Medienschau

"Berlin war schon einmal mit deutlich weniger Geld eine kulturelle Hochburg"

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Joe Chialo teilt erneut gegen die Kunstbetrieb aus, Caspar David Friedrich erstmals groß in den USA, und ein Loblied auf die Louvre-Direktorin Laurence des Cars: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Eigentlich kennt man nur Leute, die selbst in öffentlichen Kultureinrichtungen am Rande der Selbstausbeutung arbeiten, aber Joe Chialo begründet erneut den überproportional harten Sparkurs, den der Berliner Senat dem Kulturbereich aufdrückt, mit einem angeblichen Schlendrian der Institutionen. "Heute spüre ich an vielen Stellen – sei es in den Klubs, der bildenden Kunst, den Theatern oder Opern – so etwas wie Selbstzweifel", sagt der Kultursenator im "Spiegel"-Interview. "Berlin war schon einmal mit deutlich weniger Geld eine kulturelle Hochburg. Denken Sie an die Kunst-Werke in der Auguststraße, die heute weltbekannt sind. In den Neunzigerjahren sind sie aus der Subkultur entstanden. Das zeigt, was möglich ist, wenn Kreativität und Mut im Vordergrund stehen." Ein Roman-Herzog-"Ruck" soll die Kulturlandschaft erfassen. "In Teilen ist die Struktur veraltet und wenig veränderungsbereit. Da müssen wir ran." Schließungen seien die letzte Option, "aber sie sind Teil der Realität. Ich bin nicht hier, um den Status quo zu verteidigen, sondern um dafür zu sorgen, dass die Kultur in Berlin zukunftsfähig bleibt." Kürzen und schließen, um zukunftsfähig zu bleiben, alles klar. 

Der von Joe Chialo angesprochene vermeintliche "Selbstzweifel" der Institutionen hat vielleicht dafür gesorgt, dass ein Gemälde des Kultursenators nicht auf dem Medienfestival Transmediale im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen war, wie Alex Greenberger auf "ArtNews" berichtet. Nach Angaben des Künstlers Hamishi Farah wurde dessen Porträt des umstrittenen Kultursenators nie in Berlin ausgestellt, weil die Transmedial es "unangemessen" fand. Mit Verweis auf einen angeblichen "absoluten und unablässigen Zynismus" in Bezug auf Palästina in der deutschen Politik sieht der Künstler in dem Bild  "eine Darstellung des Schwarzen konservativen Avatars der repressiven Staatsmacht in Deutschland", wie er auf Instagram schreibt. Offenbar bezieht er sich damit auch auf die Bemühungen Joe Chialos, eine "Antisemitismusklausel" für den Kulturbetrieb zu installieren. Die Transmediale widerspricht dieser Darstellung: "Kein Kunstwerk wurde von der transmediale als 'unangemessen' eingestuft. Das Gemälde wurde wie mit den Künstlern vereinbart und in der von Eugene Yiu Nam Cheung vorgeschlagenen Weise gezeigt. Wir unterstützen weiterhin das Projekt von Hamishi Farah und Tobi Haslett."


Museen

"Diese Frau rettet das weltgrößte Museum" ist Britta Sandbergs Porträt der Louvre-Direktorin Laurence des Cars im "Spiegel"  überschrieben. "'Dieses Museum als Tourist zu besuchen, kommt einer physischen Herausforderung gleich', schrieb die Louvre-Direktorin Mitte Januar in einem langen Brief an die zuständige Kulturministerin. Das Schreiben war der kontrollierte Wutausbruch einer Frau, die in der eitlen Pariser Kunstwelt als Ausnahmeerscheinung gilt." Der Alarmruf wurde erhört: Die "Mona Lisa" soll im Pariser Louvre einen eigenen neuen Saal erhalten und damit für Besucher noch besser zur Geltung kommen. Das berühmte Leonardo-da-Vinci-Bild solle im Zuge einer umfangreichen Renovierung des Museums einen Saal erhalten, der seiner Bedeutung noch besser entspreche, kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron letzte Woche an. "Die ersten Reaktionen von Spendern stimmten sie sehr zuversichtlich, sagte des Cars am Sonntag. Und auch gegen die sportlich gesetzte Frist Macrons für das Projekt hatte sie keine Einwände. Schon 2031 soll alles fertig sein. Zu sagen, dies sei unmöglich, wäre sehr unfranzösisch, sagte die Direktorin."

Kunstkritik

Monopol-Redakteurin Silke Hohmann stellt in der Deutschlandfunk-Kultur-Sendung "Kompressor" unsere Februar-Ausgabe vor - mit besonderem Fokus auf den Sänger Nick Cave und dessen Keramiken.

Kunstgeschichte

Die Kunstsammlung des DDR-Bergbauunternehmens Wismut ist nach langer Zeit wieder zu sehen, ab April in der Ausstellung "Sonnensucher" in Zwickau. Es ist "eine Kunstsammlung, die so umfangreich ist wie die keines anderen ehemaligen DDR-Betriebs", schreibt Hendrik Lasch im "nd". "Sie umfasst 4028 Werke, darunter 259 Gemälde. Viele zeigten Bergbaumotive, es gebe aber etwa auch Landschaftsbilder, sagt Paul Kaiser vom Dresdner Institut für Kulturstudien. Seit den 50er Jahren habe das Unternehmen Kunstwerke angekauft und in Auftrag gegeben, Plenairs veranstaltet und Kunstpreise vergeben. Viele Künstler, die für die Wismut tätig waren, leiteten auch Zirkel, in denen Bergleute sich künstlerisch betätigten: 'Das war Teil eines selbst gestellten Bildungsauftrags.'" Heute harren viele der Bilder ihrer Wiederentdeckung, so Lasch.

Ausstellung

Manchmal muss ein Künstler 250 Jahre alt werden bis zur ersten großen Ausstellung in den USA: Eine Retrospektive von Caspar David Friedrich ist jetzt im New Yorker Metropolitan Museum of Art zu sehen. Einer seiner größten Fans, Adolf Hitler, habe einen langen Schatten auf die Rezeption des Künstlers im 20. Jahrhundert geworfen, schreibt Jason Farago in der "New York Times". "Als ich diese Ausstellung in Hamburg sah, war ich verblüfft von der Sensibilität von Friedrichs Zeichnungen, wie er der Schraffur von Steinen und der Rippung von Blättern Aufmerksamkeit schenkte und einen leblosen Felsblock in ein Spiegelbild der Seele verwandelte. Diese Magie zwischen Teil und Ganzem ist in der Met etwas schwieriger zu finden, aber der Kern von Friedrichs Leistung ist in dieser Ausstellung immer noch präsent: der spontane, gelegentlich visionäre Blick auf die natürliche Welt und die unübertroffene Fähigkeit, eine Ansicht mit einer ganzen Weltanschauung zu versehen. Die Kuratorinnen Alison Hokanson und Joanna Sheers Seidenstein setzen sich sehr für die Tugenden der Landschaft ein - ein Genre, das, nachdem es im 20. Jahrhundert in Ungnade gefallen war, neben den globalen Durchschnittstemperaturen wieder an Bedeutung gewinnt." Hanno Rauterberg zieht in der "Zeit" (bislang nur in der Printausgabe) eine Parallele zur Trump-USA der Gegenwart: "Wie Friedrichs Menschen sind auch seine Bilder, sie suchen, sie erstreben nichts. Dieses Nichts jedoch wird ausgemalt mit großer Finesse, mit der Freude daran, sich eine Welt ohne allzu große Aufregung, ohne politische Ranküne, erst recht ohne den Triumphalismus vorzustellen, der schon Friedrichs Zeit bestimmte und den auch die USA gerade neu erleben. Dass ausgerechnet jetzt ein Maler bei ihnen vorbeischaut, der sich alldem entzieht, der nicht das rastlose, dafür das rastvolle Leben malt, der nur eine Eiche, eine Wiese, ein Gebüsch ins Bild rückt, all das kann wohl wirklich nicht ohne gewisse Irritationen abgehen. Nicht hier jedenfalls, in diesem Land, das nicht vom Mond, aber vom Mars träumt, um dort oben – bäm! – eine Flagge ins unbescholtene Terrain zu stoßen. Damit allen klar ist, wer die Macht hat und wie Grenzenlosigkeit sich anfühlt."

Film

Der französische Regisseur Jacques Audiard hat sich in einem Interview des US-Branchenportals "Deadline.com" von Karla Sofía Gascón distanziert, der Hauptdarstellerin seines Films "Emilia Pérez". Die "hasserfüllten" Äußerungen Gascóns seien "unentschuldbar" sagte Audiard. Er reagierte damit auf das Bekanntwerden früherer Tweets der spanischen Schauspielerin, die Rassismus, Islamfeindlichkeit und auch bösartige Kritik an Kolleginnen der Branche enthielten. Die Beiträge Gascóns, die als erste Transfrau für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert ist, lösten eine Welle der Empörung aus. In dem Musical-Thriller "Emilia Pérez" spielt Gascón einen mexikanischen Drogenboss, der sein Geschlecht zur Frau angleichen lässt. Mit 13 Nominierungen war die französische Produktion zunächst als Oscar-Favorit gefeiert worden, doch Branchenkenner sehen nun die Chancen bei der 97. Oscarvergabe am 2. März als gefährdet. Die Debatte um Gascón überschatte jetzt alles, so Audiard. Er habe aktuell nicht mit ihr gesprochen und wolle dies auch nicht tun. Er könne nicht verstehen, warum sie sich und anderen Personen, die ihr nahe stünden, weiter Schaden zufüge, sagte der Regisseur mit Blick auf das Team von "Emilia Pérez". Gascón müsse Verantwortung für ihre Aktionen übernehmen, statt sich selbst als Opfer zu sehen. Gascón hatte im Prinzip die Echtheit der meisten ihr zugeschrieben Tweets nicht bestritten. In einem ihrer Statements entschuldigte sie sich dafür, "Schmerz verursacht" zu haben. Sie sei nicht rassistisch, aber sie benutze "viel Ironie, Sarkasmus, manchmal auch Übertreibung", sagte sie in einem Interview. Einige Tweets seien zudem von "einigen Medien erfunden" worden, führte sie weiter aus. Sie sprach auch von einer "Kampagne des Hasses", die auf sie als Transfrau und auf ihre Arbeit abziele. Gascón hatte nach Berichten von Medien wie "El País" unter anderem den Islam, Araber, Katalanen und auch Promis, darunter ihre "Emilia Pérez"-Kollegin Selena Gómez beleidigt. Audiard ist durch unkonventionelle Filme wie "Ein Prophet" oder "Der Geschmack von Rost und Knochen" bekannt. "Emilia Pérez" hat schon zahlreiche Preise gewonnen. Beim Filmfest in Cannes teilte sich das weibliche Ensemble um Gascón, Zoe Saldana, Selena Gomez und Adriana Paz den Preis für die beste Darstellerin. In Luzern wurde er zum besten europäischen Film des Jahres gekürt und holte kürzlich auch den Golden Globe in der Sparte "Komödie/Musical".