An den westlichen Toren der Stadt steht eine riesige schwarze Silhouette vor dem Messeturm und schwingt den Hammer. Frankfurt ist eine "working city", in der die Kunst großgeschrieben wird, das wusste der Gründungsdirektor des MMK, Jean-Christophe Amman, als er 1991 die kinetische Skulptur "Hammering Man" von Jonathan Borofsky in der Nähe des Bahnhofs platzieren ließ. Seit er hier stetig hämmert, hat sich rund ums Bahnhofsviertel eine vibrierende Ausgehszene etabliert, und auch Galerien wissen das Viertel zu schätzen.
Schierke Seinecke und die angegliederte Dependance Rundgaenger in der Niddastraße zeigen vor allem frische junge Malerei. Die beiden Galeristen haben ein waches Auge auf die Abgängerinnen und Abgänger der Städelschule, der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Akademie in Mainz, aber auch Leipzig und Dresden haben sie im Blick. Diesmal zeigen sie den Leipziger David Borgmann mit seinen ins Abstrakte gehenden Landschaftsmalereien. Der besondere Farbauftrag erschließt sich beim Nähertreten!
Das Atelierhaus Basis e. V. bietet vielen Studierenden und Absolventen der umliegenden Akademien eine Homebase mit Ausstellungsraum und wechselnden Kuratoren – der Off-Space ist ein Ort mit Garantie für gute Begegnungen, nicht nur zum Eröffnungsabend der Sommerschau "Waithood". Hier hatte auch die junge in Usbekistan geborene Faina Yunusova ein Stipendium, die wenige Schritte entfernt in der Münchener Straße bei Jean-Claude Maier ausstellt, und zwar im Tandem mit Theo Altenberg. Der hat für die charmanten Altbau-Räumlichkeiten eine neue, energiegeladene Serie abstrakter Malereien geschaffen: "First Light Forever".
Kantig, kraftvoll und witzig wie eh und je sind die Skulpturen von Olaf Metzel in der Galerie Parisa Kind, die an den Ausläufern des Bahnhofsviertels charismatische Räumlichkeiten in der Gutleutstraße gefunden hat. "Und was ist mit der Lieferung vom Montag?" heißt die Schau, in der er sich bildhauerisch mit alltäglichen Abläufen und Warenzirkulation beschäftigt (Montag natürlich geschlossen). Die Galerie Kai Middendorf zeigt Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Helga Kneidl, die unter anderem in den 1970er-Jahren wunderschöne Porträts von Romy Schneider fotografiert hat.
Auf der anderen Mainseite hat sich vor einigen Jahren eine sehr feine kleine Galerie für Fotokunst etabliert: Peter Sillem kuratiert liebevoll und präzise und ist mit seinen Künstlerinnen und Künstlern auf ausgewählten Fotomessen vertreten. Zum Saisonstart zeigt er die Grande Dame der Schwarz-Weiß-Fotografie Barbara Klemm. Die große Frankfurterin begleitet das intellektuelle, kulturelle und politische Leben der Stadt seit einem halben Jahrhundert mit ihrem scharfen, wachen Blick, der immer ein wenig Zeitlosigkeit auch in die aufgeregtesten Momente zu bringen vermag. Diesmal fällt die Auswahl − etwas ungewöhnlich, aber sehr sehenswert − auf ihre Landschaftsfotografien. Und spätestens bei ihrer Ansicht vom Matterhorn fällt dann der Groschen: Sie war schon immer eine Malerin, nur eben mit der Kamera.
Der Off-Space Mars ist ein neues Energiezentrum auf einer der äußeren Umlaufbahnen der kompakten Stadt. Felix von Boehm kuratiert eine Gegenüberstellung der Fotografien von Stefan Steins und Werken des Filmkünstlers Sylvain Couzinet-Jacques, die mit ihren zugleich dokumentarischen wie emotionalen Bildern die Jugendkultur feiern.
Man weiß, dass Frankfurt eine Stadt intensiver Kontraste ist – so liegen etwa zwischen dem Bahnhofsviertel und dem Postkartenmotiv des Rathauses Römer nur ein paar Blocks. Hier in der historischen Innenstadt befinden sich rund um die Museen MMK, Schirn Kunsthalle und Kunstverein die meisten Galerien. Zu den Flaggschiffen zählt Anita Beckers, die unermüdlich neue Talente findet und fördert und zugleich ihrem Künstlerstamm über viele Jahrzehnte die Treue hält. Sie zeigt Kubra Khademi, 1989 in Kabul geboren. Nachdem sie eine Performance als Reaktion auf eine von Männern dominierte Gesellschaft aufführte, war sie gezwungen zu fliehen und lebt seit 2015 im Pariser Exil. In ihrem Werk verarbeitet sie Persönliches und sieht es zugleich als Teil ihres Aktivismus für Frauenrechte.
Bei Philipp Pflug sind die kleinen und mittelformatigen Gouachen von Michael Pfrommer zu sehen, einem Absolventen der Städelschule, dessen figurative Malerei mit schnellem, sicherem Pinselstrich etwas von fotografischen Momentaufnahmen hat: Schnappschussartige, immer tagesaktuelle Ausschnitte aus seinem Alltag werden hier in üppiger Hängung zu einer manchmal witzigen, manchmal melancholischen Erzählung, die nie ganz vollständig sein soll.
Ein engagiertes Malereiprogramm zeigt auch die Galerie Leuenroth, eine von vielen sehenswerten Galerien auf der Fahrgasse. Zum Saisonauftakt startet sie mit der Leipziger Malerin Yvette Kießling. Sie hat bei Arno Rink studiert und wurde mehrfach ausgezeichnet für ihre an Landschaft, Flora und generell Natur interessierten Malereien. Ihre neuen Arbeiten beschäftigen sich mit kulturellen Überformungen von Natur, sie selbst hatte mehrere Aufenthalte in Tansania, aus denen sich ihre neuen Werke speisen.
Mit zeitgenössischer afrikanischer Kunst und solcher der afrikanischen Diaspora hat sich die Galerie Sakhile & Me in Windeseile einen Namen gemacht. Der in Frankfurt lebende Ghanaer Samuel Baah Kortey, 1994 geboren, zeigt hier so zarte wie kraftvolle Aquarelle und Collagen.
Verlässliche Weggefährtinnen vieler Städel-Absolventen und auch jüngerer Talente aus aller Welt sind die Galeristinnen Heike Strelow und Jacky Strenz. Bei Jacky Strenz direkt am Main ist erstmals das Werk der 1988 geborenen Alexandra Tretter ausgestellt, die bei Jutta Koether studiert hat. Heike Strelow zeigt den venezolanischen Maler Starsky Brines und seine Auseinandersetzung mit Vergnügungsparks.
Bei der passionierten Galeristin Bärbel Grässlin trifft man garantiert auf hundertprozentiges künstlerisches Niveau von Knoebel bis Kippenberger, und das Publikum beweist, dass man gleichzeitig etabliert und unkonventionell sein kann. Sie zeigt zum dritten Mal Jana Schröder, die 1983 in Brilon geboren wurde und deren kräftige, großformatige, abstrakte Malereien zugleich frisch und neu aussehen und extrem gut in die Traditionslinie der Galerie passen. Vor nahezu 40 Jahren setzte Bärbel Grässlin entschlossen ihren Fuß nach Frankfurt (und nicht wie damals alle nach Köln) und hat es nie bereut. Kein Wunder, Kasper König hatte ihr dazu geraten.
Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol 9/2024.