Übermäßig attraktiv für Flaneure ist der Straßenzug Unter den Linden nicht – nicht einmal in der Nähe der Kreuzung mit der belebten Friedrichstraße. Hier ein Autokonzern, da ein Waschmaschinenhersteller, zwischendrin Souvenirlädchen – nicht dolle, wie der Berliner sagt. Da wurde es als Belebung begrüßt, als Ende November 2022 das Cold War Museum eröffnete, mit breiter Schaufensterfront, denn es nahm den 1600 Quadratmeter großen und auf zwei Geschosse verteilten früheren Showroom einer weiteren Automarke in Beschlag. Kurz nach der Eröffnung kam sogar Franziska Giffey vorbei, damals noch Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und ließ sich die eindrucksvolle Sammlung von Objekten der west-östlichen Eiszeit zeigen, von Raketen bis Abhörgeräten, samt dem vielen Propagandamaterial, mit dem beide Seiten Imagewerbung machten.
Damit ist es nun vorbei, und zwar für immer: Das Cold War Museum hat Insolvenz angemeldet. So richtig gemerkt hat es anfangs keiner. Erst in den vergangenen Tagen ging die Meldung in allen Medien herum. Tatsächlich wurde das Insolvenzverfahren bereits am 2. April eröffnet, "wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung", wie seitens des zuständigen Amtsgerichts Charlottenburg im Netz nachzulesen ist. Das Cold War Museum ist in der Rechtsform einer GmbH organisiert, und wie der Name andeutet, beschränkt sich die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen, hier also vor allem auf die Objekte in den Räumen Unter den Linden. Die werden demnächst an den Meistbietenden versteigert, um überhaupt etwas Geld zur Verteilung an die Gläubiger zu erlangen. Aber wer will schon ein originalgroßes Modell der US-Atombombe von 1945 haben? Dann doch eher das "Rote Telefon"?
Gestartet war das Cold War Museum mit bemerkenswerten Ambitionen. Noch in der knappen Abschiedsmitteilung auf der eigenen Website wird das Ziel beschworen, unter dem das Museum angetreten war: der "Promotion für ein modernes Hightech Museum der neuesten Generation". Man wollte "Impulsgeber und treibende Kraft für den lange überfälligen Wandel der Museen und vielversprechende Zukunft der Bildung als nachhaltiges Erlebnis" sein. Kritik an zu viel Show wies Gründer und Geschäftsführer Carsten Kollmeier schon zur Eröffnung zurück: Man wolle "diesen vielschichtigen Themenkomplex fakten- und wissenschaftsbasiert erzählen".
Die Schließung hinterlässt eine Lücke
"Faktenbasiert" ohne Zweifel, das konnte man bei einem Rundgang mit eigenen Augen erkennen. Es gab jedenfalls viel zu sehen und etliche interaktive Stationen, teils sogar mit 3D-Brille. Also so, wie man es von einer Geschichtsausstellung für ein vorwiegend jüngeres Publikum, das an die waffenstarrende Konfrontation von Ost und West keine eigene Erinnerung hat, erwarten kann - und heutzutage auch muss.
Nur hat offenbar der Besucherstrom auf Dauer nicht die Kosten decken können. Während sich am östlichen Ende des Linden-Boulevards das Deutsche Historische Museum viel Zeit lassen kann, seine Dauerausstellung auf den neuesten (Erkenntnis-)Stand zu bringen, muss eine privatwirtschaftliche GmbH tagtäglich auf seine Einnahmen achten.
Egal, was man von der effektreichen Inszenierung des Museums halten mochte – an seiner prominenten, zweifellos nicht eben preiswerten, aber auch nicht allzu sehr vom Tourismus verwöhnten Stelle Unter den Linden hinterlässt die Schließung eine Lücke. Und der vom Museumsgründer beschworene "Wandel der Museen" hat einen Antreiber verloren.