Medienschau

"Dass das Geheimnis immer präsent ist"

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Antisemitismusvorwurf gegen Christoph Büchel, Angriff auf Joe Chialo und das Erfolgsrezept von Gerhard Richter: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Die Ausstellung des Schweizer Künstlers Christoph Büchel in der venezianischen Fondazione Prada weise alle Merkmale des Antisemitismus auf und wiederhole die "Stereotypen der mächtigen Juden", beklagt die in Brüssel ansässige "European Jewish Association". Jüdische und israelische Besucher hätten sich über Büchels Installation "Monte di Pietà" verärgert gezeigt, die ihrer Ansicht nach "eindeutig antisemitische Untertöne" vorweise, berichtet "Die Presse". Der Schweizer Künstler hat sich mit der Geschichte des Palazzos Ca' Corner della Regina – heute Ausstellungshaus von Pradas Kunststiftung – auseinandergesetzt, von 1834 bis 1969 saß hier das Pfandleihhaus von Venedig. Hier bekamen die Armen Kleinkredite gegen Pfand und zu geringen Zinsen. Das Kapital dafür kam aus Stiftungen oder Spenden. Jetzt, so suggerieren die Werbeschilder am Palast, ist Ausverkauf im Schuldenhaus. Im Inneren hat Büchel dem Palast mit 3000 Gegenständen in ein Gebrauchtwarenlager verwandelt: Lampenschirme und Motorroller, Gesellschaftsspiele und Kleiderberge, Möbel und Münzen. "Die Teile dieser Installation, die Israel in den Mittelpunkt stellen, deuten eindeutig darauf hin, dass Juden und Israelis das Geld und die Macht haben und dass alle Kriege, ob in Gaza, im Libanon oder bei der Gründung des Staates Israel, den jüdischen finanziellen Interessen dienten“, klagte Rabbi Menachem Margolin, Präsident der "European Jewish Association" in einer Erklärung am Freitag. "Diese Installation, so subtil sie auch sein mag, ist nichts anderes als die Wiederholung einiger der ältesten antisemitischen Stereotypen. Was diese spezielle Installation noch unheimlicher macht, ist, dass sie versucht, diese Stereotypen unter dem Deckmantel der 'Kunst' zu verpacken, damit die Menschen innehalten und darüber nachdenken. Sie versucht, eine Idee zu vermitteln, die an ihrer Wurzel antisemitisch ist, so wie man innehält und ein berühmtes Gemälde in sich aufnimmt. Dies ist äußerst gefährlich und unverantwortlich angesichts des Rekordanstiegs des Antisemitismus als Folge des Massakers vom 7. Oktober und des andauernden Krieges in Gaza."

Die "SZ" kommentiert die Attacke auf den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) vom vergangenen Donnerstag, als eine Aktivistengruppe den Politiker bedrängte, Pyrotechnik zündete, mit einem Mikrofonständer warf, ihn als "Rassisten" beleidigte. Die Botschaft der Attacke, so Peter Laudenbach, sei deutlich: "Es geht nicht um eine Auseinandersetzung, gar eine offene Debatte, sondern es geht einzig um die Hass-Demonstration gegen den Senator als Mensch. Die bei dieser Gelegenheit wieder einmal laut gewordenen Parolen sind mit der Leugnung des Existenzrechts Israels ('From the river to the sea, Palestine will be free') nichts als antisemitische Hamas-Propaganda mit der Forderung nach der Auslöschung des israelischen Staates." Der Hintergrund des Übergriffs ist offenbar der Streit um das Neuköllner Kulturzentrum Oyoun: Nach Antisemitismus-Vorwürfen im Zusammenhang mit einer Veranstaltung hatte die von Chialo geführte Senatskulturverwaltung Ende 2023 die Förderung des Oyoun gestoppt. "Die Rhetorik und die radikale Pose der Oyoun-Fans sind alles andere als neu. Jürgen Habermas hatte schon vor gut einem halben Jahrhundert für überdrehte Linksradikale, die Debatte durch Frontenbildung und Einschüchterung ersetzen wollen, eine vernichtende Bezeichnung: 'linker Faschismus'", so Laudenschaft. Nebenbei sei die "Eskalation der kleinen Demo eine interessante Variante kulturpolitischer Forderungen: Entweder wir bekommen Staatsknete, am besten auf alle Ewigkeit, oder wir randalieren", schreibt Laudenbach.

Malerei

Was erklärt den immensen Erfolg von Gerhard Richter? "Vielleicht ist es die Tatsache, dass der Vielfalt seines Werks nicht ohne Weiteres beizukommen ist. Dass das Geheimnis immer präsent ist, und dass man auf eine direkte Weise trotzdem beeindruckt ist von den überaus präsenten Werken, die immer etwas einerseits Zurückhaltendes und andererseits Herausforderndes haben." Das sagt Uwe M. Schneede im Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" anlässlich seiner neuen Richter-Monografie. Mit seinem Buch versuche er, zu Richters "komplexen und komplizierten großen Abstrakten hinzuführen und zu erläutern, warum sich Gerhard Richter nie auf einen Stil hat festlegen lassen wollen, sondern immer gleichzeitig in den verschiedenen Modi, figürlich und abstrakt, gearbeitet und sie gleichwertig behandelt hat", so der Kunsthistoriker.  Die "Widersprüche in seiner Person und in seinem Werk" spielten bei Richter "eine außerordentlich bedeutende Rolle".

Kunstmarkt

Hochwasser und reißende Flüsse in Wien: Die Kunstmesse Parallel Vienna musste am Freitag aufgrund des Unwetters unterbrochen werden, berichtet die österreichische Nachrichtenagentur APA (via "Der Standard"). Die Messe war am Mittwoch im Otto-Wagner-Areal eröffnet worden und sollte eigentlich bis zum Sonntag laufen. Sie soll nun am kommenden Wochenende, am 21. und 22. September, fortgesetzt werden.

Ausstellung

Die Rieckhallen im Hamburger Bahnhof sind wiedereröffnet, mit einer Sammlungspräsentation sowie einer Einzelausstellung von Mark Bradford. Marcus Woeller hat die Eröffnung der neuen, alten Spielstädte besucht und ist mit Bradford durch dessen Soloschau gelaufen. "Formal stehen Bradfords Gemälde in der Tradition der Moderne, des abstrakten Expressionismus und des konzeptuellen Minimalismus, aber auch der plakativen Pop-Art. Bekanntgeworden ist er mit großen Papierarbeiten, die an die Schichtung abgerissener Reklametafeln erinnern“, schreibt Woeller in der "Welt". "Im Gespräch macht er aber deutlich: 'Ich bin ein Künstler, kein Aktivist!' Seine Werke sind tatsächlich nicht vordergründig, nicht anklagend. Sie ermuntern zum Nachdenken, fordern das aber nicht ein, wie manche Gegenwartskünstler, die ihre Arbeit wie eine Reklame vor den Karren einer Haltung spannen. Bradford hat es augenscheinlich nicht nötig, zu moralisieren. Er vertraut der ästhetischen Kraft der Kunst."

Ziemlich angetan ist Paul Ingendaay in der "FAZ" vom "Heimaten"-Projekt im Haus der Kulturen der Welt (HKW), in deren Zentrum die Ausstellung "Forgive us our trespasses – Vergib uns unsere Schuld" steht. Es gehöre "zu den Strategien des HKW, seine Besucher ein wenig zu überfordern und mit neuen Namen, verblüffenden Kunstverfahren und randständigen Theorien zu bewerfen", so der "FAZ"-Autor. Doch "auch wenn der Jargon manchmal mit den Textern durchgeht, seinem Namen macht es damit alle Ehre: Haus der Kulturen der Welt. Denn wir sollen ja gerade kennenlernen, wovon wir zuvor nichts wussten, sei es ein Altar von Berlins erster Candomblé-Gemeinde (das spirituelle Erbe der schwarzen Sklaven Brasiliens), eine verstörende Video-Installation von Theo Eshetu, die das Schlachten des Lamms mit der Schönheit arabischer Ornamentik kreuzt, oder die leuchtende Bilderserie der in Südkorea geborenen, in Berlin lebenden Künstlerin Surya Suran Gied." Ein Höhepunkt des Eröffnungswochenendes, das viel Musik, geführte Ausstellungsbesuche und Podiumsdiskussionen bot, sei dabei ein Panel über Schwarzen Hip-Hop in Deutschland gewesen. "Der Berichterstatter ging ohne die mindeste Kenntnis hinein und kam belehrt und erfrischt wieder heraus." Jörg Häntzschel war für die "SZ" ebenfalls vor Ort, kam aber weniger erfrischt heraus. "Viele der Werke werden die Diskussionen um Heimat inspirieren und bereichern. Doch weil in der Ausstellung Geografisches und Gesellschaftliches mit moralischem trespassing zusammengebracht wird, lassen andere Arbeiten die Frage, wie sich Deutschlands pluralistische Gesellschaft verteidigen lässt, aus dem Blick geraten. Auch sonst zerfranste der Start dieses brennend wichtigen Projekts. Das Programm der ersten zwei Tage des Eröffnungswochenendes erwies sich als eher mager"