Bildanalyse
Donald Trump kurz nach dem versuchten Attentat, blutend, mit in die Luft gereckter Faust vor US-Flagge: Der Anschlag bei Wahlkampfrede in Pennsylvania war kaum 24 Stunden her, da waren die Bilder von dem nur leicht verletzten, kämpferischen Ex-Präsidenten bereits ikonisch geworden und Gegenstand weitreichender Analysen. Ulrike Knöfel konzentriert sich im "Spiegel" auf die Symbolkraft der geballten Faust: "Unter anderem Revolutions- und Arbeiterbewegungen haben die Faust eingesetzt, kommunistische Gruppierungen und ebenso schwarze Bürgerrechtler. Die Olympischen Spiele von 1968 in Mexiko gingen auch deshalb in die Geschichte ein, weil die beiden afroamerikanischen Leichtathleten Tommie Smith und John Carlos bei einer Siegerehrung die Fäuste hoben und so gegen Rassismus protestierten. In den USA spricht man sogar von einer 'Black-Power-Faust', zitiert wurde sie dann von Black-Lives-Matter-Anhängern. Und so ist es natürlich doch zynisch, dass auch jemand wie Trump – reich, weiß, minderheitenfeindlich – auf das Symbol zurückgreift und es letztlich den Bewegungen stiehlt." Für Malte Lehming fügt sich das Bild perfekt in den Opferinszenierung des Wahlkämpfers: "Trump hatte den 'paranoid style' in der Politik perfektioniert. Lässt das Attentat auf ihn aus dem Wahn plötzlich Wirklichkeit werden?", fragt er im "Tagesspiegel". "Illustriert das Blut in seinem Gesicht, wozu seine Gegner fähig sind? So könnten es Anhänger von ihm deuten. In ihrer Lesart kehren sich sämtliche Vorhaltungen an die Adresse der Trumpisten – Zwietracht schüren und zur Gewalt aufrufen – gegen die Absender selbst. Das Blut im Gesicht macht Trump zum Opfer. Die zur Faust geballte rechte Hand macht ihn zum Kämpfer. Einer gegen alle. In dieser Pose schwingen biblische Motive mit – David gegen Goliath, Noah und die Sintflut, Jesus gegen die Pharisäer. Außerdem weckt sie Assoziationen an populäre Filme – High Noon, Rocky, Rambo."
Porträt
Interviews mit ihnen sind immer eine sichere Bank: Marion Löhndorf hat für die "NZZ" in London das Künstlerpaar Gilbert & George besucht, das immer überraschende Ansichten äußert. "Noch vor einem Jahr wurden sie für ihre Angriffe auf die Cancel-Kultur in der 'Financial Times' zitiert. Die Museen seien 'heute alle woke' hatte Gilbert damals gesagt. Unterdessen wollen sie von Statements wie diesen nichts mehr wissen. Stattdessen nähern sie sich dem Thema über einen Vergleich aus der Vergangenheit. 'Jahrelang wurden wir von Journalisten gefragt, warum wir schwarze Menschen auf unseren Bildern zeigten. Was für eine hässliche Frage! Keiner würde sie heute mehr stellen', sagt George. 'Und wir hatten immer dieselbe Antwort: weil wir sie nicht weggelassen haben.' Als ich nachhake, wird George deutlicher: 'Wir glauben, dass die westliche Welt voller verwöhnter Dummköpfe ist. Die Leute können in mehr Länder reisen als je zuvor, sie können in mehr Bibliotheken und Buchgeschäfte gehen. Es ist ein aussergewöhnliches Privileg.' Ihre Perspektive ist die einer anderen Generation: 'Wir erinnern uns an die Männer mit Augenklappen und Armen in der Schlinge; wir erinnern uns an die Rationalisierung der Nahrungsmittel, und wir haben das überstanden.'"
Nachruf
Bill Viola ist tot. Seine "Videokunst war die essenziellste und existenziellste, die man sich auf Magnetband vorstellen konnte", schreibt Stefan Trinks in der "FAZ". "Viele frühe Videokünstler begeisterten sich für die Grenzen und Unzulänglichkeiten des neuen Mediums, die Körnigkeit der Bilder, die Rückkopplungen und Interferenzen der Signale", schreibt Jörg Häntzschel in der "SZ". "Bill Viola ging den umgekehrten Weg: Er strebte altmeisterliche Perfektion an. Statt seine Videos in gestapelten Fernsehgeräten laufen zu lassen wie kurz vor ihm Nam June Paik, sollten seine Installationen an Museumswänden zu sehen sein – so prachtvoll und monumental wie Renaissancegemälde, nur eben bewegt. Und während für viele seiner Kollegen das neue Medium Video nicht zu trennen war von seiner Herkunft in Massenunterhaltung, Konsum, Celebrity-Wahnsinn und Überwachung, lauter Themen, mit denen sie sich in ihren Arbeiten beschäftigten, nutzte Viola es für zeitlose Reflexionen über Geburt, Leben, Tod, Spiritualität und darüber, was es heißt, ein Mensch, ein Lebewesen zu sein." Und Sophie jung stellt in der "taz" fest: "Bill Violas Überblendung von Bewegt- und Standbild mag eine einfache Idee gewesen sein, doch konnte er viele Fragen anregen, die er bis zuletzt in seiner Videokunst verfolgte, über die Technik und Täuschung der Medien, gar spirituell über Leben und Tod." Für Monopol hat Jens Hinrichsen einen Nachruf geschrieben.