Medienschau

"Man will das Thema möglichst bald vom Tisch haben"

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Noch mehr Widerstand gegen die Antisemitismus-Resolution des Bundestags, ein Sternekoch als Maler und das fatale BBC-Interview von Prince Andrew als Museums-Kunstwerk: Das ist unsere Presseschau am Freitag


Debatte

Über den Widerstand aus dem Kulturbereich gegen eine geplante Bundestagsresolution für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland berichtet nun auch die "Zeit". Diese Woche hatte bereits die "Taz" einen Protestbrief jüdischer Kunstschaffender und Intelektueller gegen das Vorhaben abgedruckt. Nun fordert auch eine Allianz von Institutionen wie der Lit.Cologne und der Akademie der Künste, die Resolution zumindest zu vertagen und in den Dialog mit der Kulturszene zu gehen. Raoul Löbbert beschreibt, dass vor allem die Verankerung der umstrittenen IHRA-Definition von Antisemitismus und ihre Verknüpfung mit Fördergeldvergabe im Konflikt mit der Kunstfreiheit stehen. Das bestätigt unter anderem auch die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Trotzdem erwartet der Autor, dass das Vorhaben weiter durchgezogen werden wird. "Trotz der Kritik aus Wissenschaft und Kultur wird es wohl dabei bleiben, dass die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden die Sache unter sich und mit ihren Fraktionen ausmachen. Man will das Thema möglichst bald, aber mindestens vor Oktober vom Tisch haben. Noch in dieser Woche soll es einen überarbeiteten Entwurf geben, der dann ins Plenum gehen soll. Ob die Kritik aus Kultur und Wissenschaft über den Sommer Wirkung entfaltet hat, zeigt dann wohl der Versionsvergleich." 


Kunst und Kulinarik

Für die "Süddeutsche Zeitung" war Titus Arnu im Wiener Sternelokal Amador essen, dessen Koch Juan Amador sich auch an Pinsel und Leinwand heranwagt. Seine Gerichte seien ohnehin Kunstwerke, findet Arnu. "Gegen Ende des 19-gängigen Menüs gibt es dann noch 'pequeñas locuras' (kleine Verrücktheiten), die so irre schmecken, wie sie aussehen, etwa eine Praline mit winzigen Farbspritzern als Hommage an Jackson Pollock." Auch an der Stirnseite des Restaurants entdeckt der Autor eine "Verrücktheit": "Ein wandfüllendes Gemälde des Aktionskünstlers Hermann Nitsch bestimmt den Raum, eine Orgie in Rot und Violett." Der Aktionskünstler war oft in Amadors Restaurant zu Gast, allerdings habe ein Film über Gerhard Richter den Sternekoch zum Malen bewogen. "Malerei ist für mich viel direkter und persönlicher als das Kochen", sagt Amador, "im Atelier bin ich völlig frei und unplugged, die Arbeit im Restaurant ist eher wie ein gut organisiertes Symphoniekonzert." Essen möchte er aber auf keinen Fall zum Gegenstand seiner Bilder machen. "Das soll sich nicht gegenseitig kopieren."


Film

Tim Caspar Boehme wurden die zwei Stunden auf dem Lido, in denen er Andres Veiels Film zu Leni Riefenstahl sah, nicht lang. Auch wenn man laut dem "Taz"-Autor "in Gesellschaft dieser Frau so wenig Zeit wie möglich verbringen" möchte. Boehme entdeckt in Veiels Dokumentarproduktion "Riefenstahl" kuriose Trouvaillen wie die handbeschriebene Filmdose, auf der "Triumpf des Willens" steht. Aber er entdeckt im Porträt der umstrittenen Figur Riefenstahl auch ein widersprüchliches Bild, zu dem sie selbst massiv beigetragen hat. "Etwa wenn es um ihre Affäre mit Joseph Goebbels geht, bei der sie vehement verneint, jemals in dessen Villa auf Schwanenwerder eingeladen gewesen zu sein. Sie erregt sich dabei so sehr, dass man den Eindruck bekommt, sie sei insbesondere beleidigt darüber, nicht in dem Maß zur NS-Elite gehört zu haben, wie sie es sich gewünscht hatte." Unsere Kritik zum Film von Jens Hinrichsen lesen Sie hier


Ausstellung

Wo Sex draufsteht, ist nicht nur Sex drin, konstatiert Tobias Langley-Hunt für den "Tagesspiegel" in einer Besprechung der Ausstellung "Hain" von Lukas Städler im Berliner Fotozentrum Fotografiska. "Ja, in 'Hain' geht es um Cruising und auch darum, dass ein schwuler Fotograf Licht in ein dunkles, geheimnisvolles Thema bringt. Dass es sich dabei um Klischees handelt, weiß Lukas Städler. Viele seiner Kollegen gingen ihm mit ähnlichen Inhalten voran. Und als er mit der Arbeit an der jetzt ausgestellten Serie begann, habe er sich tatsächlich mit der Frage beschäftigt, ob es wirklich noch einen weiteren schwulen Fotografen in Berlin braucht, der nackte Männer fotografiert." Die Antwort lautete offenbar: Ja. Und zwar durchaus überzeugend, wie der Autor findet, denn die künstlerische Übersetzung des Themas sind malerische Landschaftsabbildungen, in denen man den Sex oft erst suchen müsse. "Selbst Nahaufnahmen von Körpern sind wenig explizit, eher Studien über Farben und Formen. Im Fotografiska sind verschlungene Körper, organische Hautfalten, Details von knochigen Baumstümpfen und märchenhaften Astgabelungen einander gegenübergestellt." So bleibe die Provokation ganz bewusst der Fantasie des Betrachters überlassen.


Das besondere Kunstwerk

2019 redete sich der britische Prinz Andrew in einem BBC-Interview um Kopf um Kragen. Es ging um seine Freundschaft mit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein; in dem Gespräch verwickelte er sich in Widersprüche und konnte keinen der Vorwürfe gegen ihn selbst glaubwürdig ausräumen. Seitdem ist der Sohn von Queen Elizabeth und Bruder von King Charles weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Nun könnte aber ein Foto des fatalen Interviews ins Museum kommen. Der Fotograf Mark Harrison will zumindest der National Portrait Gallery in London ein Making-of-Bild von Andrew und der Journalistin Emily Maitlis überlassen, auf dem sich der Royal offenbar noch siegessicher fühlt. Dazu spekuliert Ulrike Knöfel im "Spiegel": "So ändern sich die Zeiten, in jeder Hinsicht: In dieser Woche wurde bekannt, dass die National Portrait Gallery zum ersten Mal von einer Frau geführt werden soll. Die neue Direktorin beginnt im Herbst, vielleicht findet sie dann schon Harrisons Prinzenporträt in der hauseigenen Sammlung. Und wer weiß, was sie mit dem Neuzugang machen würde."