Medienschau

"Man ist fundamental verändert"

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Die Donald Judd Foundation verklagt Kim Kardashian, Inigo Philbrick wieder auf freiem Fuß und Nick Cave über seine Skulpturen und den Tod seiner Kinder: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Architektur

Eine mexikanische Modemarke verarbeitet die Fassade des berühmten New Yorker Seagram Building als Camouflage-Look, und die "Süddeutschen Zeitung" findet darin eine lässige Pointe der Baugeschichte: Architektur statt Flecktarn. Die Modemarke 101% aus Mexiko-Stadt bedruckt Streetwear mit der Fassade des Gebäudes, das wie kein anderes die Nachkriegs-Moderne repräsentiert. Die Zusammenarbeit der beiden Architekten, Mies van der Rohe und Philip Johnson, "soll übrigens nicht besonders gut gewesen sein seinerzeit", weiß Gerhard Matzig. "Der aus Nazi-Deutschland emigrierte Ex-Bauhaus-Direktor Mies, der sich zuvor allerdings vergeblich den Nazis angedient hatte, brauchte in den USA einen dort sesshaften Kollegen: Johnson. Mies fand aber, er sei das Genie. Und der Johnson eben nur der Johnson. Daher kam Mies nicht vor elf Uhr morgens in das gemeinsame Büro, um anderthalb Stunden später zum Lunch zu gehen, der grundsätzlich mit zwei Martini-Cocktails einzuläuten war. Ab und zu war Mies wohl auch im Büro. Die Augen geschlossen. Nachdenkend, wie er meinte. Währenddessen hatte Johnson alles am Laufen zu halten."

Kunstmarkt

Die Donald Judd Foundation hat Kim Kardashian verklagt, weil sie behauptet, Tische in ihrer Firma seien von dem berühmten Minimalisten entworfen worden. Wie die "New York Times" berichtet, geht es in der Klage um ein Werbevideo, das Kardashian 2022 veröffentlichte. Darin führt sie durch die Büros ihrer Firma Skkn by Kim und weist auf bemerkenswerte Objekte hin, darunter auch auf die von ihr so genannten "Donald-Judd-Tische". Kardashian lobt Judd, dessen Werk 2020 in einer Retrospektive im Museum of Modern Art gewürdigt wurde, und sagt, dass die Tische "völlig mit den Sitzen verschmelzen". Die Judd Foundation wehrt sich jetzt gerichtlich gegen die Behauptung des Reality Stars, im Besitz von original Donald Judd Mobiliar zu sein. Außerdem verstößt Kardashian gegen ein Prinzip der Stiftung: "Verbraucher werden wahrscheinlich glauben, dass die Judd Foundation und die Marke Donald Judd mit Frau Kardashian geschäftlich verbunden sind oder sie anderweitig sponsern oder unterstützen", heißt es in der Klage, die von der "NYT" zitiert wird. "Die Judd Foundation verbietet ihren Kunden grundsätzlich, gekaufte Donald Judd-Möbel für Marketing- und Werbezwecke zu verwenden."

"The Art Newspaper" meldet die Freilassung von Inigo Philbrick. Im Jahr 2022 war der Betrüger zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Zuvor hatte Philbrick Dutzende äußerst vermögende Sammler glauben lassen, sie besäßen Anteile an wertvollen Kunstwerken. Er brachte sie um mehrere Millionen Dollar. Benjamin Sutton erinnert sich daran, wie Philbricks kriminelle Machenschaften, sein Abtauchen und seine anschließende Verhaftung in den Jahren 2020 und 2021 das Gesprächsthema in der Kunstbranche bestimmten: "Für viele verdeutlichte sein Fall die Risiken eines Marktes, auf dem Transaktionen in sieben- und achtstelliger Höhe mit wenig bis gar keinen Unterlagen abgewickelt werden können und die Identitäten von Verkäufern und Käufern leicht vor den Behörden und voreinander geheim gehalten werden können."

Museen

Mit der "Uni-Ferkelei" von 1968 wurden die Wiener Aktionisten berühmt. "Zu den Klängen der österreichischen Nationalhymne wurde gekotzt und masturbiert", erinnert sich Paul Jandl in der "NZZ" zwischen Faszination und Abscheu. In Wien widmet sich ein neues Museum jetzt dieser radikalsten aller österreichischen Kunstrichtungen, dem Wiener Aktionismus. Ein schwieriges und nur halb geglücktes Unterfangen, findet Jandl.

Interview

Der "Guardian" besucht den Sänger und Jetzt-auch-Künstler Nick Cave, der demnächst eine Ausstellung mit Skulpturen bei Xavier Hufkens in Brüssel eröffnen wird. Es handelt sich um 17 Keramikfiguren, die er im Atelier seiner Frau, der Modeschöpferin Susie Cave, herstellt. "Die Stücke sind auf eine gruselige, Cave-eske Weise atemberaubend, allesamt blutige pastorale Idyllen. Aber als Serie sind sie am stärksten. Die Skulpturen, die von Staffordshire-Keramik aus der viktorianischen Ära inspiriert sind, bilden eine schockierende und zutiefst persönliche Erzählung", schreibt der Journalist Simon Hattenstone, mit dem Nick Cave auch über den Tod seiner Söhne spricht. Er glaube nicht, dass man eine solche Erfahrung hinter sich lassen und damit abschließen könne, sagt der 66-Jährige. Wenn jemand sage, man solle sich ein paar Jahre geben und dann werde das Leben wieder, wie es gewesen sei: "Das passiert nicht. Man ist fundamental verändert." Man sei ein anderer Mensch und gleichzeitig fühle sich die Welt bedeutungsvoller an. Caves Sohn Arthur war im Jahr 2015 im Alter von 15 Jahren tödlich verunglückt. Im Jahr 2022 gab Cave auch den Tod seines Sohnes Jethro bekannt. Nach dem Tod von Arthur seien sie nach Los Angeles gezogen, um Abstand zu gewinnen. Er habe damals viel Güte von anderen Menschen erlebt, sagt der Frontmann der Band Nick Cave and the Bad Seeds. "Ich bekam einen Brief nach dem anderen, adressiert an: 'Nick Cave, Brighton'." Das sei außergewöhnlich gewesen und diese Aufmerksamkeit, diese Gemeinschaft sei für ihn hilfreich gewesen. In dem Interview spricht er auch über Schuldgefühle und seine Wertschätzung für das Leben. In der Vergangenheit habe er es auch als Akt des Trotzes betrachtet, wieder glücklich zu werden. Dem "Guardian" zufolge ist das für ihn heute nicht mehr die richtige Wortwahl. "Das klingt ein bisschen zu heroisch", wurde Cave zitiert. Dass er sich über sein Leben freuen könne, sei das, was seine Kinder gewollt hätten. "Ich glaube, es ist eine weichere Beziehung, die wir heute zur Welt haben."