Medienschau

"Für die kleinen Rädchen in Frankreichs großem Kulturgetriebe geht es ums Überleben"

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Was bei der Wahl in Frankreich für die Kunstszene auf dem Spiel steht, Rubens-Ölskizze kehrt nach Gotha zurück und der zwiespältige Hype afrikanischer Malerei: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg plant, Fördergelder künftig nur noch nach Prüfung durch den Verfassungsschutz zu vergeben und das Bundesministerium für Bildung und Forschung Förderzusagen zu widerrufen, nachdem mehr als 130 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Anfang Mai in einem offenen Brief die Räumung eines propalästinensischen Protestcamps an der FU Berlin durch die Polizei kritisiert hatten. Mark Siemons fasst in der "FAZ" die Diskussion um Eingriffsversuche des Staats in die Wissenschafts- und Kunstfreiheit zusammen. Die bisherige Debatte laufe "auf eine doppelte, scheinbar paradoxe Einsicht hinaus: dass es im Rechtsstaat auf eine präzise Unterscheidung und Abgrenzung der Ebenen ankommt, und zugleich, dass diese Ebenen auf eine gemeinsame soziale Wirklichkeit bezogen bleiben, deren Konflikte sich nicht vollständig bürokratisch-arbeitsteilig auflösen lassen. Weder die Kunstfreiheit noch die Staatsräson sind aus sich selbst heraus wirkende Prinzipien: Sie schützen die individuellen Künstler und Amtsträger nicht davor, im konkreten Fall miteinander zu streiten. Vorläufig scheint diese Vorstellung die Beteiligten aber eher zu beängstigen als zu beruhigen."

Auch bei der französischen Parlamentswahl am 7. Juli geht es nach einem möglichen Sieg des Rassemblement National offenbar um die Kunstfreiheit, wie Marc Zitzmann in der "FAZ" berichtet: "Für die kleinen Rädchen in Frankreichs großem Kulturgetriebe geht es buchstäblich ums Überleben. Der RN bedroht die Subventionen für die darstellenden Künste und für zeitgenössische Kunst, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Zehntausenden von Arbeitsstellen, die von diesem abhängen, das einzigartige System der Unterstützung für über 300.000 zeitweilige Kulturschaffende. Kommt der RN im Juli an die Macht, steht all dies auf der Kippe."

Museen

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie verschollen - nun kehrt eine Ölskizze von Peter Paul Rubens nach Gotha zurück. Die Stiftung Friedenstein Gotha erhält das Kunstwerk mit dem Namen "Der Heilige Gregorius von Nazianz", das um 1620 entstanden ist, von einem Museum in Buffalo zurück, das die Skizze 1952 in einer New Yorker Galerie gekauft hat, wie die "New York Times" berichtet: Das Buffalo AKG Art Museum, Nachfolger der städtischen Albright Art Gallery, habe nichts von der Aneignung und dem illegalen Verkauf des Werks gewusst und wird im Rahmen einer ausgehandelten Vereinbarung eine Entschädigung für das Werk erhalten. Das Museum in Buffalo wollte die Rubens-Skizze im Jahr 2021 über Christie's verkaufen, als die Provenienzforscher des Auktionshauses auf die schwierige Geschichte des Werks aufmerksam wurden. "Dirk Boll, stellvertretender Vorsitzender für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts bei Christie's in London, sagte: 'Wir konnten das US-Museum davon überzeugen, das Werk nicht auf einer Auktion anzubieten, sondern einen privaten Kaufvertrag abzuschließen, um das Werk nach Gotha zurückzubringen.'" "Der Heilige Gregorius von Nazianz" ist eine von fünf zusammengehörenden Ölskizzen von Rubens, die sich zum Teil schon ab dem frühen 18. Jahrhundert in den Sammlungen von Schloss Friedenstein Gotha befanden. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren alle fünf Skizzen verloren gegangen. Die Rubens-Rückführung kam mit Hilfe der Ernst-von-Siemens-Stiftung zustande.

In den Dresdner Kunstsammlungen wurde eine Ausstellung vor der Eröffnung abgesagt – wegen angeblicher Meinungsverschiedenheiten mit der Kuratorin Zoé Samudzi. Diese äußert sich nun zu ihren Rückzugsgründen, wie der "Spiegel" berichtet: "In einer auch in einer Instastory auf ihrem Account  veröffentlichten Erklärung betonte Kuratorin Samudzi nun, sie fühle sich 'zutiefst traurig und gedemütigt': Weil man mit ihr 'in einer Art und Weise gesprochen hat, die sich wie die Züchtigung eines ungezogenen Kindes anfühlte' und weil man 'meine wissenschaftliche Arbeit als ›Meinung‹ bezeichnet' habe. In ihrer Begründung für die Ausstellungsabsage betont Samudzi, es sei anders als bei vielen anderen Kontroversen jüngerer Zeit in deutschen Kultureinrichtungen 'im Kern nicht um meine Position zu oder meine Worte über Palästina' gegangen. Zentral sei vielmehr ihre direkte Aussage gewesen, 'dass Deutschland weiterhin den Völkermord an den Ovaherero und Nama leugnet'." 

Ausstellung

Aus Anlass der Gruppenausstellung "When We See Us" am Kunstmuseum Basel denkt Hans-Joachim Müller in der "Welt" über den Stellenwert der afrikanischen Malerei im westlichen Kanon nach. "Wo ist sie, die 'eigene Kunstgeschichte'? Verborgen jedenfalls in den Spielformen eines internationalen Stils, der wie das Smartphone weltweit zur Verfügung steht und überall gleich und gleich eingängig gehändelt und gehandelt wird. Mal ganz lebensnah, mal ein bisschen bizarr, aber allemal sichtlich darum bemüht, dem Erzählbild jenen Charme zu geben, der es zum kunstbetrieblichen Wertgegenstand macht. Ein stilistisches Allerlei wie in der Weihnachtsausstellung des örtlichen Kunstvereins." Vielleicht sei ja doch alles viel komplizierter, "als es der bildnerische Aufstand des 'Globalen Südens' lauthals suggeriert, der mit seinen 'eigenen' Erzählweisen das imperialistische Narrativ der dominanten Westkunst brechen möchte. Aufs Ganze gesehen fügen sich die aufständigen schwarzen Bilder geschmeidig in eine hundertjährige Bilanz der figurativen Malerei." Beate Scheder sieht viele "When We See Us"-Teilnehmende auf der Art Basel und fragt in der "taz" nach dem Zusammenspiel von Institutionen und Kunstmarkt: "Solch eine Präsenz in Museen oder bei Biennalen befruchtet wiederum die Geschäfte der Galerien. Die Goodman Gallery etwa verkaufte gleich am ersten Tag der Art Basel einen der 'Refugee Astronauts' von Yinka Shonibare CBE RA, ein weiteres Exemplar der Serie steht aktuell in der von Adriano Pedrosa kuratierten Hauptausstellung in Venedig. Für 250.000 britische Pfund ging die Skulptur an eine private Sammlung."

Klaus Hillenbrand bespricht in der "taz" eine Schau des Museums Schöneberg mit Fotos von jüdischen Familien während der NS-Zeit. "Die Bilder zeigen auch eine Wirklichkeit, aber eine des Alltags und der Nischen, die sich Jüdinnen und Juden bis zum Novemberpogrom 1938 selbst schufen. Ja, auch diese Menschen wollten leben und ein kleines bisschen glücklich sein. Ihre Träume verwirklichen und sich an die schönen Tage in ihrem Leben erinnern – und sei es in einem Fotoalbum. Deshalb dementieren diese Fotos aus sechs verschiedenen Alben auch nicht die Verfolgung. Sie ergänzen das Bild, das wir uns vom Leben unter dem NS-Regime machen, um den Aspekt des Privaten."

Kunstmarkt

Pablo Larios stellt im "Artforum" Beobachtungen auf der Art Basel an und stellt fest, dass die ältere Generation der Galerien ein Nachfolgerproblem haben: "Hans Mayer ist nicht mehr auf der Messe. Einst angesehene Galerien wie die 1970 gegründete Juana de Aizpuru in Sevilla, die zuletzt 2022 in Basel ausstellte, haben geschlossen, was offenbar mit dem Fehlen einer klaren Nachfolgeplanung zusammenhängt. Die 80 Jahre alte Marlborough Gallery, die einst Künstler wie Francis Bacon und Paula Rego vertrat, wurde diesen Monat offiziell geschlossen - nach einem längerfristigen Streit zwischen der Eigentümerfamilie und den Vorstandsmitgliedern. Im Moment scheint es unvorstellbar, dass eine Galerie wie Gagosian in einigen Jahren in einen Nachfolgestreit verwickelt sein könnte - aber was soll man von der Nachricht halten, dass Gagosians COO Andrew Fabricant, von dem einige glaubten, er sei in Gagosians Nachfolgepläne involviert, die Galerie abrupt verlassen hat, zusammen mit seiner Frau Laura Paulson, die das Beratungsgeschäft der Galerie leitete?" Dazu gibt es, in Tradition der seligen Rubrik "Scene & Herd", Bilder von jungen, schönen Menschen, denen die Zukunft gehört.

Zitat des Tages

Komplexe Zusammenhänge lassen sich nicht immer in eine einfache Sprache packen. Banalitäten anderseits klingen aber immer noch banal, wenn man sie in Schachtelsätzen formuliert und mehrfach betont. Besonders schön führt das mal wieder "Texte zur Kunst" vor: "Sobald Kunst gehandelt wird – sei es auf dem kommerziellen Markt, dem Markt des Wissens oder im Sinne symbolischer Anerkennung – ist sie, wie unsere Herausgeberin Isabelle Graw im Rahmen ihrer werttheoretischen Beobachtungen mehrfach betonte, eine Ware."