Medienschau

"Wie eine schlecht gemachte Kunstsatire"

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Die Feuilletons verdauen Cattelans Millionenbanane, mehr zum Ärger ums Nan-Goldin-Symposium und weitere Berichte zur Monopol Top 100: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Monopol Top 100

Monopols Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten ist gestern erschienen, mit der österreichischen Choreografin Florentina Holzinger auf der Nummer eins. Über die Gründe spricht Chefredakteurin Elke Buhr in der WDR-3-Sendung "Mosaik", in der WDR-5-Sendung "Scala", im Bayern-2-Podcast "Kultur Update" und im "Kompressor" von Deutschlandfunk Kultur.

Debatte

Über die Absagen bei einem geplanten Symposium über Kunst und Antisemitismus in Berlin, das in der Neuen Nationalgalerie in Berlin stattfinden sollte, berichtet Tobias Timm in der "Zeit". Er erinnert daran, dass die Ausstellung von Nan Goldin – der Anlass für das Symposium – "unbedingt sehenswert" sei: "Gezeigt wird in der Neuen Nationalgalerie auch Nan Goldins Projekt Fire Leap, eine digitale Diashow, in der sie ihre Fotografien von Kindern zeigt. Die Kinder schlafen, glotzen, tanzen, klettern, werfen Dinge vom Balkon und stolpern als Astronaut verkleidet durch einen Garten. Dazu hört man, von einem Schulchor gesungen, David Bowies Space Oddity. Es ist viel Hoffnung und Freiheit in diesen Bildern. Man kann sich in die Arme dieser Kunst fallen lassen, wenn man möchte. Sie fotografiere nur aus Liebe, hat Nan Goldin einmal gesagt, niemals aus Wut." Auch Julia Hubernagel schreibt über den Streit in der "taz". Marcus Woeller warnt in der "Welt": "Die öffentlich finanzierte Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist nun als Hausherrin der Veranstaltung dafür verantwortlich, dass es nicht zur Förderung eines antisemitischen Diskurses kommt. Und auch Museumschef Klaus Biesenbach – die autonome Position der Direktoren der Nationalgalerie ist durch die SPK-Reform jüngst gestärkt worden – darf sich nicht aus der Gesamtverantwortung für die Nan-Goldin-Retrospektive stehlen. Selbst wenn sie nicht von ihm selbst kuratiert wird, findet sie doch in seinem Haus statt. Auf eine mögliche aktivistische Eskalation wie im Frühjahr im Hamburger Bahnhof sollte er vorbereitet sein."

Der Kulturunternehmer Jochen Sandig kommentiert in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" die geplanten Kürzungen des Berliner Kulturetats: "Der Schock über die geplanten Kürzungen ist groß und wir müssen alles dafür tun, sie noch abzumildern. Wir brauchen jetzt vor allem einen katalysierenden „We Berlin“- Moment, und mehr kreative und weniger Hinterzimmer- Bürokratie. Wohin wollen wir Berlin bis 2030 weiterentwickeln? Wie können wir unsere Ressourcen und Kapazitäten besser und nachhaltiger nutzen? Welche Strukturen können noch stärkere Synergien für die ganze Stadt entfalten? 2027 wird auch ein neuer Hauptstadtvertrag mit dem Bund geschlossen, in diesem Zusammenhang werden weitere Weichen gestellt werden."

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geht es nicht nur um militärische Ziele, sondern auch um Identität. Deshalb spielt auch die Kultur in der Ukraine gerade jetzt eine so große Rolle, wie die deutsche Staatsministerin Claudia Roth bei einer Reise nach Odessa hautnah erfahren hat. Tobias Rapp vom "Spiegel" hat die Grünen-Politikerin bei Künstler- und Museumsbesuchen begleitet. "Auch im Krieg geht die Kunst weiter, auch in der Ukraine. Gerade in der Ukraine. Selbst wenn auch an diesem Tag die Meldungen von der Front um die paar Kilometer Boden gehen, die die eine Seite verliert und die andere gewinnt, handelt dieser Krieg nicht nur von Territorium. Er geht genauso um Identität, um Kultur. Die ukrainische Nation gebe es nicht – mit dieser Behauptung hat Wladimir Putin den Krieg begonnen. Selbstverständlich gibt es uns, sagen die Ukrainer. Daraus ziehen wir die Kraft, mit der wir uns verteidigen. Und, wichtig: Wir sind Teil Europas, nicht Russlands."

Kunstmarkt

Das Feuilleton verdaut noch den Fakt, dass ein Krypto-Bro gestern bei einer Auktion in New York 6,2 Millionen Dollar für das Bananen-Kunstwerk von Maurizio Cattelan bezahlt hat. "Das Praktische an 'Comedian' ist, dass das Werk, anders als die 'Mona Lisa', letztlich immun ist gegen Aufessen oder andere Formen des Vandalismus", schreibt Jörg Häntzschel in der "SZ". Denn der Käufer erwirbt keine Banane, sondern eine Idee: ein Echtheitszertifikat, auf dem auch erklärt wird, wie der Käufer das von ihm selbst nachzukaufende Obst mit silbernem Klebeband an der Wand zu befestigen hat. Das war es auch, was den Käufer der jetzigen „Comedian“, den aus China stammenden Krypto-Unternehmer Justin Sun, so für dieses Werk einnahm. Auch Kryptowährungen sind ja nichts anderes als Zertifikate." Valentina Di Liscia wirft in "Hyperallergic" einen nüchternen Blick auf das Obst: "Was aber, wenn 'Comedian' das ist, wovon wir alle tief im Inneren wissen, dass es das ist - ein solipsistisches Statement, eine überteuerte Frucht, schlechte Kunst, die nicht einmal die befriedigende Wirkung eines Gimmicks erreicht? Ähnlich wie eine schlecht gemachte Kunstsatire, die sich insgeheim an dem erfreut, was sie vorgibt zu kritisieren, hält Cattelans Werk nichts den Spiegel vor. Sun, der Höchstbietende des heutigen Abends, hat nicht 'einen Teil der Geschichte' erworben, wie er in einer Erklärung sagte - er hat eine Banane und eine Rolle Klebeband gekauft." Für Daniel Völzke von Monopol zeigt das Unverständnis, mit dem viele auf die Wertschätzung des Werks reagieren, dass Strategien der Avantgarde auch nach 100 Jahren nicht im Mainstream angekommen sind, wie er in seinem Kommentar schreibt.