Debatte
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Kassel bestätigt, keine Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche und Künstler der Documenta 15 in Kassel wegen Volksverhetzung und Beleidigung aufzunehmen. Mehrere entsprechende Beschwerden seien nach eingehender Prüfung verworfen worden, da die angefochtenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft der Sach- und Rechtslage entsprächen. Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, wie er in einem Gastkommentar in der "Jüdischen Allgemeinen" darlegt: "Die Entscheidung der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft verwundert nicht. Sie passt sich ein in die beflissenen Versuche vieler Beteiligter, ein völlig misslungenes und an Inkompetenz und verweigerter Auseinandersetzung gescheitertes documenta-Kapitel hastig hinter sich zu lassen und zu neuen unbelasteten Ufern, sprich der nächsten documenta, aufzubrechen." Für Heubner hat diese Documenta-Ausgabe und die Auseinandersetzung mit ihr "der weltweiten Entwicklung des Antisemitismus und der Gleichgültigkeit ihr gegenüber ein weiteres Kapitel hinzugefügt".
Nachruf
Olga Kronsteiner schreibt im "Standard" zum Tod der Wiener Kunstsammlerin und Mäzenin Elisabeth Leopold, die am Dienstag im Alter von 98 Jahren gestorben ist und deren Sammlung seit 2001 im Wiener Leopold-Museum bestaunt werden kann: "Leopoldine die Streitbare, ein Beiname, den sich Elisabeth Leopold in den letzten Jahren redlich erarbeitete: Wenn es um die gemeinsam mit ihrem 2010 verstorbenen Ehemann Rudolf aufgebaute und weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Sammlung der Wiener Moderne ging, um deren Zukunft und um damit verbundene Projekte, die sie in den vergangenen Jahren mit einer bewundernswerten Energie verfolgte. Meist war ihr Enthusiasmus ansteckend, manchmal einschüchternd und als 'Dreinrederei' empfunden worden, bisweilen vielleicht ein klein wenig nervend. Am Ende überwog die Wertschätzung für ihre Verdienste: immer."
Malerei
Nell Frizzell kommentiert im "Guardian" den Hype um die Malerei eines Zweijährigen, den Deutschen Laurent Schwarz, dessen Bilder angeblich für mehr als 5000 Euro verkauft werden und der schon Bestandteil eines Markendeals mit dem deutschen Farbenhersteller Relius ist: "Die Geschichte wirft natürlich die uralten Fragen zur Ästhetik auf: Was unterscheidet wahre Kunst von einfacher Dekoration? Gibt es so etwas wie Talent oder ist alles nur eine Frage der Interpretation? Wem gehört ein Kunstwerk, und wer hat die Macht, es zu schaffen? Es zwingt auch dazu, die schiere Ungleichheit des Reichtums in der modernen Gesellschaft zu erkennen. In einer Zeit, in der laut Statischem Bundesamt gut 17,3 Millionen Menschen in Deutschland - etwa 20,9 Prozent der Bevölkerung - von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen oder bedroht sind, haben diejenigen, die es haben, offenbar immer noch genug Geld, um es für schöne Dinge wie Gemälde und Inneneinrichtungen auszugeben."
Der japanische Künstler Yoshitomo Nara, bekannt für seine naiven Motive im Stil von Kinderbuch-Illustrationen und Mangas, erklärt der BBC die dunkle Seite von Niedlichkeit und "Kawaii"-Ästhetik: "Laut Nara wird er, auch wenn es beim Betrachten seiner Werke nicht offensichtlich ist, ständig von 'Dingen beeinflusst, die nichts mit der Kunst zu tun haben', sagte er der BBC am Tag der Eröffnung seiner Retrospektive Yoshitomo Nara, die bis November im Guggenheim Bilbao in Spanien zu sehen ist. Stattdessen lässt sich Nara von seinen Unternehmungen inspirieren, 'wie dem Besuch von syrischen Flüchtlingslagern oder einer Reise nach Afghanistan', sagt er und erklärt, dass er in den 90er-Jahren etwa 120 Gemälde pro Jahr gemalt hat, um die Emotionen auszudrücken, die er nur schwer in Worte fassen kann. 'Ich begann damit, mich an die Gefühle und Emotionen meiner Kindheit zu erinnern, aber allmählich begann ich, über den Tellerrand hinauszuschauen, etwas über die Gesellschaft zu lernen und an verschiedene Orte zu reisen.'"
Ausstellung
Die "Berliner Zeitung" gibt Interessierten die Möglichkeit, "Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten" und veröffentlicht so auch manchmal Ausstellungskritiken von Nicht-Kritikern. Bürgerjournalist Dirk Lehr hat die Warhol-Schau in der Neuen Nationalgalerie in Berlin gar nicht gefallen, besonders der Fokus auf die Queerness in seinem Werk, der für ihn wie ein Versuch wirkt, dem Künstler "nachträglich ein Coming-out zu verschaffen": "Eingedenk seiner Gesamterscheinung und bewusst inszenierten Außendarstellung wäre ein explizites Coming-out Warhols mehr Realsatire gewesen, denn überraschendes Bekenntnis. Warhol war Warhol und er hat daraus nie ein Geheimnis gemacht. Er hatte es weder nötig, sich zu outen, noch bestand hierzu eine Verpflichtung, wovon die Kuratoren möglicherweise ausgehen. Schreitet man durch die Ausstellung wird man von nackten männlichen Hinterteilen, freiliegenden Penissen und Dragqueens regelrecht erschlagen. Die Grenze zur Effekthascherei ist schnell überschritten, die schiere Flut der sich gleichenden Bilder ermüdend. Die Konzentration auf drei zentrale Motive ist schlichtweg verunglimpfend. Das ist es also, was Queerness definiert? Homosexuelle Männer sollten Sturm laufen gegen diese plakative, stereotype Darstellung, die sie immer noch als durch und durch sexualisierte Spezies darstellt, die unisono davon träumt, Frauenkleider zu tragen."
Kunstmarkt
Sabine Spindler hat sich für das "Handelsblatt" die Kunstsammlung des Europäische Patentamts in München angeschaut: "Der rote Faden wird schnell sichtbar, wenn man weiter an Werken der Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz oder an den komplexen, mathematisch genauen Kompositionen der Dänin Malene Landgreen vorbeigeht. Es geht hier nicht um Imagepflege mit klangvolle Namen, auch wenn sie zahlreich vertreten sind. Die Kunst soll die hauseigene Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Innovationen kontern." Seit 2023 besitzt das Patentamt sogar einen kleinen Showroom.