Kulturpolitik
Die Künstlerin Zuzanna Czebatul plädiert im "Frieze Magazine" dafür, die massiven Kulturkürzungen des Berliner Senats als Weckruf zu betrachten. Dass eine breite Reaktion der Bevölkerung ausblieb und vor allem die protestierten, die direkt von den Sparmaßnahmen betroffen sind, nennt sie eine "unbequeme Wahrheit": "Wenn die Öffentlichkeit nicht für uns kämpft, wird es der Staat sicherlich auch nicht tun." Czebatul sieht den Plan der CDU-geführten Regierung in der Delegitimierung der Kulturbranche als ganzer. "Sobald Kunst nicht mehr als unverzichtbares Kulturgut, sondern als 'nice to have' abgetan wird, ist ihr Überleben prekär. Schlimmer noch, die Gelder verschwinden nicht, sondern werden umgeschichtet: zur Aufstockung des Polizeibudgets zum Beispiel. Diese Verschiebung ist ein Beispiel für eine neoliberale Strategie, die die öffentlichen Sektoren gegeneinander ausspielt und den Kultursektor dazu zwingt, seine Existenz aus wirtschaftlichen Gründen zu rechtfertigen." Die Künstlerin wünscht sich neue Allianzen und eine Szene, die politische Botschaften mit direktem Kontakt zu Lebensrealitäten verbindet. "Dieser Moment bietet auch die Gelegenheit zum Nachdenken. Was meinen wir, wenn wir Kunst als 'politisch' bezeichnen? Wie wird dieses Konzept außerhalb der Kunstwelt wahrgenommen - oder ignoriert? Jenseits auffälliger Installationen oder provokanter Ausstellungstitel, die 'radikal' oder 'revolutionär' enthalten, muss sich der Kultursektor mit den unglamourösen Realitäten der Wahlpolitik, der Stadtpolitik und der Besteuerung auseinandersetzen."
Nachruf
In der "Süddeutschen Zeitung" schreibt Andrian Kreye einen Nachruf auf den italienischen Fotografen Oliviero Toscani, der durch seine kontroversen Werbekampagnen für die Modemarke Benetton bekannt wurde. Seine Berufsbezeichnung als Fotograf reichte nie aus, "um zu erfassen, wie und was er mit seiner Arbeit veränderte", schreibt Kreye. "Es war weniger die Fotografie selbst, als ihre Wahrnehmung, die er für immer auf den Kopf stellte, vor allem mit seinen Kampagnen für die Modemarke Benetton in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Lange vor den Dogmen der Identitätspolitik wirbelte er da Hautfarben, Sexualitäten und Glaubensrichtungen durcheinander." Auch für Freddy Langer in der "FAZ" war Toscani weit mehr als ein Auftragsfotograf. "Dass er Künstler war, musste sich Toscani nicht selbst attestieren. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Museen ausgestellt. Es ist eine subversive Kunst, verstörend mit jedem Motiv. Aber sie stumpft den Betrachter eben nicht ab, sondern macht sensibel. Am Ende könnte man zu dem Schluss kommen, dass gerade Konventionen inhuman sind. Provokation hingegen nannte Toscani "Zeichen der Großzügigkeit." Auch Christoph Amend erinnert in der "Zeit" an den Fotografen und hebt dabei ein kleinwenig schwülstig seine persönlichen Begegnungen mit ihm hervor. "Bei unserem zweiten Interview waren wir per Livestream miteinander verbunden, Oliviero Toscani saß in seinem Studio in der Toskana, von wo aus er in den letzten Jahrzehnten seines Lebens gearbeitet hat. Am Ende des Gesprächs zeigte er Fotografien, mit denen er sich umgeben hatte. Ein großes Bild von Picasso, nur in Shorts gekleidet. Richard Avedons Fotografien aus Andy Warhols Factory in New York. Und natürlich eine Arbeit von August Sander, ein Porträt eines deutschen Soldaten. Das schönste Motiv, das er von seinem Studio aus sehe, wollte er aber auch noch zeigen. Oliviero Toscani drehte die Kamera seines Laptops und zeigte durch die großen Fenster nach draußen. Dort hinten ist das Meer, sagte er, das sei sein liebster Blick. Dann ging die Sonne in der Toskana langsam unter."
Seit den Sechzigerjahren organisierte er inoffizielle Kunstausstellungen in Wissenschaftsinstituten und Wohnungen, rief im Perestrojkajahr 1986 in Moskau die Künstlervereinigung Eremitage ins Leben, gründete 1991 das Zentrum für Zeitgenössische Kunst, das eine Art russisches Centre Pompidou werden sollte. Lenonid Baschanow war eine Schlüsselfigur des spät-sowjetischen Undergrounds, jetzt ist der Kunsthistoriker im Alter von 79 Jahren gestorben. Kerstin Holm gedenkt des "Pioniers der zeitgenössischen Kunstszene" Russlands in der "FAZ": "Baschanow, dem viele Künstler ihre Werke schenkten, leitete in den Neunzigerjahren die Kunstabteilung im Kulturministerium und war 2001 Kommissar des russischen Pavillons der Biennale in Venedig. Sein Zentrum war ein Labor junger Künstler und Treffpunkt von Kreativen verschiedener Sparten", so Holm. "Doch der Staat wandte sich gegen die Kunstfreiheit. 2020 verlor Baschanow seinen Posten und das Zentrum die Selbständigkeit, als es dem Moskauer Puschkin-Museum zugeschlagen wurde. Im Zuge der Repressionen nach der russischen Großinvasion in die Ukraine wurde es 2023 geschlossen."
Ausstellung
Wer diese "gerade zu solcher Jahreszeit wärmend-aufhellende Schau gesehen hat", werde nie wieder achtlos im Museum an den Werken der niederländischen Malerin Rachel Ruysch (1664 bis 1750) vorbeigehen, jauchzt Manuel Brug in der "Welt" angesichts der Ausstellung "Nature into Art" in der Alten Pinakothek in München. Die Soloschau der zu Unrecht vergessenen, in ihrer Zeit aber hochrenommierten Stilllebenmalerin – "die berühmteste Blumenabbilderin ihrer Epoche" (Brug) – kapriziert sich ganz auf die floralen Stillleben. Blumig beschreibt der Rezensent den Hyperrealismus der Künstlerin: "Man hatte ein Stück Schöpfung an der Wand, ein ganz besonders ansehnlich ausgestelltes und abgebildetes, das freilich durch die höchste Kunstfertigkeit seiner keinerlei Pinselstrich mehr erkennen lassenden Malerei zum Trompe-l’œil-Ideal wurde. Zudem ließ die Raffinesse ihre kaum kenntlichen, die Blumenstücke oft wie von innen heraus leuchten lassenden Lichtführung diese echter wirken als die Wirklichkeit. Zumindest perfekter", so der Autor. Ruysch’ Kunst wurde "vom Zeitgeist verweht. Um jetzt, 275 Jahre später, glorios aufzuerstehen."
Museen
Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet via "Der Standard“ vom ersten vollständigen Jahresprogramm der neuen Direktorin an der Kunsthalle Wien. Michelle Cotton ist seit dem vergangenen Sommer im Amt. Man habe "verstärkt Zeit in Marketing auf den sozialen Netzwerkplattformen und in einen neuen Markenauftritt investiert", wird die Britin zitiert, und nicht zuletzt biete der neue Freundeskreis Kunsthalle Club die Chance, "die Community der Kunsthalle zu stärken". Sieben Ausstellungen und das neue, im Mai anstehende Festival Vienna Digital Cultures habe sich die 1977 geborene Kunsthistorikerin vorgenommen. Am 23. Januar machen Rawan Almukhtar und Ida Kammerloch, die Gekürten des Kunsthalle Wien Preises 2024, den Anfang. Zu den Highlights des Programms zählt die Schau "Radical Software: Women Art and Computing 1960–1991" ab 28. Februar, die mit wenig bekannten Künstlerinnen, aber auch Stars wie Hanne Darboven, Valie Export oder Isa Genzken Digitalkunst der Anfangszeit aus feministischer Perspektive ins Zentrum rückt. Im Sommer und Herbst folgen Einzelausstellungen zu Nicola L., Ibrahim Mahama, Guan Xiao und Richard Hawkins.