Interview
"Ich hätte nie gedacht, dass Israel tatsächlich noch einmal in Libanon einmarschieren würde." Der libanesische Künstler Akram Zaatari spricht mit der "FAZ" über den Krieg in seinem Heimatland. "Nicht die gesamte Zivilgesellschaft sieht in der Hizbullah die alleinige Ursache für unsere politische Misere. Aber ein großer Teil von ihr sicherlich. Die Hizbullah zu zerschlagen bedeutet allerdings, gut vierzig Prozent des Landes zu zerschlagen. Das sind Menschen, Familien. Ich schaue auf die, die getötet werden, die Opfer." "FAZ"-Redakteurin Lisa Bopp spricht den Künstler auf sein Werk "The letter to a refusing pilot" an, das auf der wahren Geschichte eines israelischen Piloten beruht, der sich 1982 weigerte, eine Schule in der Nähe von Saida, der südlibanesischen Heimatstadt Zaataris, zu bombardieren. "Der 'Letter to a refusing pilot' war für mich eine Möglichkeit, eine gemeinsame Basis für eine libanesische und eine israelische Geschichte zu finden. Ich sage immer, dass wir eine gemeinsame Geschichte haben – auch wenn wir uns gegenseitig den Krieg erklären, denn selbst dieser Krieg wird zu einer gemeinsamen Geschichte. Die Geschichte des israelischen Piloten, der sich weigerte, ein ziviles Ziel in Libanon zu bombardieren, bot mir die Gelegenheit, eine Geschichte gleichzeitig in die libanesische und in die israelische Historie einzuschreiben. Sie wird in Libanon und in Israel auf genau dieselbe Weise erzählt. Es ist eine sehr unbedeutende Geschichte, aber dennoch ist es eine gemeinsame Geschichte, der wir beide zustimmen."
Der Künstler Via Lewandowsky berichtet in einem im "Tagesspiegel" veröffentlichten Gespräch mit Sarah Alberti von seiner Ausreise 1989 aus der DDR nach Westberlin: "Ich habe das Land, in dem ich nicht leben wollte, verlassen, kurz bevor es sich auflöste. Und das West-Berlin, auf das ich mich gefreut hatte, gab es nach dem Fall der Mauer nicht mehr. Ich war weggegangen mit der Erwartung, meine Verwandten zehn Jahre nicht wiederzusehen. Ich habe mich auf diese Enthaltsamkeit gefreut. Ich wollte dieses Leid, diese Melancholie, diesen Schmerz spüren. Dieses 'Ich darf meine Eltern nicht mehr sehen'. Ich wollte ins Exil und das wurde mir genommen. Plötzlich standen sie alle wieder vor der Tür. Alles war wieder wie immer und ich dachte: Nee, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nach der Öffnung der Grenze war das Thema Osten wieder auf der Agenda. Ich wollte mich damit eigentlich nicht mehr auseinandersetzen. Das musste ich dann auf schmerzhafte Art aber wieder tun. Ich habe daraus gelernt, dass man seine Identität nicht amputieren kann." Eine Langfassung dieses Interviews ist als Teil des Projektes "Kunstszene Ost" gemeinsam mit anderen Gesprächen mit Kunstschaffenden aus der DDR jetzt kostenfrei auf dem Webportal online zu lesen.
Debatte
Offenbar sind noch nicht alle Meinungen und Argumente zu einer möglichen Antisemitismus-Resolution des Bundestags ausgetauscht. In einer langen "Zeit"-Recherche rollt Ijoma Mangold das Thema noch einmal auf. Unter anderem kommt die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu Wort: "Von der Antisemitismus-Klausel ist sie nicht überzeugt: 'Sie stößt an verfassungsrechtliche Grenzen und ist in der Praxis kaum handhabbar: Geht es um das Kunstwerk oder um die Gesinnung seines Schöpfers? Dann könnten wir kaum gelassen Wagner-Opern hören.' Hingegen sollte das Strafgesetz verschärft werden, um antisemitische Hetze und Übergriffe auf unschuldige Andersdenkende besser verfolgen zu können. Verletzte Gefühle allein jedoch könnten kein ausreichender Grund für staatliche Interventionen sein. 'Das Publikum muss eine gewisse Spannung auch aushalten können.' Und sie macht einen großen Bogen auf: 'Wenn Martin Kippenberger einen grünen Frosch ans Kreuz nagelt, dann verletzt mich das als gläubiger Mensch. Aber ich halte es aus. Wenn wir nur Wohlgefälliges zulassen, können wir uns die staatliche Förderung gleich schenken.' Um Fortschritt zu ermöglichen, müsse der Staat auch zum Experiment ermutigen – und 'Experimente müssen auch schiefgehen können'."
Kunstgeschichte
Sie restauriert seit 28 Jahren Gemälde in den Uffizien: Claudia Gisela Reichold gibt in der "Zeit" Tipps für Florenz, zum Beispiel, welchen Künstler man nicht verpassen sollte: "Piero della Francesca – ein Maler der Renaissance aus dem 15. Jahrhundert: ein faszinierender Künstler und Mensch, absolut losgelöst von seiner Zeit. Wenn ich seine Arbeiten betrachte, überwältigt mich ein Gefühl von Freude, Bewunderung, Hochachtung, Dankbarkeit, manchmal auch Aufgewühltheit oder Spannung."
Film
Alex Greenberger ist auf "Art News" ganz angetan von der 14-stündigen Doku "Exergue" über die Documenta 14, die er auf dem New York Film Festival gesehen hat. Das Werk von Dimitris Athiridis sei "ein radikaler Akt der Transparenz, der dem Ethos dieser Ausstellung entspricht. Es legt nahe, dass Kunstausstellungen mehr sind als nur Objekte, Kuratoren und Galerien - auch wenn ihre Organisatoren das vielleicht nicht wahrhaben wollen". Eine Monopol-Review von Saskia Trebing zu dem Film lesen Sie hier.
Soziale Medien
Aus Sicht von Autorin Sophie Passmann machen soziale Medien das Leben vieler junger Frauen schwerer. "Die Art, wie sich junge Frauen durch das Leben bewegen, ist durch Social Media schwieriger geworden, glaube ich", sagte Passmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Sie ist rückschrittlicher, konsumorientierter und mehr orientiert am männlichen Blick und wie man attraktiv sein kann für Männer." Als mögliche Erklärung dafür nannte die "Neo Ragazzi"-Moderatorin, die bald ihr Theaterdebüt am Berliner Ensemble gibt, den Algorithmus auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok. "Der Algorithmus bevorzugt schlanke, weiße, symmetrische, attraktive, schöne Frauen. Da kann man nicht drumherum diskutieren." Ein Bild einer attraktiven Frau im Bikini funktioniere etwa besser als ein Wahlaufruf für eine Landtagswahl. Das sei eine Katze, die sich selbst in den Schwanz beißt. Besonders bei Inhalten, die man wichtig findet, wolle man einerseits in den sozialen Medien erfolgreich sein. "Um aber möglichst erfolgreich zu sein, muss man andererseits eine Nische oder Breite finden, die funktioniert. Und da werden Attraktivität, Freizügigkeit und Inhalte für den männlichen Blick einfach bevorzugt", so Passmann, die einen Podcast mit Moderator Joko Winterscheidt hat. 2023 erschien Passmanns Roman "Pick Me Girls". Nun bringt sie das Buch in einer gekürzten Theaterversion auf die Bühne des Berliner Ensembles - und wird auch selbst spielen. Die Premiere ist am 17. Oktober geplant. "Pick Me Girls" handelt davon, wie der männliche Blick das Leben von Frauen prägt. Über den Sommer habe sie mit dem Dramaturgen Johannes Nölting und Regisseurin Christina Tscharyiski die Theaterfassung entwickelt, sagte Passmann. Sie habe nur Teile übernommen, die es unbedingt braucht - etwa ein Kapitel über Schönheitseingriffe.