Debatte
Nach monatelangem Streit haben sich die Spitzen der Regierungsfraktionen und der Union im Bundestag auf eine Antisemitismus-Resolution geeinigt. Der Antrag mit dem Titel "Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken" soll in dieser Woche im Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Ronen Steinke fasst in der "SZ" zusammen: "Bund, Länder und Kommunen werden konkret aufgefordert: Sie sollten genau prüfen, bevor sie Fördergeld herausgeben. Zum Beispiel an Theater. Sie sollten 'rechtssichere, insbesondere haushälterische Regelungen erarbeiten, die sicherstellen sollen, dass keine Projekte und Vorhaben insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden'. Das ist nicht neu. Schon am 13. März dieses Jahres hatten die Kulturminister der Länder gemeinsam genau diese Absicht erklärt, vage und allgemein. Seither rätseln sie bloß, wie man eigentlich feststellt, was 'antisemitische Inhalte' in der Kunst sind." Im NDR kommentiert die Bestsellerautorin Mithu Sanyal die geplante Resolution – und einen Gegenentwurf, den sie unterschrieben hat.
Perfomance
Laura Helena Wurth unterhält sich für die "FAZ" mit zwei Menschen, die in Marina Abramovićs Retrospektive im Kunsthaus Zürich gerade die Performance "Imponderabilia" von 1977 aufführen. Damals performte Abramović mit ihrem damaligen (und 2020 verstorbenen) Partner Ulay: Splitternackt standen die beiden sich in einem Türrahmen gegenüber, der Weg zu den Ausstellungsräumen der Galleria d’Arte Moderna in Bologna führte unweigerlich zwischen ihnen hindurch. In Zürich wird die Performance unter anderem von Gaby Frey und Luca Klett durchgeführt. "Frey sagt, sie habe sich beworben, weil sie keinen Grund mehr hatte, es nicht zu tun. Sie ist jetzt ein Jahr in Rente, nicht mehr auf die Lohnarbeit angewiesen, ihre Tochter ist erwachsen. Jetzt habe sie die Zeit und Freiheit, das zu tun, was sie interessiert." Dem Kunststudenten Klett ging es zuvorderst darum, einen Job im Kunstbetrieb zu haben. "Außerdem wollte Klett mehr über Performances lernen, über das, was passiert, wenn man dahin geht, wo es wehtut. Klett sagt, er habe jetzt eine größere Sicherheit. Und dass die Erfahrung ihm mehr gegeben habe, als er erwartet hatte." "Imponderabilia" war kürzlich in den Schlagzeilen: Ein Mann, der 2010 nackt in der "The Artist is Present" im Museum of Modern Art (MoMA) auftrat, verklagt die Institution, weil er während der Laufzeit der Blockbuster-Show mehrfach begrapscht wurde. In der Neuauflage in der Londoner Royal Academy of Art im vergangenen Jahr und jetzt in Zürich gab und gibt es jeweils eine weitere Tür, die Besuchende als Alternativweg nutzen konnten, wenn sie nicht zwischen den Nackten hindurchgehen wollen. Die ist in der ursprünglichen Performance nicht vorgesehen. Was bleibt von der Intensität der Performance, fragen wir in einem Kommentar.
Fotografie
Am 9. November wäre der Schweizer Fotograf Robert Frank 100 Jahre alt geworden. Philipp Meier schaut deshalb noch einmal auf dessen Opus Magnum "The Americans" - und sieht in diesem Porträt der US-Gesellschaft angesichts der US-Wahl immer noch Relevanz: "Der Spiegel, den Frank vor weit mehr als einem halben Jahrhundert seinen neuen Landsleuten vorhielt, stösst heute in der schwierigen und herausfordernden Zeit eines gespaltenen Landes nicht mehr auf Ablehnung, sondern wird von vielen als Mahnung verstanden. Schliesslich erwies sich Robert Frank für die Amerikaner, was die Fähigkeit zur Selbstreflexion betrifft, als ein grossartiger Lehrer."
KI
Levin Brinkmann erforscht, ob sich Künstliche Intelligenz erschrecken kann: "Maschinen spüren keine Emotionen wie ein Mensch", sagt er im "Spiegel"-Interview. "Sie können sie aber immer besser erkennen, etwa Freude oder Angst in Gesichtsausdrücken auf Bildern, und auch vermeintlich eigene Gefühle benennen. Ein Chat mit ChatGPT lässt sich kaum mehr von einer Unterhaltung mit einem menschlichen Gegenüber unterscheiden. Auch unser Experiment zeigt, dass sich Emotionen simulieren lassen." Der kreative Anteil der Maschine werde immer größer, das betrifft Bilder und Texte. "KI verändert auch, wie wir Kultur wahrnehmen und konsumieren, weil Maschinen selbst Bilder bewerten und einordnen. Unser Projekt soll diese Idee spielerisch aufgreifen und veranschaulichen, wie eine KI kulturelle Artefakte wie Bilder konsumiert, interpretiert und, in gewisser Weise, auch kritisiert."