Es ist nicht unbedingt der erste Ort, an dem man in Freiburg im Breisgau nach Kunst suchen würde. Doch hier, im Industriegebiet, eingebettet zwischen Autohändlern, TÜV, Verkehrsübungsplatz und Recyclingzentrum liegt das zeitgenössische PEAC Museum, ausbuchstabiert die Paul Ege Art Collection. Der Namensgeber und Gründer Paul Ege war viele Jahre geschäftsführender Gesellschafter des Elektrounternehmens Alexander Bürkle, das direkt neben dem Kunsthaus liegt. Daher also der Standort. Eingekleidet in ein Material, das wie silber-metallisches Wellblech anmutet, fügt sich das Museum in sein industrielles Umfeld ein. Und so gibt der Ort von außen auch kaum Preis, was sich hinter seinen unscheinbaren Mauern verbirgt: eine kleine Schatzkiste für moderne und zeitgenössische Kunst.
In diesem Jahr feiert das PEAC Museum mit der Jubiläumsausstellung "Zwischen weißen Wänden" sein 20-jähriges Bestehen. Darin wird mit rund 70 Werken zurückgeblickt, die für die Entwicklung des Hauses "wegweisend" und "identitätsstiftend" gewesen seien. Von Installationen und Skulpturen über Fotografie bis hin zu Malerei wird ein breites künstlerisches Spektrum abgedeckt, das die unterschiedlichen Positionen und Ansätze der Sammlung widerspiegelt.
Im Mittelpunkt steht oftmals das Spiel mit den Materialien, die Wechselwirkung zwischen Publikum und Kunst. Was auf Distanz noch wie ein Gemälde aussieht, entpuppt sich beim Näherkommen mal als rechteckig gerahmter, poröser Beton mit rosa Farbpigmenten (Judith Kakon "Untitled (Learn to Lay Brick) IV, 2017"), mal als blau-gelb marmorierte Schaumstoffmatratze (Sophie Innmann "Form follows folding", 2020).
Die Finger wollen das Auge überprüfen
Die Betrachtende muss länger verweilen, vor den Werken innehalten, sonst wird sie auf die Tricks der Materialien hereinfallen. So auch bei Franziska Reinbothes unbetiteltem Werk aus dem Jahr 2017. Es wirkt wie eine Rothko-Referenz: Zwei dominante Farbfelder in Beige-Tönen, eines davon mit dunklerer Rahmung. Malerei, denkt man bei sich. Was soll es sonst sein? Dann steht die Betrachterin wenige Zentimeter davor und muss feststellen: Es sind unterschiedliche Stoffe. Leinwand trifft auf hauchzarten, semitransparenten Chiffon. Von der Naht, die die beiden Farbflächen miteinander verbindet, hat sich das Garn an einem Ende gelöst und hängt herab. Das Bedürfnis ist groß, mit dem Finger über die Stoffe zu fahren, die Haptik zu bestätigen, die das Auge sieht. Natürlich tut man es nicht.
Die beiden Kuratorinnen der Ausstellung, Lea Altner und Eveline Weber, lassen der Kunst Raum zum Atmen, das ist sehr angenehm. Die Werke haben auf den großen, weißen Museumswänden viel Platz für sich. Dadurch können sie im Dialog mit anderen Exponaten betrachtet werden, müssen aber nicht. Setzt man die Werke doch zueinander in Beziehung, hat gemeinsame Elemente gefunden, dann sind es meist die Installationen, die einen scharfen Bruch darstellen, verfremden.
Im Gedächtnis bleibt besonders Joachim Bandaus "Silbernes Monstrum" von 1970/71. Die silbrig schimmernde Maschine erinnert an einen weiblichen Torso ohne Kopf. Da, wo man die Brüste erahnt, ist ein Schlauch angebracht, der die beiden miteinander verbindet. Assoziationen mit dem Abpumpen von Muttermilch entstehen. Die Härte des Materials geht eine Symbiose mit der weichen, mütterlichen Silhouette ein.
Ein Rennen, das von Kollisionen bestimmt ist
Während "Zwischen weißen Wänden" unterschiedliche künstlerische Positionen einander gegenüberstellt, ist der letzte Ausstellungsraum ganz einer einzelnen Künstlerin gewidmet: Kelly Tissot. Die 29-Jährige hat in diesem Jahr den "Paul Ege Kunstpreis" gewonnen, der alle drei Jahre an eine junge Position aus dem Dreiländereck vergeben wird. Sie konnte die Jury mit ihrem künstlerischen Konzept aus Fotografie und Skulptur überzeugen.
Die gebürtige Französin, die heute in Basel lebt, widmet sich in ihren Arbeiten dem ländlichen Raum. Dabei sucht sie sich Motive, die mit der romantisierten Vorstellung des Landlebens brechen und eine andere Seite beleuchten. Als Teil der Jubiläumsausstellung des PEAC Museums zeigt sie die fotografische Schwarz-Weiß-Serie "Youth / Bows, bones and ribbons", die stark ramponierte Autokarosserien abbildet.
Es handelt sich um Fahrzeuge aus sogenannten Stockcar-Rennen, abgelichtet von der Künstlerin in ihrer französischen Heimatregion bei Annecy. Bei diesen Wettbewerben werden bereits stark beschädigte Gebrauchtwagen aufgepimpt, um dann mit diesen ein Rennen zu fahren, das von Kollisionen bestimmt wird. Als Kind sei sie öfter mit ihrem Vater als Zuschauerin dabei gewesen, erzählt sie.
Aus kaputten Autos werden Charaktere
Tissot hat die Karosserien nach ihrem Einsatz fotografiert. Zu sehen sind fensterlose Autos mit unzähligen Dellen, abgefahrenen Türen und Hühnerdraht anstelle einer Windschutzscheibe. Manche von ihnen zieren aufgesprayte Zahlen oder Sterne, auch eingeritzte Botschaften sind zu entdecken.
Der künstlerische Prozess beginnt bei Tissot nach der Motivwahl mit analogen Fotografien, die später auf unterschiedliche Trägermaterialien gedruckt werden. In diesem Fall sind es Leinwände, eingefasst in Stahlrahmen. Dabei arbeitet sie kinematografisch, baut zwei Sequenzen eines Motivs in ein Werk, spielt mit Beleuchtung und Kontrasten. Der Schwarz-Weiß-Effekt erzeugt ein melancholisches Moment in den Stillleben, formt aus den kaputten Autos Charaktere. Ab und zu erkennt man auf der glatten Leinwand Kratzer und Risse, die von den analogen Fotografien stammen. Trägermaterial und Abzüge verschwimmen miteinander.
Der kalte Stahlrahmen, der alle Bilder Tissots umschließt, findet sich auch in den beiden Skulpturen "Phantom of the valley floor / Twins", die ihre zweidimensionalen Werke ergänzen. Es handelt sich um rechteckige, stählerne Konstrukte auf dem Boden des Raums. Sie erinnern an brutale Tierkäfige, gleichzeitig spiegelt sich die Härte des Materials in den Schicksalen der Autos wider. Ob gewollt oder ungewollt – bei Kelly Tissots Kunstwerken spürt man eine subtile Beziehung zu der Umgebung des Museums. Das Außen verbindet sich mit dem Innen, der künstlerische Blick mit dem Industriellen, Maschinellen. Tissots Arbeiten nehmen eine originelle Perspektive ein und sind eine Bereicherung für die Sammlung des PEAC Museums.