Debatte
Andreas Platthaus empört sich in der "FAZ" über die Autorinnen Ronya Othmann und Juliane Liebert, die in der "Zeit" von ihrer Erfahrung in der Jury des renommierten Literaturpreises des Berliner Haus der Kulturen der Welt berichten haben (siehe Medienschau von gestern). Sie behaupten, dass es in den Jurysitzungen weniger um gute Bücher als um die Herkunft der Autorinnen und Autoren gehe. Platthaus findet "skandalös", dass bei beiden "Whistleblowerinnen" so konkret werden. Sie "verschweigen sie zwar die Namen der fünf anderen Juroren (die natürlich sofort im Netz auffindbar sind), referieren aber deren Argumente für und wider einzelne Bücher, bei denen es teilweise ad personam ging, schädigen also neben der eigenen Jury auch noch Autoren." Nele Pollatschek findet in der "SZ" gar nicht schlimm, dass es bei Preisen auch um Identitätspolitik geht: "Solange aber diejenigen, die Stellen zu vergeben haben, mitunter nicht in der Lage sind, die Qualifikationen qualifizierter Menschen zu benennen - sie also vielleicht gar nicht als geeignet erkennen würden, wenn sie sich nicht genötigt sähen, 'junge Frauen' zu besetzen - darf man natürlich sagen: Ich weiß, dass du denkst, du besetztest mich, weil ich eine junge Frau bin, aber in Wahrheit besetzt du mich, weil ich qualifiziert bin, es fällt dir nur schwer, das bei bestimmten Menschen zu erkennen, und deswegen brauchst du dieses identitätspolitische Hilfsmittel. Man darf sagen: Es wäre ungerecht, mich nicht zu besetzen, also nehme ich die Nominierung an, auch wenn du sie aus falschen Gründen triffst." In in Wahrheit seien "wir alle Nutznießer von Identitätspolitik".
Ausstellung
Erst kürzlich hat sich der Kasseler Documenta-Experte Harald Kimpel für ein Ende der Weltkunstschau ausgesprochen, jetzt plädiert er in der "Frankfurter Rundschau" für eine Verschiebung der nächsten Ausgabe, die für den Sommer 2027 geplant ist. Um den Abschied doch noch ein bisschen hinauszuzögern? "Früher oder später, eher früher, wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich die Erkenntnis durchsetzt: Die Documenta 16 muss verschoben werden", sagt Kimpel im Gespräch mit Lisa Berins. "Schon zwei Mal in sieben Jahrzehnten vorgekommen, wäre das auch diesmal institutionell problemlos zu verkraften. Es würde keinen Imageschaden hervorrufen, sondern zweifellos international als Einsicht in die Notwendigkeit honoriert werden. Und jedenfalls besser sein, als trotzig in die nächste Kasseler Krise zu steuern …"
Interview
Das New Yorker Kollektiv MSCHF kennt man vor allem als Erfinder der riesigen, roten, comicartigen Gummistiefel, die Witzbolde und Influencer für kurze Zeit auf Kunstmessen und auf Insta getragen haben (und die jetzt schon wieder so last season sind, dass sie in irgendwelchen Kleiderschränken verrotten). "Art Review" spricht mit dem Duo anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Perrotin in Los Angeles über Methoden und Strategien seiner Arbeit. "Wir haben im letzten Jahrzehnt viele Fälle erlebt, in denen Satire machtlos wird. In dem Maße, in dem Satire eine erkennbare absurde Zuspitzung eines bestehenden Impulses sein muss, kann man vielerorts nicht mehr weit genug gehen, um sie von Ernsthaftigkeit zu unterscheiden. Vielleicht liegt es an der Unwirksamkeit bestimmter kreativer Ansätze. Man sieht viele Künstler, die Dinge machen, von denen sie glauben, dass sie etwas bewirken, aber es fühlt sich so an, als ob sie es nicht tun."
Der angesagt US-Maler Henry Taylor stellt gerade im Berliner Schinkel Pavillon aus, Maxi Broecking hat für die "taz" mit ihm gesprochen. stellt den US-Künstler Henry Taylor erstmals in Deutschland aus. Kurz vor Ende der Ausstellung haben wir mit ihm gesprochen. In dem interview geht es darum, wie er selbst auf seine älteren Bilder schaut: "Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich am liebsten versuchen würde, nachträglich etwas zu reparieren. Als Thelonious Monk eine Platte aufnahm, sagte vielleicht der Bassist: 'Oh, Mann, ich wusste nicht, dass du das aufnehmen würdest. Es wird bleiben.' Das ist wie die 'Essenz der Existenz', wie mein Vater sagte. Gleichzeitig ist es ein großer Schmerz. Ich kann nicht zurückgehen und alles korrigieren."
Kunstgeschichte
Stefan Trinks spricht sich in der "FAZ" dagegen aus, dass das "Jüngste Gericht von Genf" Michelangelo zugesprochen wird, wie jetzt von einer Forscherin geschehen. "Denn stilistisch überwiegen eindeutig die gravierenden Unterschiede zum monumentalen Jüngsten Gericht von 1546, zuvorderst: Der Auferstandene auf dem Genfer Bild trägt Dreitagebart, den Christus bei Michelangelo nie trägt, nicht in Zeichnungen, nicht in Tafelbildern, erst recht nicht in Fresken."
Protest
Pro-palästinensische Studierende der University of the Arts London (UAL) haben den Empfangsbereich der Kunsthochschule Central Saint Martins besetzt, berichtet "The Art Newspaper". Sie fordern von der Universität einen sofortigen Waffenstillstand, den Austritt aus der Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), den Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts, sich für Palästina zu organisieren, sowie die Offenlegung und Auflösung aller Verbindungen zu zionistischen Institutionen.