Am 26. November sollte die Sparliste des Berliner Senats endgültig werden, hieß es zuvor. Bis zu diesem Tag, so ließ sich leicht vorhersagen, würden die Telefondrähte ordentlich glühen, sprich: wird noch heftig um Korrekturen am Sparpaket gerungen werden. Um 130 Millionen Euro soll der Kulturhaushalt abspecken, 11,6 Prozent der ursprünglich für 2025 veranschlagten 1,12 Milliarden Euro für die Kultur.
Wie sich herausgestellt hat, war der 26. November durchaus noch nicht das Enddatum. Das wird jetzt am 19. Dezember vermutet: Dann nämlich soll die Kulturverwaltung die exakten Zahlen für jede einzelne Institution nennen. Danach muss dann jede Einrichtung zusehen, wie sie die Kürzungen innerhalb ihres Etats verteilt – sofern einzelne Posten überhaupt verfügbar sind. Personalkosten für unbefristete Stellen etwa stehen nicht zur Disposition, da kann höchstens im Einzelfall durch Nichtbesetzung einer durch Weggang oder Pensionierung frei werdenden Stelle gespart werden. Planbar ist das nicht.
Nachdem erwartungsgemäß die großen Bühnen der Stadt, Sprech- wie Musiktheater, lautstarke Proteste artikuliert hatten, äußerten sich auch die Einrichtungen der Kunst. Zuletzt noch haben die Kunstbetriebe Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.), Neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), KunstWerke und das Künstlerhaus Bethanien mit einem Offenen Brief auf ihr Lage aufmerksam gemacht. "Unsere Budgets stehen längst am Limit: Inflation, explodierende Energiekosten und Mieten haben uns an die Grenze des Machbaren gebracht", weisen die vier Häuser darauf hin, dass längst gespart und geknapst werden muss, und sehen Schlimmeres voraus: "Doch anstatt die Kultur zu stärken, zwingt uns der Berliner Senat zu drastischen Einsparungen, die wir nicht mehr kompensieren können. Stellen müssen gekürzt oder unbesetzt bleiben, Programme werden gestrichen, und der künstlerische Spielraum wird massiv eingeschränkt."
"Unsere Arbeit lässt sich nicht mehr in vollem Umfang umsetzen"
Das sind deutliche Worte. Dass es sich nicht im mindesten um Schwarzmalerei handelt, belegt etwa die nGbK mit nackten Zahlen. "Die Kürzungen liegen aktuell bei 13 Prozent, dabei sind Dominoeffekte noch nicht berücksichtigt", erläutert Geschäftsführerin Annette Maechtel. "Unser Etat von rund 1,2 Millionen Euro besteht zu 98 Prozent aus Zuwendungen aus dem Haushalt des Kultursenats. Die Kürzungen bedeuten Einschnitte im Programm und beim Personal. Unsere Arbeit lässt sich nicht mehr in vollem Umfang umsetzen."
Eine detaillierte Schadensrechnung macht der Verein Savvy Friends unter Vorsitz von Thomas Eller Wang auf: "Im Budget ,Förderung von Präsentations- und Produktionsorten' des Kultursenats sollen 560.000 Euro gespart werden. Dabei handelt es sich de facto um eine fast 50-prozentige Kürzung des Budgets von 1.230.290 Euro. Von diesem Budget erhält Savvy Contemporary 330.000 Euro. Dieser Betrag macht ca. 65 Prozent der monatlichen festen Kosten des Vereins (Miete, Gehälter, Versicherungen) aus. Eine Budgetkürzung um 50 Prozent zum Januar 2025 hätte eine unverzügliche Insolvenz des Vereins zur Folge. Verbindlichkeiten wie Mieten und Gehälter könnten nicht mehr bezahlt werden."
Und dann ein sehr interessanter Punkt: "Mit einem Hebelsatz von 4 (!) generiert Savvy Contemporary ein Programmbudget von 1,2 Millionen Euro. Dieser Hebelsatz zeigt, wie erfolgreich Savvy Contemporary auch im Vergleich mit anderen Kulturinstitutionen arbeitet!" Damit erfüllt Savvy Contemporary, was Kultursenator Joe Chialo (CDU), der selbst aus der Kulturwirtschaft kommt, allen Kultureinrichtungen nahelegt, nämlich stärker auf Eigenleistungen und Sponsoring zu bauen.
Atelierprogramme sollen gestrichen werden
KW-Direktorin Emma Enderby hat in ihrem Haus eine vergleichbare Ausgangslage: "Zur Realisierung unseres Programms sind wir bereits auf die Beschaffung von Drittmitteln durch zusätzliche Zuschüsse, Einzelspenden und Unternehmenspartnerschaften angewiesen." Doch das ändert nichts an den bitteren Konsequenzen, die Enderby stellvertretend für die vier Einrichtungen so formuliert: "Die angekündigten Kürzungen werden sich daher unmittelbar auf unser Programm, unsere Mitarbeitenden, unsere Künstler*innen, unsere Pädagog*innen, unsere Partner*innen und nicht zuletzt Besuchenden auswirken. Wir sehen uns gezwungen bereits jetzt geplante Vermittlungs- und Führungsprogramme einzustellen, die Anzahl der Ausstellungen zu reduzieren, Gebühren für bisher kostenfreie Angebote einzuführen, stadtweite Kooperationen zu reduzieren und Projekte in den Bereichen Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion auszusetzen oder gar ganz zu streichen."
Insbesondere der letztgenannte Punkt hat einhellige Kritik an den Sparvorgaben der Senats-Haushälter erfahren. Da kommt offenbar Bewegung in die zuvor für unverrückbar erklärten Streichungen "Damit ist klar: Wir sparen nicht bei Projekten für Diversität, nicht bei Kinder- und Jugendtheatern", wird die SPD-Politikerin Melanie Kühnemann-Grunow in den Medien zitiert – ein erstes Signal für Korrekturen. Beispielsweise war der Etatposten "Diversitätsoffensive" mit einer halben Million Euro gleich ganz gestrichen worden; er soll nun mit immerhin 400.000 Euro im Haushalt verbleiben. Dass der Ansatz "Digitaler Wandel", ursprünglich mit drei Millionen Euro ausgestattet, wohl weiterhin gestrichen werden soll, kann mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Berliner Kulturinstitutionen nur verwundern.
Verwunderung löst auch eine weitere Überlegung der Sparkommissare aus. Wie der "Tagesspiegel" am Samstag meldete, will die Koalition "gleich 15,8 Millionen Euro zusätzlich (...) als Ausgleich zudem bei Arbeitsräumen für Künstlerinnen und Künstlern sparen". Da herrscht Klärungsbedarf – denn in der detaillierten Sparliste vom November war beim Posten "Bestandssicherung voin Arbeitsräumen für Künstlerinnen und Künstler" mit 12 Millionen Euro bereits knapp die Hälfte des Ansatzes von 24,2 Millionen Euro gestrichen worden, dazu 2,275 Millionen Euro von ursprünglich 21,35 Millionen Euro "Zuschüsse für den Ausbau von Arbeitsräumen für Künstlerinnen und Künstler". Da sollen nun mit einem Mal satte 18 Millionen Euro wegfallen. Man staunt! Wie sich die beiden Posten – vorgesehen waren insgesamt stolze 45,5 Millionen Euro! – konkret verteilen, auf welche Projekte, welche Atelierhäuser, das wird wohl erst nach dem 19. Dezember zu überblicken sein.
Und dann wird es neue Proteste geben, sicher ins neue Jahr 2025 hinein. Zu gravierend sind die Sparmaßnahmen, gleich wen sie am Ende treffen.