, wird man eins mit dem Defätismus."

Kunstmarkt

Die verspätete Hauptversammlung der Berliner Artnet AG für das Geschäftsjahr 2023 ging völlig anders aus, als es die meisten erwartet hatten, fasst Stefan Kobel im "Handelsblatt" zusammen. "Tatsächlich ging es um die Neuwahl des Aufsichtsrats und damit die Macht im Unternehmen." Der Flügelkampf von der Gründerfamlie Neuendorf und Rüdiger K. Weng endete damit, dass weder die eine noch die andere Seite künftig im Aufsichtsrat vertreten ist. 

Stephanie Dieckvoss bilanziert im "Handelsblatt" die gerade beendeten Frühjahrsauktionen für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in London: "Der Appetit auf marktfrische Kunst mit guter Provenienz ist offenbar ungebrochen. Und so erzielten Sotheby’s und Christie’s mit den Auktionen für moderne und zeitgenössische Kunst starke Ergebnisse. Der Wettbewerb der Interessenten brachte bei beiden Häusern Spannung in die Auktionssäle." 

Viel Lärm um nichts? Die umstrittene KI-Kunst-Auktion von Christie's hat enttäuscht: Nur eines der 34 angebotenen Stücke erzielte bei Christie's mehr als den Schätzpreis, berichtet die Nachrichtenagentur APA (etwa im "Standard"): "Insgesamt wurden bei der 14-tägigen Online-Auktion laut Christie's 728.784 Dollar Erlös eingebracht. Trotz der gemischten Bilanz wertete Christie's Direktorin für digitale Kunst, Nicole Sales Giles, die Auktion als Beweis dafür, dass Sammler den Einfluss und die Bedeutung der Künstler anerkennen."

Restitution

Die nun entflammte Debatte um den Umgang der bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit NS-Raubkunst löst in der jüdischen Gemeinschaft große Verunsicherung aus. Das schreibt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, in einem "SZ"-Gastbeitrag: "Das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Politik und Museen in Sachen Restitution geraubten Gutes ist erschüttert – es darf nicht verspielt werden." Weiter heißt es: "Dass heute, 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und mehr als 25 Jahre nach der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien, auch nur der Verdacht besteht, dass Nachkommen der einstigen Eigentümer von Raubkunst hingehalten und von einem der bedeutendsten Museen des Landes Kunstwerke zurückgehalten werden, ist unerträglich. Bekenntnisse zur historischen Verantwortung haben wir lange genug gehört." Die Washingtoner Prinzipien haben 1998 das Vorgehen bei der Identifizierung und Klärung der Besitzverhältnisse von NS-Raubkunst festgehalten. Nachfahren von jüdischen Kunstbesitzern und deren Rechtsanwälte hatten die bayerische Staatsregierung zuletzt scharf kritisiert und verlangt, dass der Freistaat bei der Provenienzforschung zu NS-Raubkunst transparenter und schneller arbeiten müsse. Die Staatsgemäldesammlungen, die unter anderem die berühmten Pinakotheken in München betreiben, stehen im Zentrum der Kritik. Knobloch ruft die Verantwortlichen dazu auf, nun "schnellstmöglich Klarheit" zu schaffen. Geraubtes Gut müsse endlich zurückgegeben werden. "Dass der Bayerische Landtag nun einstimmig entsprechende Maßnahmen beschlossen hat, ist ein erster unerlässlicher Schritt. Die Eigentümer und ihre Erben haben einen Anspruch auf eine zügige Umsetzung." Bei der Rückgabe von Kunstwerken, die die Nazis einst jüdischen Menschen geraubt hatten, gehe es um Gerechtigkeit, schreibt Knobloch. "Das Unrecht, das den einstigen Eigentümern angetan wurde, ist nicht wiedergutzumachen." Alle seien verfolgt und viele aus Deutschland vertrieben worden. "Sie wurden verschleppt, gequält, ermordet. Davor wurden sie systematisch erniedrigt – und mit erpresserischen Mitteln um ihr Hab und Gut gebracht, das fortan die nationalsozialistischen Herrscher und ihre Gefolgsleute bereicherte. Es war Raub aus niedrigsten Beweggründen: Judenhass und Habgier." Intern hatte es bei der Staatsgemäldesammlung offenbar vor einigen Jahren Kritik am Umgang mit der NS-Raubkunst gegeben. Eine Sprecherin der staatlichen Einrichtung erklärte, dass Mitarbeiter im Jahr 2022 ein Dokument dazu verfasst hätten. Allerdings habe es Generaldirektor Bernhard Maaz nicht erreicht. Zuvor hatte die "SZ" berichtet, dass der Zeitung das Papier zugespielt worden sei. Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) hatte zuletzt gewisse Fehler eingeräumt und Maßnahmen angekündigt, um die Situation zu verbessern. Unter anderem soll es zusätzliche Stellen geben. Eine Million Euro wurde von Blume für die Verbesserung der Provenienzforschung zur Verfügung gestellt.

Porträt

Ida Luise Krenzlin porträtiert in der "Berliner Zeitung" die Künstlerin und Drummerin Käthe Kruse, der die Berlinische Galerie eine Retrospektive widmet. "Wie gelang es Käthe Kruse, sich in der männerdominierten Kunst- und Musikwelt West-Berlins zu behaupten? Sie sei keine Feministin gewesen, erzählt sie. 'Was aber immer klar war, ist, dass wir alles das machen konnten, weil andere zuvor schon gekämpft hatten.' Und so zogen sie los, als 'fashion victims'. Selbst als Hausbesetzerinnen waren sie mit 'Stöckelschuhen, lackierten Nägeln und eng geschnürten Gürteln' auf den Baustellen unterwegs. 'Wir wollten sexy sein', sagt Käthe Kruse heute. Ihre Kostüme waren sexy, oft nur ein Hauch von BH unter einem offenen Jackett. 'Ich wollte als Frau gefallen, wohl wissend, wer ich bin, wer ich war, was ich wollte, was ich nicht wollte. In dieser Klarheit.'"