Sie eröffnen mit der Venedig-Biennale eine Galerie in Venedig. Was haben Sie in der Lagunenstadt vor?
Neben Einzelausstellungen steht in Venedig der Dialog von Künstler:innen mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten im Vordergrund. Dabei schlagen wir insbesondere eine Brücke nach Italien. Wir zeigen von uns vertretene Künstler:innen und auch Positionen, die wir nicht als Galerie repräsentieren. Ziel ist es, unser Programm konzentriert zu erweitern und auch die Zusammenarbeit mit KuratorInnen zu verstärken. Künstler:innen werden darüber hinaus die Möglichkeit haben, im Rahmen einer Residency über einen längeren Zeitraum vor Ort zu arbeiten.
Beschreiben Sie doch bitte mal den Ort, in dem Sie die Räume eröffnen.
Der Ort, der vielen Venizianer:innen bekannt ist, ist das ehemalige Atelier der berühmten Fashion-Designerin Roberta di Camerino, die mit Hollywoodgrößen wie Grace Kelly und Künstlern wir Salvador Dali arbeitete. Zuletzt wurde das Studio von ihrer Tochter geleitet, die wir persönlich kennenlernen durften.
Was zeigen Sie in der Eröffnungsausstellung?
In der Eröffnungsausstellungen setzen wir die Malerei von Mary Ramsden aus London mit den Skulpturen von Marion Verboom aus Paris und den Fotografien Anastasia Samoylovas aus Miami in Beziehung und lassen diese jüngeren Künstlerinnen auf ein Monumentalgemälde von Enzo Cucchi aus den späten 1980er-Jahren treffen. Alle drei Künstlerinnen setzen sich intensiv mit Venedig auf unterschiedlichen Ebenen auseinander. Anastasia, die in ihren Fotografien Analogien zwischen den ökologischen Krisen der Überflutungen in Venedig und den USA oder Bezüge in der Architekur beleuchtet. Marion recherchierte vor Ort, unter anderem in Murano, im Museum Ca‘ d’Oro, dem Museo di Palazzo di Grimani, Galleria dell’Accademia. Mary Ramsden präsentiert eine neue Serie von Gemälden, die sich auf Anne Carsons 44-seitiges Prosagedicht "Canicula di Anna" bezieht. Diese Konfrontation mit Enzo Cucchi und seiner Thematisierung der conditio humana funktioniert im besten Sinne.
Werden Sie vor Ort Mitarbeiterinnen haben?
Die Galerie wird von unserer italienischen Direktorin Lucia Longhi geleitet.
Italien gilt als ein Land mit ausufernder Bürografie. Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit der Verwaltung gemacht?
Wir haben bislang sowohl mit französischer als auch deutscher Bürokratie viel zu tun gehabt, aber die italienische toppt alle in einem solchen Maße, dass selbst die Italiener:innen an ihr verzweifeln.
Wen sehen Sie als potenzielle Kunden – Italiener oder Venedig-Besucher?
Beides. Für die Eröffnung und die Folgemonaten haben sich bereits einige Sammlergruppen aus dem In- und Ausland angekündigt.
Warum gibt es kaum internationale Galerien in Venedig? Man würde doch ein Gagosian Venice hier vermuten oder eine aufgepeppte Immobilie von Hauser & Wirth. Stattdessen fällt mir nur Victoria Miro mit einer Venedig-Filiale ein …
Anders als Metropolen wie Paris und London "entschleunigt" die Stadt mit ihren vielen Wasserwegen. Die Beschäftigung mit Kunst hat hier ihr ganz eigenes Tempo. Auch ist die Vielzahl an bedeutenden Sammlungen, Museen, Stiftungen in außergewöhnlichen Gebäuden so groß, dass es hier eher schwerfallen würde, über die reine "Größe" aufzufallen. Die Leute, die nach Venedig kommen, suchen ja gerade den Gegenpol zum allgemein gängigen Marktgeschehen.
Anderseits sind Galerien auf der Venedig-Biennale selbst sehr präsent. Dass die Biennale eine Plattform für den Kunstmarkt ist, wird oft kritisiert. Sie hatten auch schon Künstlerinnen auf der Venedig-Biennale, welche Erfahren haben Sie gemacht?
Natürlich hilft es Künstler:innen, die auf der Biennale vertreten sind, einen Moment der Aufmerksamkeit auf ihr Werk zu generieren. Da die Anzahl der präsentierten Positionen aber von Jahr zu Jahr zu wachsen scheint, wird es schwieriger, sich in dieser "Vielzahl" noch Gehör zu verschaffen und einen umfangreicheren Einblick in das Werk zu geben.
Das Interview wurde schriftlich geführt