Mode und Nachhaltigkeit

Warum alle Fashion Weeks wie Kopenhagen sein sollten

Wenn im September die großen Modewochen stattfinden, sollten sie einen Blick nach Kopenhagen werfen. Denn die dortige Fashion Week ist eine Vorreiterin in Sachen Nachhaltigkeit. Doch ein Grundproblem der Branche kann sie nicht lösen

Im Juni gab die Berliner Modewoche (BFW) bekannt, dass sie eine neue Partnerschaft mit der größten der kleineren Modewochen eingeht: der Copenhagen Fashion Week (CPHFW). "Durch die Umsetzung des von der CPHFW entwickelten Rahmenwerks für Nachhaltigkeitsanforderungen verpflichtet sich der Fashion Council Germany als Koordinator des BFW-Programms, die Mindeststandards zu einem verpflichtenden Kriterium für die Schauen der Berlin Fashion Week zu machen", hieß es dazu in der Pressemitteilung. 

Skandalöserweise ist die Kopenhagener Modewoche die erste weltweit, die es sich auf die Fahne geschrieben hat, eine komplett nachhaltige Veranstaltung zu werden. Die Organisatoren werfen nicht nur Ideen in den Raum, sondern schaffen neue Ansprüche. Die Marken, die hier ihre Kollektionen vorstellen wollen, müssen bestimmte Kriterien erfüllen, die das Konzept der Nachhaltigkeit unterstützen. 

Ihren ersten Aktionsplan hatte die dänische Modewoche im Jahr 2020 vorgestellt. Seit Januar 2023 werden nur noch Bewerber für den offiziellen Show- und Präsentationsplan berücksichtigt, deren Nachhaltigkeitsbemühungen die Mindeststandards in den Kategorien strategische Ausrichtung, Design, Materialauswahl, Arbeitsbedingungen, Engagement für die Verbraucher und Präsentation erfüllen. Diese wurden vor kurzem erst überarbeitet, um sich den Entwicklungen und Erkenntnissen der Branche anzupassen und gelten ab den Herbst-Winter-2025-Schauen. Außerdem werden die Marken dazu angeregt, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die über die Mindestanforderungen hinaus gehen.

Wie sieht das eigentlich mit den Lieferketten aus?

Beispielsweise heißt es darin: "Wir vernichten keine unverkauften Kleidungsstücke und Muster aus früheren Kollektionen und verfügen über ein Verfahren für Restbestände." Unsere Kollektion ist frei von neuen Pelzen, Wildfellen und Federn, die auch als Exoten bezeichnet werden. Wir verfügen über konkrete Richtlinien und Prozesse, um ein sicheres, gesundes und respektvolles Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter in unseren Büros zu schaffen, das frei von Belästigung und Diskriminierung ist und in dem jeder unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Alter, politischer/ religiöser/ sexueller Orientierung, körperlicher Erscheinung und Fähigkeiten gleiche Chancen genießt." Das sind nur drei der Unterpunkte, denen sich die Brands verpflichten müssen. 

Außer in die üblichen Nebenveranstaltungen der Modewoche wie Parties und Präsentationen, investiert die Organisation auch in Paneltalks und Diskussionen zu den Themen, die die Modewelt umtreiben sollten, das aber nur selten tun. Wie sieht das eigentlich mit den Lieferketten aus? Wie steht es um die nächste Generation von Designtalenten? 

Letztlich versucht die Copenhagen Fashion Week, mehr als alle vergleichbaren Events, eine Antwort auf grundsätzliche Fragen zu finden: Wie kann eine Modewoche gestaltet werden, die Planet, Verbraucher und Marken respektiert? Wie kann die große Kluft zwischen Nachhaltigkeit und einem Medium überbrückt werden, das sich durch stetige Erneuerung definiert? 

Ansprechen, was so schädlich ist

2018 wurde Cecilie Thorsmark zur CEO der CPHFW ernannt. In einer Stadt, die sich dem Thema Nachhaltigkeit in der Mode bereits angenommen hatte, sah sie eine Chance, die Kopenhagener Modewoche zu einem Vorbild zu formen. Im Januar 2020 startete sie den Drei-Jahres-Aktionsplan "Reinventing Copenhagen Fashion Week", den Vorreiter der heutigen Mindeststandards. 

Unter ihr veröffentlichte die Organisation dazu einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, in dem die Fortschritte und gesteckten Ziele festgehalten werden. "Während die Modewochen faszinieren und inspirieren, muss die Konsumkultur, die sie erzwingen, angesprochen werden", sagte Thorsmark bei einer Veranstaltung mit Business of Fashion. Selten wird ausgesprochen, was Modenschauen in uns auslösen sollen, was aber so schädlich ist: Jede Saison neue Kollektionen bestaunen, neue Ware, die in Kleiderschränken die alte ersetzen soll. Regelmäßig neue Produkte kaufen, damit man im Trend bleibt. 

Gleichzeitig ist die Runway-Schau der Moment, in dem Designer und ganze Ateliers ihre harte Arbeit der letzten Monate, von der ersten Idee bis zur letzten Naht, vorstellen und feiern können. Eingebettet ist die Kleidung in ein Konzept, das Bühnenbild, Casting und Soundtrack enthält und die Zuschauenden in ein kurzes, magisches Universum saugt, in dem das Design und die Kreativität regieren.

Weit entfernt vom Standard

Auf der Kopenhagener Modewoche finden sich so vor allem Marken, die beides verbinden: den kreativen Aspekt mit Zukunftsvisionen. Und dazu gehört nicht nur eine neue Aufmerksamkeit für die Umwelt, sondern für alle, die in der Mode normalerweise kaum Platz finden. 

Eine Show, die in der letzen Saison besonders viel Anklang fand, war die der Irin Sinéad ODwyer. Bei der Designerin dreht sich alles um Inklusion. Sie kreiert Mode für sehr unterschiedliche Körperformen, entfernt sich weit von der Standard-Samplesize, an der sich die meisten Marken orientieren. O’Dwyer stellte eine Audio-Beschreibung der Show für blinde oder sehgeschwächte Zuschauer zur Verfügung, designte taktile Kleidung und engagierte die blinde Aktivistin Lucy Edwards als eines ihrer Models, samt Blindenhund. 

Und sie war nicht die einzige Modeschaffende, die ihr Debüt auf der Copenhagen Fashion Week feierte. Neben den Bemühungen um Nachhaltigkeit drehte sich bei den vergangenen Frühling-Sommer-2025-Schauen alles um die Unterstützung neuer Talente, die durch ihre ungewöhnlichen Ansätze eine neue Basis schaffen, auf der Nachhaltigkeit und Mode einher gehen können.

Modenschauen regen immer noch den Konsum an

Bonnetje etwa, eine Marke, die 2021 in Kopenhagen gegründet wurde, benutzte alte Anzüge und Hemden, die sie in Shift-Kleider, in Blusen und Abendgarderobe verwandelte. Stem, eine Brand die sich vor allem dem Weben und der Handarbeit widmet, zeigte zum ersten Mal in Kopenhagen. Die Gründerin Sarah Brunnhuber präsentierte in ihrer Kollektion eine neue "Pulling"-Technik, mit der sie ihre Stücke fertigt. Schon länger dabei ist (Di)vision, ein Modelabel, das für seine wiederverwendeten und rekonstruierten Materialien bekannt ist. Seine neueste Kollektion etwa besteht zu 95 Prozent aus Upcycling- Stoffen. Auch ein viral gegangener Mantel aus aussortierten, zusammengenähten Plüschteddys gehört dazu. 

Kopenhagen etabliert sich mehr und mehr zu einer Modewoche, die nicht nur durch ihre aufstrebenden Designer und ihre skandinavische Stilsicherheit, sondern vor allem durch ihre Mission heraussticht. Doch auch die Fortschritte, die bereits erzielt wurden, und an denen sich neben Berlin gerade auch die großen vier Modewochen in New York, London, Mailand und Paris orientieren sollten, verwandeln die CPHFW nicht in ein rein nachhaltiges Event. 

In "The Sustainable Fashion Communication Playbook" des UN-Environment-Programms wird darauf hingewiesen, welche Auswirkungen Modewochen und ihre Kommunikation auf den Konsumenten haben. Der "Brainprint" der Veranstaltungen ist größer als oft angenommen. Eine einzige Laufsteg-Kollektion kann viele Fast-Fashion-Giganten dazu bewegen, billige Kopien anzufertigen und regt die Konsumenten dazu an, Neues in ihren Kleiderschrank einordnen zu wollen – egal, wie nachhaltig die Schau produziert wurde. Trotzdem geht die Kopenhagener Modewoche als bestes Beispiel voran, Mode in ein respektvolles und nachhaltiges Umfeld zu betten. Und das ist ganz sicher erst der Anfang.