Debatte
Der Widerstand gegen eine geplante Bundestagsresolution für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wächst weiter. Nachdem vergangene Woche bereits die "Taz" einen Protestbrief jüdischer Kunstschaffender und Intellektueller gegen das Vorhaben abgedruckt hatte und auch die "Zeit" berichtete, äußern jetzt auch in der "Süddeutschen Zeitung" verschiedene Prominente ihre Bedenken. "Der große Fehler der Beschlussvorlage liegt darin, dass sie so tut, als gäbe es in der Kunst Eindeutigkeit", erklärt Barrie Kosky, Regisseur und langjähriger Intendant der Komischen Oper in Berlin, im Gespräch mit "SZ"-Redakteurin Sonja Zekri. Michael Naumann – Ex-Kulturstaatsminister, Ex-Verleger, SPD-Politiker – spricht von einer "intellektuellen Bankrotterklärung zugunsten einer nationalen Selbstversöhnung". Der Entwurf sei "im entscheidenden Passus verfassungswidrig und undurchführbar". Für Zekri selbst enthält die Beschlussvorlage "unstrittige, fast banale Passagen wie den Hinweis darauf, dass der Kampf gegen den Antisemitismus 'die gemeinsame Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten' sei, dass Antisemitismus 'sich seit Langem in allen gesellschaftlichen Bereichen' finde." Knackpunkt sei hingegen folgender Satz aus der Mitte des Papiers: "'Bei Bundesfördermittelanträgen von zivilgesellschaftlichen Organisationen sind die Förderprojekte auf eine Unterstützung oder Reproduktion von antisemitischen Narrativen zu überprüfen.' Was aber genau ist mit den 'zivilgesellschaftlichen Organisationen' gemeint? Ein Theater? Eine Hochschule? Die Jugendmannschaft eines Fußballvereins? Welche 'antisemitischen Narrative' dürfen nicht reproduziert werden? Und wer soll sie als solche identifizieren?"
Musiker Danger Dan von der deutschen Hip-Hop-Band Antilopen Gang ist ernüchtert von der Zeit seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel. "Die ausbleibende Solidarität mit Juden und Jüdinnen in Deutschland und in Europa war enttäuschend", sagte der 41-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Daniel Pongratz heißt, dem "Spiegel". "Und die antisemitische Welle, die durch die Welt geschwappt ist, war schockierend." Die Antilopen Gang hatte sechs Monate nach dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023, im April dieses Jahres, ein Lied über die gesellschaftliche Lage und judenfeindliche Stimmung seitdem verfasst. Mit dem Song "Oktober in Europa" hatte die Band auch ein Statement zu linkem Antisemitismus abgegeben. Bandkollege Koljah (Kolja Podkowik) hat die ausgebliebene Solidarität im Gegensatz zu Danger Dan weder überrascht noch enttäuscht, wie er sagt: "Das impliziert ja, dass es vorher eine Linke gegeben hätte, die nennenswert durch Israelsolidarität oder Antisemitismuskritik aufgefallen wäre. Das ist sie nicht", sagte der 38-Jährige dem "Spiegel". Sie sei "durch Postkolonialismus aufgefallen, und der hat sich dann halt in seiner hässlichsten Fratze gezeigt".
Kunst und KI
Ob generative KI Kunst erschaffen kann, wird gerade in allen gestaltenden Disziplinen hitzig diskutiert. Manche sehen den Geist des homo sapiens bereits als obsolet an, andere beharren auf dem menschlichen Faktor, den Werke von Algorithmen niemals erreichen würden. Im US-Magazin "New Yorker" ergreift nun Ted Chiang vehement Partei für die anhaltende Relevanz des traditionellen Schöpfertums. Sein Essay trägt den selbstbewussten Titel "Warum KI niemals Kunst machen wird." Chiang argumentiert, dass nicht das Neue einer Botschaft, sondern die Aufrichtigkeit in der menschlichen Kommunikation entscheidend ist. "Ähnlich verhält es sich mit der Kunst. Ganz gleich, ob Sie einen Roman, ein Gemälde oder einen Film schaffen, es ist ein Akt der Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Publikum. Das, was Sie schaffen, muss nicht völlig anders sein als jedes frühere Kunstwerk in der Geschichte der Menschheit, um wertvoll zu sein; die Tatsache, dass Sie derjenige sind, der es sagt, die Tatsache, dass es aus Ihrer einzigartigen Lebenserfahrung stammt und in einem bestimmten Moment im Leben desjenigen ankommt, der Ihr Werk sieht, ist es, was es neu macht. Wir alle sind Produkte dessen, was vor uns war, aber erst durch das Leben in Interaktion mit anderen bringen wir Bedeutung in die Welt. Das ist etwas, was ein Algorithmus zur automatischen Vervollständigung niemals leisten kann, und lassen Sie sich von niemandem etwas anderes erzählen."
Kunstmarkt
Eine schöne Geschichte über Sammler und das Sammeln hat Max Florian Kühlem für die "SZ" aufgeschrieben. Anlass ist die Gerhard Richter Ausstellung in Düsseldorf, die Werke aus privaten Sammlungen zeigt, die selten oder nie zu sehen waren. Mit Kurator Markus Heinzelmann spricht Kühlem darüber, wie und wo die verborgenen Schätze gehoben wurden: Das Spektrum reicht vom Künstler-Sammler Andreas Gursky – der Fotograf steuert das Richter-Bild "Weinerte" von 1968 als Leihgabe bei – bis zu einem Sammler, der seinen Malerei-Schatz ins Bad gehängt hat ("Kunst im Badezimmer ist natürlich ein großes restauratorisches Problem", so Heinzelmann). "Und so wirkt es im Gespräch bald", schreibt Kühlem, "als passe das alles ganz hervorragend zueinander: Gerhard Richter, seine stillen Sammler und der verbindliche Uniprofessor, der diese Ausstellung kuratiert – die größte Richter-Schau seit mehr als zehn Jahren, eine umfassende Retrospektive."
Als "Scholar-Dealer", also einen gelehrten Kunsthändler würdigt Philipp Meier in der "NZZ" den Schweizer Galeristen, Sammler und Auktionator Eberhard W. Kornfeld, der im vergangenen Jahr mit 98 Jahren gestorben ist. Nun wird sein hochkarätiger Kunstbestand versteigert, darunter Werke von Picasso, Giacometti und van Gogh. "Kornfeld wünschte sich, dass seine Kunstwerke nach seinem Tod in neue Hände übergehen – um andere Kunstbegeisterte zu erfreuen – und nicht in einem Museumsdepot landen", schreibt Meier. "Denn Kornfeld war nicht nur Händler, sondern auch leidenschaftlicher Sammler." Weiterhin hebt er die Nähe des Kunstexperten zu den führenden Vertretern der Avantgarde hervor: "Kornfeld war als Kunstvermittler vor allem auch vielen berühmten Künstlern ein Freund und Vertrauter. 'Die Basis des Kunsthandels ist natürlich die Liebe zur Kunst. Und so möchte man auch die Figuren kennenlernen, für die man eintritt, für die man begeistert ist', hat Kornfeld einmal gesagt. Er pflegte Freundschaften mit Marc Chagall, Sam Francis, Alberto und Diego Giacometti oder Pablo Picasso."
Ausstellung
Freddy Langer ist in der "FAZ" schwer angetan von den Fotografien des Schauspielers Lars Eidinger, die derzeit im K21 in Düsseldorf ausgestellt werden. "Eidinger hält nicht im Sekundenbruchteil eines Wimpernschlags das Leben an, um es besser betrachten zu können, sondern er hält an, um seine Motive anzuschauen. Hinter jedem Klick des Handys mag deshalb die Frage stehen: Was ist hier los? Von wo aus es nicht weit ist zu den Urfragen nach der Herkunft, dem Ziel, der gegenwärtigen Verortung und der eigenen Identität. Nirgendwo sind solche Fragen besser aufgehoben als in der Kunst. Im Grübeln. Im Zweifeln." Anders sieht es Boris Pofalla in der "Welt", dem bei der Ausstellung etwas Entscheidendes fehlt: "Lars Eidingers Fotografie ist eine, die immer in sicherer Distanz zu anderen Menschen bleibt, dabei aber nicht auf die emotiven und gesellschaftskritischen Effekte verzichten möchte, die prekäre, unbekannte, gesichtslose Menschen in seiner Fotografie erzielen können. Die Behauptung, jemand sei empathisch, lässt sich weder objektiv widerlegen noch objektiv bestätigen. Man kann aber die im K21 auf einen zu hohen Sockel gehobene Meme-Fotografie von Lars Eidinger anschauen und sagen: Diese hier ist es eher nicht."