Medienschau

"Wie integriert man sich in eine Gesellschaft, die einem den Tod wünscht?"

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Gibt es eine Verachtung für DDR-Baudenkmäler? Machen Künstler in Therapie schlechtere Kunst? Wie beginnt man mit dem Kunstsammeln? Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Der deutsche Kulturbetrieb habe ein Antisemitismus-Problem, befindet Klemens Elias Braun, Student der Universität der Künste Berlin, in einem Gastbeitrag für die "Welt".  Und er wischt die Bedenken der Kritiker einer "Antisemitismusklausel" beiseite: "Von einer Einschränkung der Kunstfreiheit oder gar 'Zensur' kann aber keine Rede sein, wenn der Staat Kunstförderung an Bedingungen knüpft. Ähnliches wird in Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit oder bei Diversitätskriterien bereits praktiziert. Welche Rahmenbedingungen eine Gesellschaft für Kunst schaffen muss und welche Forderungen sie im Gegenzug stellen darf, ist Teil eines Aushandlungsprozesses." Der Beitrag ist eine Replik auf einen Kommentar von Deniz Yücel, der zuvor - ebenfalls in der "Welt" - für mehr Differenzierung warb: "Eine falsche Behauptung wird aber durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Es gibt keine belastbaren Indizien für die These, dass der heutige deutsche Kulturbetrieb besonders antisemitisch sei – also auffällig mehr zum Judenhass neige als in dem Maß, das in allen sozialen und politischen Milieus (auch der 'Mitte') Normalität ist. Was aber sind schnöde Fakten gegen ein schwungvolles 'J’accuse', das man vage an 'den Kulturbetrieb' adressiert – gerne aus diesem selbst. Mehr noch: Der Beitrag des deutschen Kulturbetriebs (inklusive des Feuilletons) zur Auseinandersetzung mit dem 7. Oktober bestand darin, 'dem Kulturbetrieb' latenten Antisemitismus oder 'dröhnendes Schweigen' vorzuwerfen."

"Was passiert, wenn Künstler zur Therapie gehen?", fragt Julia Halperin in der "New York Times". Wird dann ihre Kunst schlechter? Am Beispiel von Thomas Houseago und anderen verwirft die Autorin das Klischee vom leidenden Künstler. "Psychische Krankheiten wurden lange Zeit mit künstlerischem Genie in Verbindung gebracht, wobei die Genesung fast als Feind der Virtuosität angesehen wurde. 'Vor dem Problem des schöpferischen Künstlers', schrieb Sigmund Freud in den späten 1920er Jahren, 'muss die Analyse leider die Waffen strecken'. 2016 organisierte das Van Gogh Museum in Amsterdam die Ausstellung 'On the Verge of Insanity: Van Gogh und seine Krankheit', die sich mit dem Spätwerk des niederländischen Künstlers und dem Verlauf seiner Depression befasste. Das Leiden wurde nicht nur als romantisch und vielleicht sogar als notwendig für die Kunst angesehen, sondern es ist fast so, als wollten wir, dass die Künstler den Schmerz der Welt in ihre Werke einfließen lassen, damit wir ihn nicht selbst empfinden müssen. Viele der langjährigen Bewältigungsmechanismen von Künstlern - Drogen und Alkohol, die selbst oft Teil der kreativen Mystik sind - können auch Karrierekiller sein, wenn sie einen nicht gerade umbringen. Wie Houseago es ausdrückt: 'Wie integriert man sich in eine Gesellschaft, die einem den Tod wünscht?'"

Kunstmarkt

Hans-Joachim Müller wirft in der "Welt" einen Blick auf die Sammlung des jüngst verstorbenen Kurators Kasper König, die jetzt beim Auktionshaus Van Ham versteigert wird. "Die großen, spektakulären Werke wird niemand in einer Kollektion erwarten, die nie eingelagert war, sondern immer in den Wohn- und Arbeitsräumen des Sammlers präsentiert wurde. Doch es muss in den frühen Jahren auch Erwerbungen gegeben haben, die die privaten Dimensionen gesprengt haben. So erfährt man erst jetzt, dass Kasper König wohl in den 1960er-Jahren beim Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela die eindrückliche 'Schneefall'-Installation gekauft hat." Im "Kölner Stadtanzeiger" sprechen die Söhne (und Galeristen) Johann und Leo König über die Sammlung.

"Sammeln Sie sich kurz – und dann, fangen Sie bitte endlich mit dem Sammeln an!", empfiehlt Florian Illies - und gibt in der "Zeit" Einsteigertipps fürs Kunstsammeln. Zum Beispiel: Wie fängt man an? "Indem man liest, liest, liest. Und indem man schaut, schaut, schaut. Lesen sollte man: Kunstzeitschriften, das amerikanische Artforum, Rezensionen in den großen Zeitungen, alte und neue Ausstellungskataloge über den Künstler oder die Künstlerin und seine Zeit insgesamt." Und natürlich Monopol lesen ;-)

Architektur

Der Umgang mit DDR-Bauten und konkret der geplante Abriss des Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadions in Berlin-Prenzlauer Berg ist von der Schriftstellerin Jenny Erpenbeck ("Kairos") kritisiert worden. "Ich finde immer: Umbau geht vor Abriss", sagte Erpenbeck dem Sender RBB-Inforadio. Im großen Sportpark gebe es "ungenutzte Räume und schlechte Gebäude", die man abreißen könnte und an deren Stelle die geplanten Sportstätten für Menschen mit und ohne Behinderung bauen könne. Ein Neubau kostet 200 Millionen Euro, "das finde ich einfach ein enormes Geld", so die Schriftstellerin, die selber den Sportkomplex und die Umgebung nutzt. Erpenbeck kritisierte, wie mit Bauten aus der DDR umgegangen werde. Den Abrissbeginn am 7. Oktober, dem Tag der DDR-Gründung, finde sie bezeichnend. "Nachdem auch schon das Ahornblatt an der Fischerinsel abgerissen wurde und der Palast der Republik, ist praktisch von dieser ganzen Zeit wenig übrig, und da gab es ja auch Architekten, die sich Gedanken gemacht haben, das waren ja nicht alles Idioten." DDR-Bauten würden nicht geschätzt als Teil der deutschen Geschichte. Daher sei ein Abriss ein "Zeichen in die falsche Richtung". Das alte Jahnstadion soll nach den Plänen des Senats abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, gerahmt von einem erweiterten und umgebauten Sportpark. Der Senat will eine inklusive Vorzeige-Sportstätte bauen, zuerst soll das Stadion abgerissen und ersetzt werden. Gibt es tatsächlich eine Verachtung für die Baudenkmäler im Osten? Da sei Erpenbeck aber "ziemlich schief gewickelt", antwortet nun Nikolaus Bernau in einer Replik im "Tagesspiegel": "Ganz im Gegenteil ist das Architekturerbe der DDR bis auf wenige Ausnahmen bemerkenswert gut erhalten, von Wohnungen und Staatsbauten bis hin zum Fernsehturm. Selbst grob Vernachlässigtes wie das Kulturhaus in Gera ist selten, und ein Abriss wie der des ikonischen Theaterkomplexes in Frankfurt am Main fast undenkbar. Was allerdings tatsächlich fast verschwunden ist, ist der DDR-typische graugelbe Verfall der Häuser und Straßen, der Gestank nach Braunkohle, der technische Rückstand. Darauf in einer Zeit hinzuweisen, in der um jene gerungen werden muss, die gegen die Demokratie und den Rechtsstaat stimmen, scheint kontraproduktiv zu sein. Aber zu behaupten, irgendwer sei immer noch wild darauf, DDR-Architektur zu zerstören, ist blanker, wenn auch gängiger Populismus."

Film

Die jungen Stars der "Harry Potter"-Verfilmungen denken mit Herzenswärme an die Dreharbeiten an der Seite der verstorbenen britischen Schauspielerin Maggie Smith zurück. In jüngeren Jahren habe sie keine Ahnung davon gehabt, welch eine Legende Smith sei, schrieb Schauspielerin Emma Watson (34), die in den Filmen die Zauberschülerin Hermine Granger verkörperte, auf Instagram. "Erst als Erwachsene habe ich schätzen gelernt, dass ich die Leinwand mit einer wahren Definition von Größe geteilt habe." Maggie Smith sei "so besonders, immer lustig und immer liebenswürdig gewesen", erklärte Schauspieler Rupert Grint in dem sozialen Netzwerk. Er schätze sich unglaublich glücklich, mit ihr gedreht zu haben und besonders, mit ihr getanzt zu haben, schrieb der 36-Jährige. Dazu stellte er ein Foto, das die beiden in ihren Rollen als Professorin Minerva McGonagall und Ron Weasley tanzend in einer Szene aus dem Film "Harry Potter und der Feuerkelch" aus dem Jahr 2005 zeigt. Auch Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe (35) würdigte die zweimalige Oscar-Gewinnerin, die am Freitag im Alter von 89 Jahren gestorben war. In einem Statement an die Nachrichtenagentur PA beschrieb er seine mehr als fünf Jahrzehnte ältere Schauspielkollegin mit den Worten: "Sie hatte einen scharfen Verstand, eine glorreich scharfe Zunge, konnte im selben Augenblick einschüchtern und bezaubern und war, wie Ihnen jeder sagen wird, extrem lustig." Das Wort "Legende" werde generell zu häufig benutzt - aber wenn es auf eine Person in der Filmbranche zutreffe, dann auf Maggie Smith. Warme Worte fand auch die Harry-Potter-Erfinderin J.K. Rowling. "Irgendwie dachte ich, sie würde ewig leben. Ruhe in Frieden, Dame Maggie Smith", schrieb die Schriftstellerin auf der Online-Plattform X.