Debatte
Die Resolution zum Schutz jüdischen Lebens, die heute im Bundestag verabschiedet wurde, verenge das Problem Antisemitismus zu sehr, kritisiert die Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky in der "taz". In dem Gespräch mit Frederik Eikmanns geht es auch um die Auswirkungen auf den Kulturbetrieb: "Es müssen Kriterien entwickelt werden, die die Autonomie von Wissenschaft, Kultur, Medien respektieren. Ansonsten gilt, zu Recht, das Recht. Villa Braslavsky hat zusammen mit anderen Intellektuellen in der "FAZ" Alternativvorschläge für die Resolution gemacht. "Wir wollen Antisemitismus nicht verharmlosen und unterschätzen. Wir setzen auf gesellschaftliche Selbstaufklärung statt auf Repression. Es braucht die öffentliche Auseinandersetzung, wie etwa den Streit um die Documenta 2022 oder um die Pro-Palästina-Camps an den deutschen Unis." Ijoma Mangold versteht in der "Zeit" die Skeptiker nicht recht: "Die Kritiker treibt die Sorge um, dass in der öffentlichen Kulturförderung palästinensische Positionen nicht mehr vorkommen könnten. Diese Sorge ist verständlich, aber man wird ihr nicht gerecht, indem man die Meinungsfreiheit in Stellung bringt. Der Geist dieser Resolution zensiert nicht die Kunst, jeder kann weiterhin machen, was er will – nur behält sich der Staat vor, bestimmte Projekte nicht länger zu fördern. Völlig zu Recht, denn das Parlament ist den Bürgern rechenschaftspflichtig, wofür es das Geld der Steuerzahler hergibt. Alles andere wäre verantwortungslos."
US-Wahl
Die britische "Art Newspaper" wollte eigentlich Stimmen aus der Kunstwelt sammeln, hatte aber damit wenig Erfolg: "Viele Persönlichkeiten aus der Kunstwelt, die The Art Newspaper am Mittwochmorgen kontaktierte, reagierten nicht sofort oder waren sprachlos über das Ergebnis, wie die Künstlerin Deborah Kass, die sagte: 'Es gibt keine Worte: Keine Worte. Das ist meine Antwort.'" Einige Antworten hat die Zeitung dennoch bekommen, etwa von Lyndon Barrois, Tanya Selvaratnam oder Alexis Rockman. Das US-Platform "Artnet News" hat es sich da einfacher gemacht und Reaktionen in den sozialen Medien gesammelt. Von Künstlerin Tracey Emin lesen wir da: "Die Hälfte der Welt ist gerade auf den Grund der Hölle gestürzt und die andere Hälfte hat Angst. Der Ausgang der Wahl war unvermeidlich. Amerika hatte bereits seinen Diktator." Auch "Art News" hat Stimmen gesammelt.
"Artnet"-Autor Brian Boucher hatte schon im Oktober darüber nachgedacht, wie ein Präsident Trump den Kultursektor umgestalten könnte. Die Liste reicht von Zurückziehung staatlicher Förderung bis zu den Auswirkungen von möglichen Reisebeschränkungen.
Kunstmarkt
"Art News" will erfahren haben, dass die Art Basel die Abu Dhabi Art übernehmen und dafür 20 Millionen Dollar bezahlen könnte: "Es ist ein offenes Geheimnis unter der Intelligenzija der Kunstwelt, dass die Art Basel in letzter Zeit in finanziellen Schwierigkeiten steckt, trotz des jüngsten Erfolgs des Unternehmens in Paris, von dem viele glauben, dass es das neue europäische Zentrum der Kunstwelt sein wird. Die Muttergesellschaft der Messe, die MCH Group, musste im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang des Nettogewinns um 41 Prozent von einem Verlust von CHF 9,01 Millionen auf einen größeren Verlust von CHF 12,77 Millionen hinnehmen, wie die Financial Times berichtet, und zwar aufgrund „eines Anstiegs der Vertriebs-, Allgemein- und Verwaltungskosten im Verhältnis zum Umsatz. Der Kurs der MCH-Aktie befindet sich zudem seit 2020 in einem stetigen Abwärtstrend."
Barbara Kutscher schaut im "Handelsblatt" voraus auf die Herbstauktionen in New York, wo unter anderem das Bananenkunstwerk von Maurizio Cattelan versteigert wird. "Sollte sich die Frucht am 20. November als solide Investition erweisen? Die tonangebenden New Yorker Auktionen verlassen sich jedoch vor allem auf historisch abgesicherte Positionen und wichtige Provenienzen."
Kulturpolitik
Einiges deute darauf hin, dass Italiens Rechte den Futurismus zu ihrem kulturellen Aushängeschild machen will, schreibt Karen Krüger in der "FAZ": "Noch nie gab es so viele Ausstellungen über den Futurismus in öffentlichen Museen und privaten Galerien wie in diesem Jahr, seit Jahren wurde nicht mehr eine so große Anzahl an Arbeiten auf Kunstmessen und Auktionen angeboten. 'Es wäre fatal, wenn der Futurismus zum Aushängeschild einer rechten Partei gemacht wird', sagte der Sammler und Futurismus-Experte Pablo Echaurren im Juli gegenüber der Zeitung 'Repubblica'. Tatsächlich hat das Kulturministerium von Giorgia Meloni den Scheinwerfer auf den Futurismus gerichtet, schon kurz nachdem die rechtsgerichtete Regierung im Oktober 2022 ihre Arbeit begann. Es war sofort klar, dass man dem Futurismus wieder neues politisches Gewicht beimisst."
Nachruf
Der durch seine Bilder aus Essensresten mit dreckigem Besteck und Geschirr bekanntgewordene Objektkünstler Daniel Spoerri ist mit 94 Jahren gestorben. "Während um Reinlichkeit bemühte Menschen klebrige Mottenfallen in die Küchenschränke legen, machte Spoerri den Esstisch zur Leimrute", schreibt Peter Richter in der "SZ". "Die sogenannten Fallenbilder, die so entstanden sind, zeigen halb leer zur Seite geschobene Teller, Gläser mit eingetrockneten Rotweinresten und unglaublich viele Aschenbecher, die aufgrund der schieren Menge von ausgedrückten Zigarettenkippen wie kleine Igel auf dem Tisch kleben. Es wirkt, als habe jemand dem Kellner mit einem gewissen Werkstolz verboten abzuräumen, weil das Abräumen schließlich immer schon der kleine Bruder des Rechnungsbringens ist." Den "FAZ"-Nachruf schreibt Georg Imdahl.