Medienschau

"Es gibt Identitätspolitik hier, Dekolonialismus dort"

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Art-Basel-Trends, AfD-Konvoi trifft auf Osten-Festival, Wohnsitze von Kuratoren des Brooklyn Museums beschmiert: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Kunstmarkt

"Es sind politisch angespannte Zeiten, in denen die aus aller Welt nach Basel angereisten Sammler die Kaufkraft zwar hätten, aber kaum die Lust, groß Geld auszugeben", beobachtet Susanne Schreiber auf ihrem Art-Basel-Rundgang für das "Handesblatt". "Sichtbarer Trend: Fast alle Aussteller gehen auf Nummer sicher, kein Bling-Bling; neue Namen jüngerer Künstlerinnen und Künstler, die noch nicht Millionen kosten, dominieren." Etwas diffuser wirkt die Szenerie auf Ursula Scheer in der "FAZ": "Es ergibt sich ein nuanciertes, nicht sonderlich aufregendes Gesamtbild. Sowohl Informel ist nicht totzukriegen, figurative Malerei aber auch nicht. Fotografie hat es schwer – obwohl mit Industriebildern von Andreas Gursky bei Sprüth Magers aus Berlin oder zu Sunil Guptas Einblicke in die indische Schwulenszene bei der Vadehra Art Gallery aus Neu Delhi Bemerkenswertes zu sehen ist. Es gibt Identitätspolitik hier, Dekolonialismus dort, Öko-Dystopien andernorts oder ironische Auseinandersetzungen mit der alten Avantgarde. Große Namen geben Halt." Offenbar nicht Philipp Meier, dessen Art-Basel-Besprechung in der "NZZ" von Ennui durchzogen ist: "Die Kunst wird hier zu Markt getragen. Sie steht zum Verkauf, nicht zum Genuss. Allenfalls zum Feilschen und Abwägen. Das Ja oder Nein interessiert rein monetär. Kritische Beurteilung fand früher statt. Zumindest bei den gestandenen Künstlernamen. Sie haben sich bereits bewährt. Hier haben sie ihren Auftritt als Labels und Marken der Kunstwelt. Hier erfüllen sie ihre gesellschaftliche Rolle als Statussymbole."

Aktivismus/Strafverfolgung

Laut "The Art Newspaper" untersuchen deutsche Behörden Social-Media-Posts des Londoner Künstlers und Documenta-Teilnehmers Hamja Ahsan, in denen er deutsche Politiker beleidigt haben soll. Einige der Beiträge wurden verfasst, während er sich auf britischem Boden aufhielt. "Ich betrachte meine verfassungsmäßigen und bürgerlichen Rechte nicht mehr als selbstverständlich", so Ahsan gegenüber The Art Newspaper. In einem Facebook-Post während der Documenta-Laufzeit kommentierte der Künstler ein von ihm geteiltes Video der britischen Tageszeitung "The Guardian" über das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Hamja Ahsan schrieb dazu: "Fuck Nato fuck neo-imperialist Germany fuck the EU I am glad not to be linked to this neoliberal fascist pig Olaf I don’t want him in my Documenta exhibition" (Fick die Nato, fick das neoimperialistische Deutschland, fick die EU, ich bin froh, nicht mit dem neoliberalen, faschistischen Schwein Olaf verbunden zu sein, ich will ihn nicht in meiner Documenta-Ausstellung). Er bezog sich damit auf Olaf Scholz‘ Entscheidung, die Documenta nicht zu besuchen – eine Reaktion auf das Abhängen des Taring-Padi-Banners mit antisemitischer Bildsprache und die bereits im Vorfeld der Ausstellung erhobenen Antisemitismusvorwürfe gegen das Kuratorenkollektiv Ruangrupa sowie teilnehmende Künstlerinnen und Künstler. Hamja Ahsan wurde nach seiner Rückkehr nach London mitgeteilt, "dass ihm im Falle einer Verurteilung eine Geldstrafe in Höhe von rund 12000 Euro droht; bei Nichtzahlung der Geldstrafe könnte er ins Gefängnis kommen. Er muss auch für seine eigenen Anwaltskosten aufkommen, für die er Crowdfunding betreibt. 'Es war mein Traum, an der Documenta teilzunehmen, seit ich im ersten Studienjahr war. Dieser Traum hat sich in einen langwierigen Albtraum verwandelt, der sich bis heute hinzieht', sagt Ahsan", so "The Art Newspaper".

Das Haus der New Yorker Museumsdirektorin Anne Pasternak wurde über Nacht beschmiert, offenbar aus Protest gegen die Beziehungen des Brooklyn Museums zu Israel: Rote Farbe wurde über die Eingangstür und die Fenster von Pasternaks Haus gespritzt, schreibt "Art News": "Zwischen zwei Säulen wurde ein Transparent entrollt, auf dem zu lesen war: 'Anne Pasternak / Brooklyn Museum / White Supremacist Zionist'. Darunter standen in kleinerer, roter Schrift die Worte 'Funds Genocide'. Berichten zufolge wurden auch die Wohnsitze mehrerer Kuratoren des Brooklyn Museums beschmiert, sagte der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, auf X." Das Brooklyn Museum sieht sich wie andere US-Kunstinstitutionen mit Aufrufen konfrontiert, seine finanziellen Verbindungen zu Israel zu kappen und einen Waffenstillstand in Gaza zu fordern. In vielen Fällen haben Aktivisten diese Institutionen auch dazu aufgefordert, Israels Militäraktionen in Gaza als Völkermord zu bezeichnen.

Ostdeutschland

Ida Luise Krenzlin war dabei, als im sachsen-anhaltinischen Wolfen ein Autokorso mit AfD-Rednern vor dem Zentrum des Osten-Festivals startete. In ihrer Reportage in der "Berliner Zeitung" schreibt sie darüber: "Dieses Aufeinandertreffen war von den Veranstaltern um die Leiter Aljoscha Begrich und Susanne Beyer nicht geplant. Wunsch der Veranstalter war es 'ins Gespräch zu kommen' mit den Bewohnern von Wolfen und Bitterfeld. Doch Austausch gab es zwischen den beiden Gruppen keine. Befremdung schon." Dafür gab es gegen das Festival einige Anzeigen: "Das Kunstwerk einer ukrainischen Künstlerin etwa, welches den Aufbau eines Molotowcocktails zeigt, wurde angezeigt, ebenso weitere Kunstwerke, die mit verfassungswidrigen Symbole spielen sollen. Momentan würden noch der Staatsschutz sowie die zuständige Staatsanwaltschaft ermitteln. Unter den inkriminierten Kunstwerken ist auch die Fotografie 'Kalb mit ins Fell rasiertem Hakenkreuz', eine dokumentarische Arbeit an der Rückwand des Kasinos. Das Festivalteam schreibt in einer Stellungnahme: 'Es hängt an einer Wand, auf der bereits zuvor rechtsextreme Symbole, darunter ein Hakenkreuz, eingeritzt waren. Darauf reagiert die Studierende mit ihrer Arbeit, um die fortlaufende Normalisierung rechtsextremer Inhalte zu beleuchten und zu kritisieren.'" Ein Monopol-Interview mit den Kuratoren lesen Sie hier.

Film

Das Lebensweg der Künstlerin Erika Giovanna Klien soll von einem italienisch-österreichischen Forscherteam verfilmt werden, meldet die Nachrichtenagentur APA (via "Die Presse"): "Als Hauptvertreterin des Wiener Kinetismus befasste sich Klien zeit ihres Lebens mit der Bewegung der menschlichen Figur – ausgehend vom Tanztheater. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen Museen im In- und Ausland vertreten."