Debatte
Die spalterische Debatte um den Nahostkonflikt zeigt die Überforderung des Kunstbetriebs mit seiner Politisierung. Das meint zumindest der Autor Tobias Rapp im "Spiegel" und sieht in den ganzen offenen Briefen der vergangenen Monate zunehmend einen Bekenntniszwang, der den universalistischen Anspruch der Kunst gefährde. "Das zu ändern, wird nicht schnell gehen. Und die Lösung wird sicher nicht sein, dem aktivistischen Druck nachzugeben und sich auf die eine oder andere Seite der vermeintlichen Lösung politischer Probleme zu stellen. Das führt nur noch tiefer in die Sektenlogik. In ein 'Leute wie Sie'. Im Gegenteil: Es wird vielmehr darauf hinauslaufen, die Kunst wieder als Möglichkeitsraum des Ästhetischen ernst zu nehmen. Als Ort, der einen schlauer oder dümmer und die Welt schöner oder hässlicher machen kann. Ein Ort, der uns ändert – und nicht die ganze Welt."
Einer der Architekten des Palastes der Republik kritisiert den Abriss des repräsentativen DDR-Baus: "Es war tatsächlich eine kulturgeschichtliche und umweltpolitische Fehlentscheidung, auch in städtebaulichem und stadtfunktionellem Zusammenhang", sagt Wolf-Rüdiger Eisentraut der "Berliner Zeitung". "Heute muss man aus historischer Sicht sagen: Die obsiegende Gesellschaft hat ein Kulturgut der Verlierer vernichtet. Der Abriss war von Anfang an politisch gewollt, der Wille schon weit vor dem Bundestagsbeschluss zum Wiederaufbau des Schlosses manifestiert", so der 80-Jährige. Dies alles sei aber nun Geschichte. Eisentraut gehörte zu einem Team von Architekten unter Heinz Graffunder, nach dessen Plänen der 1976 in Ost-Berlin eröffnete Prestigebau errichtet wurde. Als "Volkshaus" wurde der Bau in der Mitte von Berlin und damit der DDR-Gesellschaft angesiedelt. Der Palast der Republik basierte auf der Idee eines Kulturhauses als ebenso öffentlicher Ort der Bevölkerung wie repräsentativ für die Selbstdarsteller des Staates. Das Prestigeobjekt war daher sowohl Tagungsort des DDR-Parlaments Volkskammer als auch Jugendtreff mit Bowlingbahn. Nach der Wende wurde das mit Asbestmaterialien verseuchte Gebäude zunächst saniert und letztlich nach langen Diskussionen bis 2008 abgerissen. Auf dem Gelände entstand das deutlich größere Humboldt Forum mit der bis heute umstrittenen barocken Fassaden des historischen Hohenzollern-Schlosses an drei Außenseiten. Im Humboldt Forum ist auch als Auseinandersetzung mit dem historischen Ort vom 17. Mai 2024 bis 17. Februar 2025 die Sonderausstellung "Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart" geplant. Für Eisentraut war die Asbestsanierung nicht der entscheidende Grund für den Abriss des Palastes der Republik. Mit der Sanierung "wurde vor dem Palast-Abriss bewiesen, dass es durchaus möglich war, die gesamte Baukonstruktion asbestfrei zu machen", so der Architekt. "Asbest war kein Abrissgrund, bot aber ein willkommenes Argument. Vielmehr führten das gestörte Verhältnis der neuen Bundesrepublik zum übernommenen Erbe der DDR und politische Prämissen zur Abrissentscheidung."
Venedig-Biennale
Ein überforderter Jackson Arn kann sich in seiner langen, aber auch langweiligen "New Yorker"-Review der Venedig-Biennale - die erste, die er als Nachfolger von Peter Schjeldahl als Chef-Kritiker des Magazins schreibt - zu keinem Gesamturteil abringen: "Gut? Schlecht? Wenn man sich im Trancezustand des Pavillon-Hoppings befindet, ist es wahrscheinlich ehrlicher, darüber nachzudenken, was funktioniert und was nicht." Der deutsche Pavillon immerhin scheint zu funktionieren, denn Arn nennt ihn eine "Apotheose der post-good art": "Der Pavillon enthält mehrere Werke, darunter ein Video von Yael Bartana, das zwischen Waldhexerei und Raumschiff changiert, und eine nicht zuzuordnende Arbeit von Ersan Mondtag, die als erbärmliches, wütendes Denkmal für den Großvater des Künstlers gelesen werden kann, der an einer Asbestvergiftung starb. Für sich allein genommen wäre jedes Werk vielleicht nicht so gut gelungen - Bartanas Werk wäre vielleicht zu kitschig gewesen, Mondtags Werk zu düster, wie es sich gehört. Doch irgendwie schließen sie sich gegenseitig auf. Als ich durch Mondtags Nachbildung der Welt seines Großvaters wanderte, komplett mit Darstellern und Staubhaufen, erhaschte ich einen Blick auf den Weltraum von C.G.I., und die Obszönität dieser alten Familientragödie stach mich an, als wäre sie meine." Und sonst? "Es gibt großartige Dinge zu entdecken, was bei Hunderten von Künstlern aus der ganzen Welt auch besser so sein sollte. Die Giardini und das Arsenale beherbergen mehr Werke als mehrere respektable Museen zusammen - und dabei sind die verschiedenen Nebenausstellungen und die Handvoll nationaler Pavillons, die über den Rest der Stadt verstreut sind, noch nicht einmal mitgerechnet."
Gehört nicht direkt zur Biennale, aber vielleicht in ihr Umfeld: Der Unternehmer Nicolas Berggruen hat sich mit seiner Stiftung Berggruen Arts & Culture in Venedig niedergelassen, um die Stadt mit zeitgenössischen Werken zu beleben. "In Berlin hätten Sie zahlreiche Kreative vor Ort finden können", wirft Nicola Kuhn im "Tagesspiegel"-Interview ein. "Dort ist Ihr kulturelles Engagement erlahmt, etwa beim von Ihnen erworbenen Café Moskau, wo viel mehr hätte passieren sollen. Warum haben Sie dort Ihr Interesse verloren?" Das stimme nicht, widerspricht Berggruen. "Wir besitzen in Berlin nach wie vor Präsenz durch das Berggruen Museum. Die Sammlung gehört zwar heute der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aber wir engagieren uns weiterhin und unterstützen das Museum." Zurzeit sei es allerdings wegen Sanierung geschlossen, "und hier in Venedig zu Gast in der Accademia dell’Arte, wo Picasso, Klee und Giacometti in der Sammlung verteilt zu finden sind zwischen den Tiepolos und anderen alten Meistern. Anschließend geht das Museum nach Paris, nachdem es bereits in Tokio, Osaka, Peking und Shanghai auf Tournee war." Ein Monopol-Interview mit Berggruen zu Venedig als Sitz der Stiftung Arts & Culture lesen Sie hier.
In memoriam
Der US-Künstler Frank Stella ist am Samstag im Alter von 87 Jahren zu Hause in New York an Krebs gestorben. "Frank Stella hat nichts anderes versucht, als den Kosmos der abstrakten Malerei allein zu besetzen", schreibt Till Briegleb in seinem "SZ"-Nachruf. "In seiner über 65 Jahre dauernden Karriere startete er mit der Bildsuche vom kleinstmöglichen Ausgangspunkt, dem 'Schwarzen Quadrat' von Malewitsch, um später zur buntestmöglichen Explosion des Gemäldes im Raum zu gelangen, wo Malerei wie raumfüllendes Chaos aussah. 'Vom Minimalismus zum Maximalismus' nannte Stella diese Entwicklung seiner Bild-Expansion über zahlreiche Seitenwege, die ihm viele Superlativ-Komplimente und Retrospektiven eingebracht hat, aber auch manchen Schmäh." Für die "FAZ" erinnerst Stefan Trinks an den Maler: "Warum Stella zu den Hauptvertretern der sogenannten Analytischen Malerei und des Hard Edge zählt, erklärt sich nicht zuletzt durch sein Studium der Geschichte in Princeton und insbesondere bei dem Kunsthistoriker der Moderne William C. Seitz. Beides befähigte ihn, der Gefahr der Beliebigkeit der reinen Form durch deren Verankerung in der Geschichte zu begegnen." Judith von Sternburg schreibt in der "FR": "Kunst allein um der Kunst Willen herzustellen, war freilich eine zentrale und dauerhafte Stella-Setzung. Kunst sollte nicht bedeuten, sondern sein. Dazu passten, auch wenn es die Kunstwelt verwirrte und die Kunstkritik nicht immer überzeugte, rabiate Kehrtwendungen und Neuanfänge."
Petra Bamberger wohnt in einem Haus in Hamburg-Blankenese, in dem einst der Künstler Horst Janssen gelebt und gearbeitet hat – und findet überall seine Spuren. Nun musste sie ausziehen. Zum Abschied schreibt die Autorin in der "Zeit" über ihr Leben in der "Burg des Meisters": "Am 30. April dieses Jahres endete mein Mietvertrag. Aus den ursprünglich angedachten zwei Übergangsjahren wurden sieben im Mühlenberger Weg. Besondere Jahre an einem besonderen Ort. 1994 erlitt Janssen seinen ersten Schlaganfall. 1995 starb er im Erdgeschoss. Dass das Poltern auf dem Dachboden nicht sein Geist, sondern ein Marder war, weiß ich unterdessen. Aber nicht selten hatte ich trotzdem das Gefühl, er ist noch dort."
Fotografie
Anfang nächsten Jahres soll das Foto Arsenal Wien eröffnen, eine Testphase im Museumsquartier endet jetzt. Der frühere C/O-Berlin-Kurator Felix Hoffmann hat die künstlerische Leitung und antwortet in der "Presse" auf drei Fragen von Almuth Spiegler, die ihn damit konfrontiert, dass bislang nur wenige Besucher und Besucherinnen den Weg ins Übergansgquartier gefunden haben. Ist Hoffmann frustriert? "Nein, das ist ein Gerücht, ich bin immer noch frohen Mutes. Die Arbeit ist aufregend und herausfordernd. Wir dachten beim Standort im Museumsquartier auch nie daran, hier Massen anzulocken, das war immer als Interimssituation angelegt. Was für eine völlig neue Institution natürlich schwer ist. Aber wir waren froh, dass wir diese Räume ein Jahr nutzen konnten."