Rutscht Sachsen weiter nach rechts? Unter anderem darüber werden die Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni, sowie die Landtagswahl am 1. September entscheiden. Doch bereits die letzten Wahlen zeigten: Keineswegs alle Menschen machen von ihrem Abstimmungsrecht Gebrauch. Die Aktion "#Machdeinkreuz“ will das ändern. Mit Demokratiefesten, einer umgestylten Stimmzettel-Urne und kostenloser Kunst soll Lust auf das demokratische Recht aufs freie, gleiche und geheime Wählen gemacht werden. Hinter der Idee steckt das Kollektiv Kompliz*, das über 140 kulturelle Initiativen und Einrichtungen in Sachsen vereint. Auch Ludwig Henne vom Netzwerk für Demokratische Kultur gehört dazu. Hier erzählt Henne von der Initiative und wie man mehr Menschen auf dem kulturellen Weg erreicht.
Ludwig Henne, das politische Klima ist dieses Jahr durch die vielen Krisen und den spürbaren Rechtsruck ein anderes als bei der letzten Europawahl 2019. Gleichzeitig gab es auch Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein, wird sich daraus eine höhere Wahlbeteiligung ergeben?
Mein Leben und meine politische Arbeit finden in Sachsen statt. Das Problem des Rechtsrucks ist hier schon lange präsent. In diesem Jahr kommen noch die Kriege in der Ukraine und in Nahost hinzu. Es ist spürbar, dass sich wieder mehr Menschen für Politik interessieren und gesellschaftspolitisch engagieren. Ich bin optimistisch, dass sich dies auch in einer höheren Wahlbeteiligung niederschlagen wird. Aber es ist immer noch Luft nach oben. Meiner Meinung nach gelingt es den extrem rechten Strukturen leider sehr gut, die eigenen Leute für Wahlen zu mobilisieren. Wir wollen mit unserer Aktion dagegenhalten und viele andere Menschen dazu ermutigen, wählen zu gehen.
Die Aktion "#Machdeinkreuz" haben Sie zusammen mit vielen kulturellen Organisationen und Kunstschaffenden initiiert. Wie kam die Idee zustande?
Die Idee kommt von Kompliz*, einem Netzwerk, das sich für ein demokratisches Sachsen einsetzen. Ziel ist es, alle miteinander ins Gespräch zu bringen und zur Zusammenarbeit anzuregen. Mit verschiedenen Formaten tut Kompliz* dies schon seit 2017. Im vergangenen Jahr gab es einen Aktionstag zu den Wahlen 2024. Dabei ging es um die Möglichkeiten, die wir als Kunst- und Kulturschaffende haben, um uns mit unseren Mitteln in diesem politischen Bereich einzubringen. Im Gespräch wurde schnell klar, dass uns zwei Dinge besonders wichtig sind: Zum einen möchten wir Nicht-Wählende ansprechen. Die Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl war in Sachsen mit teilweise nur knapp über 50 Prozent relativ niedrig. Zum anderen werden die Wahlen meist nicht in den Großstädten, sondern in Kleinstädten und Kommunen entschieden. Wichtig ist uns daher, dass unsere Aktion vor allem auch in ländlichen Regionen präsent ist.
Wie sieht die Aktion "#Machdeinkreuz" konkret aus?
Unsere Initiative realisiert drei Projekte: Künstlerinnen und Künstler, die in Sachsen leben und arbeiten, haben Designs und Kunstwerke für Plakate und Flyer beigesteuert, die auf die anstehenden Wahlen in Sachsen hinweisen. Diese gibt es kostenlos als Download auf unserer Website. Sie können überall geteilt und verteilt werden, ob in den sozialen Medien, an der eigenen Wohnungstür oder im Schaufenster der Tankstelle. Den zweiten großen Teil unserer Aktion bilden die sogenannten Demokratiefeste.
Wie sollen die aussehen?
Wir haben einen Aufruf an Kulturschaffende gestartet, die sich einbringen und in ganz Sachsen bei Veranstaltungen dabei sein wollen. Es sind schon echt viele, und es werden täglich mehr. Dabei sind Workshops, Konzerte, Theaterstücke oder Kinoabende. Alle Menschen in Sachsen sind wiederum eingeladen, sich zu melden, wenn sie Veranstaltungen rund um die Wahlwochenenden planen, egal ob Jugendclub, Feuerwehr oder Kirchgemeinde. Unser Team wird bei der Planung unterstützen und dann auch vor Ort dabei sein.
Und der dritte Teil?
Ein drittes Projekt widmet sich unter dem Titel "Schöner wählen" der Umbenennung und Umgestaltung der Wahlurne. Der Begriff "Urne" ist ja nicht besonders positiv aufgeladen. Das wollen wir ändern. Es werden Namensvorschläge gesammelt und im Rahmen einer Social-Media-Kampagne veröffentlicht. Alle Projekte laufen unter dem Hashtag "#Machdeinkreuz". Von der Aktion erhoffen wir uns, dass wir nicht nur die demokratische Pflicht des Wählens vermitteln, sondern auch positiv besetzen.
Die Motive der Plakate reichen vom klassischen Wahl-Slogan bis hin zum abstrakten Kunstwerk. Wie sah der Arbeitsauftrag der Künstler und Künstlerinnen aus?
Es gab keinen Auftrag. Wir haben Künstlerinnen und Künstler von unseren Plänen erzählt und angefragt, ob sie einen Beitrag leisten wollen. Mit dem Künstler David Schnell und seinem Verein Land in Sicht arbeiten wir zum Beispiel seit vielen Jahren eng zusammen. Auch er hat ein Motiv beigesteuert. Bedingungen oder Richtlinien für die Umsetzung der zum Teil extra für die Aktion entstandenen Kunstwerke gab es nicht, nur den Hinweis, dass wir nicht parteipolitisch agieren. Dementsprechend unterschiedlich sind die Beiträge ausgefallen. Bei manchen Motiven erkennt man das Thema durch Kreuze oder Stimmzettel direkt, andere vermitteln es subtiler.
Glauben Sie, dass man mit Kultur mehr Menschen erreicht als mit klassischem Wahlkampf?
Ja, auf jeden Fall! Ich arbeite beim Netzwerk Demokratischer Kultur in Wurzen und somit im ländlichen Raum, circa 30 Kilometer von Leipzig entfernt. Meiner Erfahrung nach ist das Entscheidende, Kommunikation herzustellen. Gerade an öffentlichen Orten, an denen Menschen zusammenkommen können. In ländlichen Gegenden gibt es wenig Kneipen, kaum kulturelle Angebote oder Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen. Menschen, die im Umland wohnen, fahren für kulturelle Erlebnisse oft nach Dresden, Chemnitz oder Leipzig. Wir versuchen, dem entgegenzuwirken und mehr Angebote in kleinen Ortschaften und Städten zu schaffen, sodass eben diese Orte des Austauschs entstehen können. Ob das nun ein Kulturmarkt, ein kleines Theaterstück oder ein Kinofilm mit anschließender Diskussion ist, spielt dabei gar keine große Rolle. Durch solche Veranstaltungen können wir am besten für unsere Anliegen werben, möglichst viele Menschen erreichen und mit ihnen ins Gespräch kommen.
Jetzt möchten Sie ja nicht nur, dass die Menschen wählen, sondern optimalerweise auch noch demokratisch gesinnte Parteien. Wie schlägt man diese zwei Fliegen mit einer Klappe?
Bei der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl 2019 oder auch der Parlamentswahl in Polen im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass vor allem die hohe Wahlbeteiligung dazu geführt hat, dass die Stimmen rechter Parteien verhältnismäßig runtergegangen sind. Das ist letztlich auch das Ziel, das wir erreichen wollen. Wir richten uns nicht explizit gegen eine Partei. Wir glauben, dass es noch genügend Wählerpotenzial gibt. Und unsere Aktion wird hoffentlich dazu beitragen, dass mehr Menschen wählen und in den kommenden Monaten das Wählen als ein Fest der Demokratie feiern. Je mehr Menschen mitmachen, umso besser. Auf unserer Website heißt es daher aktivierend: "Du hast eine schöne Stimme! Mach dein Kreuz für Vielfalt und trage dazu bei, dass es viele tun!"