Die jüdischen Sammler der Brücke-Maler

Wem die Bilder gehört haben

Das Brücke-Museum in Berlin hat die Provenienzforschung fest in seinem Programm verankert. Die neue Schau erzählt von den jüdischen Sammlerinnen und Sammlern der Künstlergruppe - und bricht damit auch jahrzehntelanges Schweigen

Am Anfang stand ein Skandal. Die Restitution der "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 2013, diesem Spitzenstück des Berliner Brücke-Museums, an die Erben des einstigen Eigentümer-Ehepaars Hess im Jahr 2006 hatte wütende Proteste zur Folge. Ob die Herausgabe des alsbald für 38 Millionen Dollar versteigerten Gemäldes zwingend war oder unbegründet, ist bis heute umstritten. 

Für die seit 2017 amtierende Brücke-Museumsdirektorin Lisa Marei Schmidt war sie jedenfalls Anlass, die Provenienzforschung im eigenen Haus fest zu verankern. Ein paar NS-belastete Kunstwerke wurden ausgemacht, doch nichts von auch nur annähernd mit dem Kirchner-Bild vergleichbarem Gewicht.

Was aber zugleich schärfer hervortrat, war das Profil der einstigen jüdischen Sammler. Ihnen widmet das Brücke-Museum jetzt eine Ausstellung, die Lebenswege und Sammeltätigkeit nachzeichnet. Acht Sammler und vor allem Sammlerinnen werden vorgestellt. Bis auf die bereits 1926 auf einer Ägyptenreise verstorbene Rosy Fischer wurden sie alle ab 1933 von den Nazis drangsaliert, doch zum Glück entkamen sie ins Exil; wenn auch unter Aufgabe ihrer Kunstsammlungen, sei es noch in Deutschland oder wenig später im Ausland, um irgendwie über die Runden zu kommen.

"Faire und gerechte Lösungen"

Rosy Fischer verkaufte 24 Gemälde ihrer Sammlung an das Kunstmuseum Halle, wo sie 1937 von den Nazis beschlagnahmt wurden. Kirchners Gemälde "Im Cafégarten" und "Sich kämmender Akt" gelangten Jahrzehnte später ins Brücke-Museum. Da sind sie jetzt zu sehen, das Akt-Bild neben einer Fotografie, die die mit Expressionisten-Gemälden vollgehängte Wohnung des Frankfurter Ehepaars Fischer zeigt.

Die Hamburgerin Rosa Schapire, eine der ersten promovierten Kunsthistorikerinnen, war vor allem mit Karl Schmidt-Rottluff eng befreundet. Sein Bildnis "R.S." von 1911 bildete mit der ersten Schenkung des Künstlers den Grundstock des 1967 eröffneten Brücke-Museums. Rosa Schapire hatte zumindest die Grafiken ihrer Sammlung ins Londoner Exil retten können; sie verstarb 1954. Aus ihrem Nachlass kamen Künstlerpostkarten der Brücke-Maler ins Museum.

So weit, so unbelastet. Anders sah es mit dem hochbedeutenden Kirchner-Gemälde "Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach" von 1913 aus. Das Bild gehörte dem Berliner Kunsthändler Viktor Wallenstein, der 1937 nach Italien emigrierte und dort alsbald unter die antisemitische Verfolgung der Mussolini-Regierung geriet. Er starb verarmt 1944. Das Gemälde hatte er 1940 einem italienischen Kollegen verkaufen können, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Von diesem ging es Jahrzehnte später ans Brücke-Museum, das sich aufgrund der Umstände von 1940 zu einer "fairen und gerechten Lösung" mit Wallersteins Erben im Sinne der Washingtoner Prinzipien veranlasst sah. Der finanzielle Ausgleich wird nicht genannt, aber nun hängt das Gemälde mit ausdrücklicher Widmung an seinen Erstbesitzer in der Ausstellung.

Das Geflecht wird dichter und dichter

Anders die beiden Gemälde Otto Muellers und Max Pechsteins, die hier gezeigt werden: Sie kamen als Dauerleihgabe aus dem Besitz der Nachfahren des Bankiers Hugo Simon ins Brücke-Museum. Simon hatte sie an seinem ersten Exilort Paris zurücklassen müssen, als er nach dem deutschen Einmarsch weiter nach Brasilien floh. Er und die Familie erhielten die Bilder zurück, sie erzählen jetzt von der Geschichte ihres ersten Erwerbers.

Hugo Simon ist unter anderem als kurzzeitiger preußischer Finanzminister bekannt. Andere Sammlerbiografien erschlossen sich erst im Zuge der von Nadine Bauer am Brücke-Museum betriebenen Provenienzrecherche: so die der Brüder Hans und Walther Heymann. Max Osborn und Else Glaser waren mehr dem Namen nach bekannt, sodass die Recherche wesentliche Aspekte ihrer Biografien hinzufügen konnte. 

Dichter und dichter wird das Geflecht von Künstlern, Sammlern und Vermittlern, und mehr und mehr ausgeleuchtet werden die Abgründe von Verfolgung, Notverkauf und späterem Vergessen oder Verschweigen. Kleinste Hinweise galt es zu verfolgen, Einladungskarten, Notizzettel, Rechnungen, vor allem auch persönliche Korrespondenz. Berichten, was war und was geschehen ist: So einfach und zugleich kompliziert ist, was das Brücke-Museum in seiner Ausstellung samt begleitendem Band 25 des Brücke-Archivs erreicht hat.