Medienschau

"Eine weitere preußische Simulation"

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Die "Welt" sucht die Front-Kämpferinnen der Avantgarde, viel rhetorischer Aufwand angesichts der wiedererstandenen Garnisonkirche und ein Buch über Kunstbetrüger Philbrick: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Debatte

Die ostdeutsche Kultur sei zu lange ignoriert worden, beklagt Carolin Würfel im "Guardian": "Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, war das der Anfang vom Ende der ostdeutschen Kunst und Literatur. Alles, was unsere Kulturgeschichte geprägt hatte, wurde weggedacht, weggeredet und weggeschrieben. Die Westdeutschen übernahmen die Hoheit über die Erzählung, und ihr Urteil war eindeutig: Der ehemalige DDR-Staat war in jeder Hinsicht falsch und nichts wert. Das bedeutete auch, dass Bücher, Theaterstücke, Gemälde, Skulpturen, Filme und Musik begraben und zurückgelassen wurden, weil auch sie als falsch galten." Solange sich das nicht ändert, werde Deutschland "gefährlich gespalten bleiben". Eine Gegenposition nimmt die Autorin Ines Geipel ein, die gerade in vielen Medien (zum Beispiel heute in Radio3) ihr neues Buch "Fabelland" vorstellt, das sich gegen ostdeutsche Opfererzählungen richtet. "Ja, wir sind nicht die Opfer, wir sind es tatsächlich nicht. Ja, wir haben agiert, wir sind auch nicht die Abgehängten, nicht die Übernommenen. Wir sind auch nicht die Kolonisierten. Wir stehen im Grunde ziemlich erstaunlich da", so Geipel vor ein paar Tagen im MDR.

Kunstgeschichte

Überall Ausstellungen zur ungeschriebenen Geschichte der weiblichen Kunst, stellt Hans-Joachim Müller in der "Welt" fest. Aber stimmt es eigentlich, das Klischee vom unterdrückten weiblichen Genie? Müller sieht zwar Pionierleitungen, die von Frauen erbracht wurden, aber sie seien nicht in dem Gestus entstanden worden, die Kunstgeschichte umzukrempeln: "Von solchem Freiheits- oder Befreiungsfuror scheinen die rekonstruierten Künstlerinnen-Milieus gänzlich frei. Was es zu sehen gibt, ist überwiegend Bildnis-Malerei, eindrückliche Porträtkunst und eher behutsame Ausblicke über die Atelier-Intimität hinaus. Starke Bilder – virtuos Traditionen aufnehmend und verarbeitend und dabei bekenntnishaft unzuständig für die rigiden Ansprüche irgendwelcher Neu- oder Letztbegründungen. Und mit ganz wenigen Ausnahmen hat keine der Malerinnen zum heroischen Exquisit-Personal gehört, von dem man erwarten darf, dass es einem sensationsbedürftigen Publikum die rätselhaften Faszinationsgegenstände malt. Keine gehörte zu den Front-Kämpferinnen der Avantgarde, die einmal angetreten war, um die Künste von all den lähmenden Erwartungen an sie freizukämpfen und das kulturelle Gedächtnis mit ihren stupenden Siegeszeichen zu besetzen."

Architektur

"Wie weiht man ein Symbol für Rechtsextreme ein?", fragt sich Ulrike Knöfel im "Spiegel" vor der Eröffnung des Turms der Potsdamer Garnisonkirche am Donnerstag. Auch Bundespräsident und Schirmherr des Wiederaufbaus Frank-Walter Steinmeier wird erwartet. "Womöglich geht er immerhin auf die Mahnungen der Turmgegner ein", so Knöfel. "Ganz sicher wird es nicht reichen, sich auf das Wechselvolle der Geschichte oder auf eine Wunde im Stadtbild zu berufen. Beides erklärt nicht die Notwendigkeit einer weiteren preußischen Simulation." Die Militärkirche von 1735 war im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, die Reste wurden 1968 auf Geheiß der SED-Führung gesprengt. Gegen den Wiederaufbau wenden sich mehrere Initiativen, darunter die Initiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche" und der "Lernort Garnisonkirche" der christlichen Martin-Niemöller-Stiftung. Sie sehen darin ein Militarismussymbol und befürchten einen Sammlungsort der Rechten. Im März 1933 hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg am "Tag von Potsdam" dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler vor der Kirche die Hand gereicht. Der evangelische Altbischof Wolfgang Huber wirbt für die Schaffung eines Friedensortes: "Der Turm ist sowohl ein architektonisches Mahnmal für die Stadt Potsdam als auch ein Gebäude, das mit einem neuen Inhalt versehen wurde, das auf Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie gerichtet ist", sagte der frühere Berliner Bischof und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland dem "Tagesspiegel". Mit der schwierigen Geschichte des Baus soll sich eine Dauerausstellung mit dem Titel "Glaube, Macht und Militär" befassen. Aber warum holt man problematische Bauten überhaupt zurück, nur, um sich wieder davon abgrenzen zu müssen, fragt Saskia Trebing in ihrem Monopol-Kommentar

Kunstmarkt

Im "New Yorker" liest Rosa Lyster die Memoiren von Orlando Whitfield über seine 15-jährige Freundschaft mit dem in Ungnade gefallenen Kunsthändler Inigo Philbrick. "Er beobachtete auch Philbricks Bereitschaft, Freundschaften 'unter dem Gewicht von Verzweiflung und absichtlicher Vernachlässigung verpuffen und implodieren zu lassen'. Dennoch war Whitfield erschrocken, als es ihm selbst passierte. Zusammen mit einem Partner hatte er seine eigene kleine Galerie gegründet und schlug sich gerade so mit gelegentlichen Geschäften auf dem Sekundärmarkt durch. Im Auftrag eines Kunden verkaufte er Philbrick bei einem Abendessen ein [Christopher-]Wool-Gemälde aufgrund eines Telefonfotos. Es war das bei weitem größte Geschäft, das Whitfield je gemacht hatte, und er konnte es sich nicht leisten, dass es schief ging. Da Philbrick wusste, wie knapp die Gewinnspanne seines Freundes war, verzögerte er die Zahlung der fünfhunderttausend Dollar, bot ihm Ausreden an, die nur wenig Aufwand bedeuteten, und gab ihm eindringliche Ratschläge, wie er die Erwartungen seiner Kunden erfüllen konnte, und ignorierte Whitfields verzweifelte Anrufe zwei Wochen lang. Zu diesem Zeitpunkt steckte Philbrick bereits bis zum Hals im Finanzchaos und im Betrug, und der Wool-Deal war nur einer von vielen, mit denen er jonglierte, während er mit zunehmender Anstrengung Geld hin und her schob."

Das "Handelsblatt" hat die aktuell wertvollsten Kunstwerke der Welt anhand ihrer auf Auktionen erzielten Verkaufspreise recherchiert. Auf Platz eins immer noch: "Salvator Mundi" von Leonardo da Vinci. Zu dem Verbleib des Gemäldes gibt es übrigens eine neue Theorie.

Film

Frankreichs Filmlegende Alain Delon soll auf seinem Anwesen La Brûlerie im zentralfranzösischen Douchy beerdigt werden, so wie er es sich wünschte. Das Begräbnis soll in kleinem Kreis Mitte dieser Woche stattfinden, berichtete der Fernsehsender BFMTV. Die Beisetzung soll in der zu diesem Zweck erbauten Kapelle erfolgen, neben seinen dort bestatteten zahlreichen Hunden. Delon ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren gestorben. Wie der Sender weiter erfuhr, soll zu einem späteren Zeitpunkt eine Zeremonie in Betracht gezogen werden, die es der Öffentlichkeit ermöglichen soll, ihm eine letzte Ehre zu erweisen. Der Schauspieler hatte mehrfach deutlich gemacht, dass er keine nationale Hommage wolle, wie Jean-Paul Belmondo oder Johnny Hallyday. Wie die Regionalzeitung "La République du Centre" berichtete, hat die Präfektur aus Sicherheitsgründen eine vorübergehende Flugverbotszone über dem riesigen Anwesen in der Region Centre-Val de Loire in geringer Höhe verordnet. Dorthin pilgern seit dem Tod der Filmlegende zahlreiche Menschen, um vor dem Eingangstor Blumen abzulegen. Das Flugverbot soll bis Mittwoch 21. August 22 Uhr gelten.