Medienschau

"Offenbar ist der Dialog an manchen Punkten momentan nicht möglich"

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Reaktionen auf die Proteste bei der Bruguera-Performance in unserer Presseschau am Dienstag

Bruguera-Störaktion

Im "Spiegel"-Interview mit Tobias Rapp spricht Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, über die Störaktion im Hamburger Bahnhof in Berlin, die am Wochenende zum vorzeitigen Abbruch der Hannah-Arendt-Lesung in der Performance "Where Your Ideas Become Civic Actions" von Tania Bruguera geführt hat. Mirjam Wenzel war eingeladen in der 100-Stunden-Lesung aus "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" von Hannah Arendt auch eine Passage zu lesen. Nach etwa zehn Minuten sei eine Gruppe von draußen hereingekommen. "Sie setzten sich in die erste Reihe, die meisten trugen Palästinensertücher und lasen von ihren Handys einen Text vor, in dem es hieß, ich sei eine 'Zionistin', eine 'Rassistin', ich würde mich für Solidarität mit Israel einsetzen und so den 'Genozid in Gaza' unterstützen. Dann fingen sie an Parolen zu skandieren und zu filmen." Wenzel meint, dass sie gezielt angegriffen und für den Krieg in Gaza verantwortlich gemacht worden sei , weil sie das Jüdische Museum Frankfurt leite.

"Die Aktion sollte nicht überbewertet werden", sagt Sebastian Frenzel, der stellvertretende Monopol-Chefredakteur, in der SWR2-Sendung "Kultur aktuell". Denn es seien 20 bis 30 Aktivisten gewesen, die nun ihre Aufmerksamkeit erreicht hätten, aber das sage nichts über die aktuelle Stimmung der Berliner Kunstwelt aus. Es gäbe Konflikte und einen zunehmenden Antisemitismus, aber diese seien nicht auf die Kulturwelt beschränkt, so Frenzel, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. Er sei der Meinung, dass die Kulturwelt "nicht so gespalten ist, wie man vielleicht glaubt“ und dass "ein Dialog in der Kunst durchaus noch möglich" sei.

"In ihren Reflexionen über das gemeinsame Sprechen verwies Hannah Arendt darauf, dass Wirklichkeit nur im dauernden Gespräch erfasst werden könne", gibt Vanessa Vu, die vor Ort war, in der "Zeit" zu bedenken. "Und indem man über die Dinge der Welt spreche, würden diese nicht 'einfach', sondern 'vielfach'. Und am Ende steht nach Arendt nicht ein richtiges Ergebnis, sondern die Erkenntnis, dass man, um vorwärtszukommen, immer wieder von vorn anfangen muss. Vielleicht ist nun eine Erkenntnis, die man nach diesem Abend in einem Berliner Museum hinzufügen kann: Von vorne lässt sich aber nur mit Menschen anfangen, die auch wirklich gemeinsam sprechen wollen."


"Es ist schwer zu verstehen, dass, wenn man Freiräume öffnet und unterschiedliche Stimmen und ihre Positionen zu Wort kommen lässt, diese Freiräume dann später dazu genutzt werden, andere Stimmen zu unterdrücken", sagt Till Fellrath, einen der beiden Direktoren des Museums, im "Zeit"-Interview mit Peter Neumann. "Offenbar ist der Dialog an manchen Punkten momentan nicht möglich. Die Frage ist jetzt, wie in einer demokratischen Gesellschaft auf Basis unseres Grundgesetzes und der Meinungsfreiheit ein respektvoller Dialog stattfinden kann. Wir haben alle den Hass und die Gewalt in diesem Raum gespürt."

Jens Winter äußert in der "taz" hingegen Zweifel daran, dass die Veranstaltung ein "Raum für schwierige Diskussion" sein würde, "hatte schon das Übergewicht antiisraelischer Stimmen unter den Prominenteren auf der Red­ne­r:in­nen­lis­ten aufkommen lassen. Gegenüber Mirjam Wenzel, deren Engagement für Israel darin besteht, dass sie am 11. Oktober 'fehlende Empathie' mit Juden im Kulturbetrieb attestierte, stand eine Vielzahl bekannter Gegner Israels, wie Masha Gessen, Deborah Feldman und Tomer Dotan-Dreyfus." Dass sich der Protest dann gegen eine Performance richtete, "die sowieso schon überwiegend israelkritisch war, schien auch die Künstler und Ini­tiatoren selbst zu überraschen. Die antizionistische Bewegung scheint sich auch in Deutschland immer weiter zu radikalisieren."

Museen

Am Wochenende gab es auch einen pro-palästinensischen Sitzstreik vor dem Britischen Museum in London, das gerade seinen Sponsorenvertrag mit BP um zehn Jahre verlängert hat. Die Demonstranten kritisieren, dass das "Energieunternehmen vom Krieg zwischen Israel und der Hamas profitiert", berichtet "The Independent". Die Demonstranten beriefen sich auch auf die Ankündigung Israels im Oktober, dass sechs Unternehmen, darunter BP, Lizenzen für die Gasexploration erhalten hätten.

In Berlin entsteht ein neues Prestige-Objekt für die deutsche Kunstlandschaft: das jetzt "berlin modern" genannte Museum des 20. Jahrhunderts. Zur Grundsteinlegung gibt es Kritik an den Kosten, der Architektur und am Abzug prominenter Werke. Die Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr kommentiert das Projekt in der WDR-5-Sendung "Scala"

Die beschädigte und angesprühte Statue des Sklavenhändlers Edward Colston (1636-1721), die seit ihrem Sturz ins Hafenbecken bei den "Black Lives Matter"-Protesten 2020 nicht mehr aufrecht stehen kann, könnte dauerhaft ins M Shed-Museum in Bristol kommen, berichtet die BBC


Film

Nach der Störung  im Hamburger Bahnhof fürchtet Harry Nutt in der "Berliner Zeitung"auch zur Berlinale Angriffe auf die Kunstfreiheit. "Den Akteuren wütender Proteste ging es noch nie um Differenzierung und eine pflegliche Anerkennung ihrer Sicht auf die Dinge. Wer sich einer Bewegung mit dem Namen Strike Germany anschließt und damit zum Ausdruck bringt, dass er den deutschen Staat und seine Institutionen für ein gelenktes Überwachungsregime hält, der ist vermutlich nicht für etwas zu gewinnen, das der amerikanische Philosoph Nelson Godman 'The Ways Of Worldmaking' genannt hat. Dabei käme es gerade jetzt auf eine Art relativistischen Pluralismus an, in dem man an seinen eigenen Prägungen festhält und zugleich offen ist für neue. Früher einmal galt das Kino als Ort, an dem solche Welten erzeugt wurden_"

Nach dem gemeinsamen Mega-Filmhit "Barbie" bauen Warner Bros. und Hauptdarstellerin und Produzentin Margot Robbie ihre Zusammenarbeit weiter aus. Die gebürtige Australierin hat mit ihrer Firma LuckyChap Entertainment und dem Hollywood Studio einen First-Look-Deal abgeschlossen, wie US-Branchenblätter wie "The Hollywood Reporter" und "Deadline" berichten. Robbie hatte die Produktionsfirma mit Ehemann Tom Ackerley und dem Produzenten Josey McNamara 2014 gegründet. Sie freuten sich darauf, mit Margot, Tom und Josey Filmprojekte jeglicher Größe und Genre für Kinogänger in aller Welt zu produzieren, schrieben die Warner-Manager Michael De Luca und Pam Abdy in einer Mitteilung. In einer First-Look-Vereinbarung können verschiedene Regelungen zur Produktion und Vermarktung getroffen werden. Die Gesellschaftssatire "Barbie" von Regisseurin Greta Gerwig über die ikonische Puppe war mit weltweiten Kinoeinnahmen von über 1,4 Milliarden Dollar der erfolgreichste Film von 2023.  Robbie war als Barbie und Ryan Gosling als Ken zu sehen. Die Komödie ist für acht Oscars nominiert, darunter als "Bester Film". Als ersten Film hatte Robbie mit LuckyChap Entertainment im Jahr 2017 "I, Tonya" produziert. Darin spielte Robbie die Eiskunstläuferin Tonya Harding. Sie war auch an der Produktion von Filmen wie "Promising Young Woman", "Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn" oder "Saltburn" beteiligt. 

Zum "Oscar-Luncheon", dem traditionellen Empfang der Nominierten, erschienen am Montag über 180 Filmschaffende im Beverly Hilton Hotel in Beverly Hills - unter anderem Sandra Hüller. Ob sie oft von Leuten darauf angesprochen werde, ob ihre Filmfigur in dem Gerichtsthriller "Anatomie eines Falls" schuldig oder unschuldig sei, wurde die deutsche Schauspielerin von einem Reporter des Filmblatts "Variety" bei dem Empfang gefragt. Jeden Tag würde sie Leute treffen, die so oder so denken würden, sagte Hüller.  "Ich denke, die einzige unschuldige Kreatur in dem Film ist der Hund", fügte sie schmunzelnd hinzu. . In dem Film der französischen Regisseurin Justine Triet spielt Hüller die Mutter eines sehbehinderten Jungen, die nach dem Tod ihres Mannes unter Mordverdacht gerät und sich vor Gericht verteidigen muss. Die 45-Jährige ist als beste Hauptdarstellerin nominiert. Der Border Collie Messi, der in dem Film als Snoop einen größeren Auftritt hat, mischte sich beim "Oscar-Luncheon" auch unter die Nominierten. 

 

Das besondere Kunstwerk

Tilman Allert, emeritierter Soziologie-Professor in Frankfurt am Main, schwärmt in der "FAZ" von Caspar David Friedrichs Gemälde "Zwei Schwäne auf dem Weiher im Schilf – Der Mond im ersten Viertel" im Frankfurter Romantik-Museum. "Eine Innigkeit scheint auf, die den Betrachter geradezu zu einem Voyeur macht. Die Perspektive legt nahe, man müsse sich an das Paar heranpirschen, um zu erspähen, was da vor sich geht, 'überwölbt vom Schilf, ohne Ausblick, Horizont und festen Grund', wie es im Katalogtext des Romantik-Museums heißt. Die zarte Eleganz der Tiere, für deren Bewegungen die Bezeichnung Anmut nicht übertrieben ist, bleibt rätselhaft. Was treiben sie, sind sie spielend unterwegs, zu später Stunde mit dem Nestbau beschäftigt?"